Rund 8.000 Sinti und Roma droht die Abschiebung

Stiefkinder Europas

Die Abschiebung hängt über ihnen wie ein Damoklesschwert. In Deutschland meist nur geduldet, können Flüchtlinge der Sinti und Roma so gut wie jeden Moment des Landes verwiesen werden - beispielsweise zurück in den Kosovo. Hilfsorganisationen und die Kirchen kritisieren diesen Zustand.

Autor/in:
Veronika Schütz
 (DR)

Wegen des Balkankrieges kamen in den 90er-Jahren viele von ihnen nach Deutschland. Hier erhielten sie damals wegen der politischen Verfolgung in ihrer Heimat den Status der Duldung.

An diesem Status hat sich Schätzungen zufolge für rund zwei Drittel der etwa 50.000 Roma-Flüchtlinge nichts geändert. Das heißt, sie können jederzeit abgeschoben werden. Außerdem bleiben ihnen Integrationsmaßnahmen und Sprachkurse verwehrt. Ausbildungs- oder gar Arbeitsplätze zu finden, gerät so oftmals zu einem Ding der Unmöglichkeit - und ist im Status der Duldung auch nicht vorgesehen. Gleichzeitig jedoch wäre dieser Weg nach Ansicht von Experten die einzige Chance, die Situation der Sinti und Roma zu verbessern.

Länder entscheiden
Es gebe wohl Ausnahmeregelungen, um trotz des Duldungsstatus einer geregelten Tätigkeit nachzugehen, teilt das Bundesamt für Migration (BfM) auf Anfrage mit. Aber letztendlich hätten die Länder darüber zu entscheiden. Das Bundesamt gebe nur unverbindliche Empfehlungen ab. Die Bundesregierung ihrerseits scheint ohnehin keinen Handlungsbedarf zu sehen, die Situation der Roma in Deutschland zu verbessern. Im Gegenteil. Da sich die politische Situation in ihrem Heimatland Kosovo nunmehr entspannt habe, stünde einer Rückkehr auf den Balkan nichts mehr im Wege, argumentiert das Bundesinnenministerium.

Bereits im April schlossen Deutschland und die Republik Kosovo ein Rückübernahmeabkommen, das im September in Kraft treten soll. Laut Angaben des Innenministeriums geht es bei dem Abkommen um insgesamt 8.500 Roma. Hilfsorganisationen und die beiden großen Kirchen prangern die Vereinbarung mit dem Kosovo an. Ein Argument: Viele der Betroffenen lebten seit Jahrzehnten in Deutschland. Ihre Kinder seien hier aufgewachsen und fühlten sich als Deutsche.

Enttäuschungen und Misstrauen auf beiden Seiten
In der Realität herrschen Enttäuschungen und Misstrauen auf beiden Seiten vor. So bekommen geduldete Roma in Deutschland für ihre Kinder kein Kindergeld. In einigen Bundesländern gilt für die Heranwachsenden noch nicht einmal Schulpflicht - nämlich im Saarland, in Baden-Württemberg und in Hessen. Gleichzeitig haben manche Roma-Eltern Vorbehalte gegenüber dem deutschen Bildungssystem. Sie fürchten, ihre Kinder könnten die Nähe zu ihrer Ursprungskultur verlieren.

Und so stehen schon früh die Zeichen gegen eine Integration der Roma. Selbst diejenigen unter ihnen, die eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen und damit regulär die Möglichkeit haben, einen Job anzunehmen, haben unter Ausgrenzungen am Arbeitsmarkt zu leiden. Ein Großteil von ihnen bezieht Hartz-IV. Eine Rückkehr in den Kosovo wird das Dilemma wohl nicht lösen können. Denn dort wartet auf die meisten Abgeschobenen das Nichts: Sie haben keine Wohnung, keine Arbeit, keine Gesundheitsversorgung. Ein Rückkehrprojekt von Bund und Ländern mit finanziellen Starthilfen und Beratungen gibt es zwar in Pristina, Ableger außerhalb der Hauptstadt gibt es aber so gut wie keine.

Seit Jahresbeginn sind laut Innenministerium 137 Roma abgeschoben worden. Auch andere Länder der EU versuchen, ihre Probleme mit der am schnellsten wachsenden Minderheit Europas auf diese Weise zu lösen. Erst kürzlich mussten rund 700 Roma Frankreich verlassen. Ob derartige Maßnahmen aber grundsätzlich rechtens sind, löst inzwischen auch auf höchster Ebene Zweifel aus. Zwar sei der Umgang mit den Roma Sache der jeweiligen Länder, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Allerdings seien viele von ihnen EU-Bürger und hätten damit auch das Recht, sich frei innerhalb der Mitgliedsstaaten zu bewegen.