Rufe nach gezielteren Entlastungen für ärmere Haushalte

Kritik an Energiepauschale

Vor der für kommende Woche geplanten Vorstellung des dritten Entlastungspakets werden die Rufe lauter, ärmere Haushalte gezielter zu unterstützen. Politiker, Experten und Kirchenvertreter sprachen sich am Wochenende dafür aus.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Zählwerk in einem Gaszähler  / © Jens Büttner (dpa)
Zählwerk in einem Gaszähler / © Jens Büttner ( dpa )

CDU-Chef Friedrich Merz sagte dem "Focus", es sei "einfach falsch, dass Menschen mit einem hohen Einkommen 300 Euro Energiegeld bekommen. 1.000 Euro Energiegeld für die Einkommen im unteren Drittel wäre sinnvoller als 300 Euro für alle." Hilfe bräuchten aber auch alle, "die zwar über der Schwelle für Wohngeld liegen, aber trotzdem mit der aktuellen Mehrbelastung nicht zurechtkommen".

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) betonte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", er "verstehe auch nicht, warum man Gutverdiener wie mich bei den Energiekosten entlasten sollte. Da sollten wir uns auf diejenigen konzentrieren, die es wirklich benötigen."

Appelle für gezieltere Entlastungen 

Theologe Gerhard Kruip / © Harald Oppitz (KNA)
Theologe Gerhard Kruip / © Harald Oppitz ( KNA )

Auch der neue Wirtschaftsweise Martin Werding sprach sich im "Focus" für gezieltere Entlastungen aus. Dazu müsse es aber auch "eine gewisse Bedürftigkeitsprüfung geben". Hilfen müssten allerdings so gestaltet werden, dass die hohen Preise zuerst bei allen ankommen: "Auch einkommensschwache Haushalte müssen zunächst den tatsächlichen Gaspreis inklusive Umlage spüren, um dann in einem zweiten Schritt entlastet zu werden. Sonst haben sie keinen Anreiz, Gas zu sparen."

Der katholische Sozialethiker Gerhard Kruip warnte davor, die Gaspreise durch Obergrenzen, Subventionen oder eine Mehrwertsteuersenkung zu deckeln. Dies wäre ein völlig falsches Signal - auch mit Blick auf den Klimaschutz, sagte er im Podcast "Mit Herz und Haltung" der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. 

"Wir müssen akzeptieren, dass wir alle durch die hohen Energiepreise ärmer werden", ergänzte Kruip. Ein großer Teil der Gesellschaft werde dies verkraften können - "nicht aber die knapp 16 Prozent, die schon jetzt von Armut gefährdet oder arm sind". Sinnvoll seien direkte Zahlungen an die besonders betroffenen Menschen, insbesondere durch eine möglichst rasche Erhöhung der "bedarfsabhängigen Sozialleistungen wie Hartz IV, Grundsicherung im Alter oder Wohngeld".

Kritik an Senkung der Mehrwertsteuer

Auch Caritas-Präsidentin Eva-Maria Welskop-Deffaa kritisierte die geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Gaspreise als sozial- und klimapolitisch falsches Signal. Ein Entlastungspaket müsse gezielt diejenigen unterstützen, die auf Hilfe angewiesen seien.

Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritaspräsidentin / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritaspräsidentin / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), forderte im "Westfalen-Blatt" einen finanziellen Rettungsschirm für medizinische Einrichtungen, die wegen der hohen Energiekosten in ihrer Existenz bedroht sein könnten.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Die Entlastung sollte sich auf Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen konzentrieren und muss einfach und unbürokratisch funktionieren."

Kommende Woche will die Bundesregierung auf einer Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg möglicherweise schon erste Entscheidungen über das nächste Entlastungspaket treffen.

Gasumlage soll zunächst rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde betragen

Gasverbraucher müssen mit zusätzlichen Kosten ab Oktober rechnen. Die für das deutsche Marktgebiet verantwortliche Gesellschaft Trading Hub Europe gab in Berlin die Höhe der errechneten Gasumlage mit 2,419 Cent pro Kilowattstunde bekannt.

Damit können Gasversorger bis Ende März 2024 den Großteil der Kosten an ihre Kunden weitergeben, die ihnen entstehen, weil sie ausbleibende Lieferungen aus Russland mit neu gekauftem und deutlich teurerem Gas ersetzen müssen.

Eine Gasflamme brennt auf einem Küchenherd / © Hauke-Christian Dittrich (dpa)
Eine Gasflamme brennt auf einem Küchenherd / © Hauke-Christian Dittrich ( dpa )
Quelle:
KNA