Sant'Egidio kritisiert flüchtlingsfeindliche Rhetorik

"Sozialtourismus"-Aussage wenig hilfreich

Die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio warnt nach einem mutmaßlichen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft, vor diskreditierender Rethorik. Aussagen über einen vermeintlichen Sozialtourismus förderten das Aggressionspotenzial.

Abgebrannte Flüchtlingsunterkunft in Groß Strömkendorf in Mecklenburg-Vorpommern / © Jens Büttner (dpa)
Abgebrannte Flüchtlingsunterkunft in Groß Strömkendorf in Mecklenburg-Vorpommern / © Jens Büttner ( dpa )

Nach dem mutmaßlichen Anschlag auf eine Unterkunft ukrainischer Flüchtlinge nahe Wismar warnt die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio vor einer Rhetorik, die die Aufnahme Geflüchteter diskreditiert. Aussagen wie die des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz über einen vermeintlichen Sozialtourismus von Menschen aus der Ukraine förderten das Aggressionspotenzial in der Gesellschaft, sagte der Sprecher von Sant'Egidio, Matthias Leineweber, am Freitag in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Mutmaßlicher Brandanschlag

Am Mittwochabend war bei Groß Strömkendorf bei Wismar in Mecklenburg-Vorpommern eine Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine abgebrannt. Von den 14 Bewohnerinnen und Bewohnern wurde niemand verletzt. Die Polizei geht von einem Anschlag aus, der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

CDU-Chef Friedrich Merz hatte Ende September von einem "Sozialtourismus" von Flüchtlingen gesprochen, die angeblich zwischen Deutschland und der Ukraine pendelten. Später bat er um Entschuldigung, falls seine Wortwahl als verletzend empfunden worden sei.

"Wasser auf die Mühlen von Extremisten"

"Es ist in dieser Situation nicht hilfreich, diejenigen zu stärken, die sagen, dass wir die Aufnahme nicht verkraften könnten", sagte Sant'Egidio-Sprecher Leineweber. Es seien derzeit viele Menschen in Deutschland bereit, zu helfen. Er befürchte, dass eine "Das-Boot-ist-voll-Rhetorik dazu führt, dass sich diese Menschen fragen könnten, ob es denn richtig ist, sich zu engagieren". Außerdem sei sie Wasser auf die Mühlen von Extremisten. "Jede und jeder soll sich gut überlegen, was er spricht", sagte er. Sant'Egidio ist eine Gemeinschaft, die sich unter anderem für Migranten, Ausgegrenzte und in der internationalen Friedensarbeit einsetzt.

Sant'Egidio - Überblick

Die im Mai 1968 in Rom entstandene katholische Bewegung Sant'Egidio widmet sich der karitativen Arbeit, der Diplomatie in Bürgerkriegsgebieten sowie dem Dialog der Religionen. Sie hat nach eigenen Angaben rund 60.000 Mitglieder in 70 Ländern, davon 5.000 in Deutschland. Ihr Hauptsitz befindet sich im römischen Stadtteil Trastevere, ihr deutsches Zentrum seit 1983 Würzburg. Seit 1986 ist die ökumenisch stark engagierte Gemeinschaft von der katholischen Kirche als Laienvereinigung anerkannt. Finanziert wird ihre Arbeit durch Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie durch öffentliche Zuschüsse.

Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA