Rücktritt von CSU-Parteichef Huber und Generalsekretärin Christine Haderthauer

"Chance auf Neubeginn"

Der CSU-Vorsitzende Erwin Huber tritt nach dem Debakel seiner Partei bei der bayerischen Landtagswahl zurück. Huber kündigte an, auf einem Sonderparteitag am 25. Oktober sein Amt zur Verfügung zu stellen. Bis dahin bleibe er im Amt. Auch CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer wird ihr Amt aufgeben. Nachfolger will Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer werden.

 (DR)

Huber hatte seine Entscheidung am Dienstagmorgen der Presse mitgeteit: "Ich gebe damit meiner Partei die Chance für einen personellen Neubeginn an der Spitze." In seinen 13 Monaten als CSU-Vorsitzender sei es sein Ziel gewesen, "die CSU stabil und zukunftsfähig zu halten". Huber betonte: "Sie ist an wichtigen Stellen jünger und weiblicher geworden."

Neuer CSU-Chef soll Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer werden. Er stehe für diese Aufgabe zur Verfügung, sagte Seehofer am Dienstag in Berlin nach einer Sondersitzung der CSU-Landesgruppe in Berlin.

Auf der Sitzung der CSU-Landesgruppe war Seehofer auf Vorschlag von CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer zum Spitzenkandidaten für die kommende Bundestagwahl benannt worden. Diese Liste wird traditionell vom CSU-Chef angeführt. Ramsauer sagte, diese Personalie werde natürlich auch Konsequenzen auf andere Ämter wie den Parteivorsitz haben.

Seehofer kündigte an, die Reform der CSU zu einer «modernen, frischen Volkspartei» vorantreiben zu wollen. «Wir erhöhen uns nicht in der Macht», versicherte er. Vielmehr wolle er mit einer erneuerten CSU «das zurückerobern, was wir in Übermaß verloren haben: das Vertrauen der Bevölkerung».

Kirche muss engagiert argumentieren
Als «große Wende in Bayern» hat der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick den Ausgang der Landtagswahl bezeichnet.
Dies gelte vor allem für die starken Verluste der CSU und dafür, dass sie «beträchtlich unter der 50-Prozent-Marke gelandet» sei, sagte Schick in Bamberg. Ein Zeichen für den generellen Rückzug des christlichen Elements in Bayern wollte der Erzbischof darin nicht erkennen: «Wir haben immer gesagt, dass alle demokratischen Parteien für Christen wählbar sind.»

Besorgt zeigte sich Schick über die niedrige Wahlbeteiligung. Es sei bedenklich, dass trotz der spannenden Ausgangslage nicht mehr als 58 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt hätten. Hier müsse etwas in den Schulen und auch in der Jugendarbeit passieren. «Demokratie lebt von Beteiligung», betonte der Erzbischof.

Der CSU bescheinigte er generell eine «gute Arbeit». Nicht umsonst sei Bayern Spitzenreiter beim Bruttosozialprodukt, Arbeitsplätzen oder Universitäten. Es habe sich aber eine «schwer zu fassende Unzufriedenheit» mit beiden Volksparteien entwickelt. Erleichtert äußerte sich Schick darüber, dass weder Linke noch NPD der Einzug in den Landtag gelang.

Eine Präferenz für eine bestimmte Koalition im neuen Landtag hat der Erzbischof nach eigenen Worten nicht. Das Kabinett werde jedenfalls vielfältiger werden. Die Kirche werde ihre Themen engagierter als bisher vorbringen und besser argumentieren müssen.  

Generationswechsel nicht optimal verlaufen
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Christian Wulff machte die Arbeit in der Union in der großen Koalition für den dramatischen Niedergang der CSU in Bayern mitverantwortlich. «Teilweise liegen die Verluste der CSU, zu Gunsten der FDP, der Freien Wähler und der Nichtwähler, sicher auch darin begründet, dass die große Koalition im Bund über alles einen so großen Schirm aufgespannt hat», sagte er. Außerdem sei es wohl eines der Probleme in Bayern gewesen, dass der Generationswechsel «nicht optimal verlaufen ist». Es liege aber unverändert «im ganz großen Interesse der CDU, dass die CSU so einflussreich und pointiert bleibt, wie sie es geworden ist», sagte Wulff.

Von der CDU forderte Wulff eine durchdachte Wahlanalyse und keine Schnellschüsse mit Urteilen. «Offenbar verlieren die Volksparteien an Bindekraft. Das liegt auch daran, dass man über große Fragen nicht mehr richtig streitet, weil man in der großen Koalition zusammenarbeitet. Deshalb muss jenseits der großen Koalition das Gewicht der Parteien gestärkt werden.»

Koalition mit der FDP
In Bayern scheint nach 46 Jahren Alleinherrschaft der CSU jetzt eine Koalition mit der FDP am wahrscheinlichsten. Die CSU werde die FDP wahrscheinlich als Koalitionspartner «vorziehen, weil sie da weiß, was sie bekommt», sagte der Berliner Wahl- und Parteienforscher Oskar Niedermayer. Bei den Freien Wählen sei weniger berechenbar, wie ihre Politik aussehe, da sie kein einheitliches Programm hätten. Eine eventuell mögliche Mehrheit der übrigen Parteien gegen die CSU bezeichnete Niedermayer als «Wunschdenken»: «Das wird die FDP nicht mitmachen».

Der Politikwissenschaftler nannte die Wahlniederlage der CSU einen «Erdrutsch, der sehr selten vorkommt». Das Ergebnis sei «eine Zeitenwende für Bayern». Für das schlechte Abschneiden der CSU gebe es unterschiedliche Gründe. So habe etwa der soziale Wandel auch in Bayern zu einem Rückgang der Parteibindungen geführt. Hinzu kämen «Fehler» des Führungsduos aus Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein. Die Parteispitze habe etwa bei der Gesundheitsreform oder der Pendlerpauschale eine «wankelmütige Haltung» gezeigt.

Die Rolle Stoibers
Eine Mitverantwortung sieht Niedermayer allerdings auch beim ehemaligen Ministerpräsidenten und Parteichef Edmund Stoiber. Dessen Reformpolitik habe «viele Bürger verprellt». Die Bürger in Bayern hätten «immer weniger das Gefühl, dass die CSU die bayerische Lebensart widerspiegelt».

Doch gerade bei Stoiber sieht der Politikberater Michael Spreng, Manager des Bundestagswahlkampfs von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber 2002 eine Lösung der CSU-Krise. Spreng empfahl der CSU nach dem Wahldesaster auf Stoibers Hilfe zurückzugreifen. «Ich sehe die einzige Chance darin, dass Edmund Stoiber den Übergangsprozess leitet und in geordnete Bahnen lenkt, um einen Selbstzerstörungsprozess zu verhindern», sagte er. «Stoiber ist die letzte Person mit Autorität in der CSU.»

Der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber selbst hat das Debakel seiner Partei bei der Landtagswahl als «bittersten Moment in meinem politischen Leben» bezeichnet. «Die CSU ist gegenwärtig nicht mehr der Mythos, der sie jahrzehntelang war», sagte der CSU-Ehrenvorsitzende am Montag in München. Es müsse alles dafür getan werden, um dies wieder zu ändern. Es gehe jetzt nicht um personelle Fragen, aber es müssten die «richtigen Konsequenzen» gezogen werden. Stoiber sagte, er werde sich dabei als «Ehrenspielführer» mit einbringen.

Bei der bayerischen Landtagswahl am Sonntag hat die CSU die absolute Mehrheit verloren. Die Christsozialen kamen auf 43,4 Prozent, das sind 17,3 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Doch die SPD konnte von der Schwäche der CSU nicht profitieren. Sie kam auf 18,6 Prozent der Stimmen (minus 1,0 Punkt), die Grünen auf 9,4 Prozent (plus 1,7 Punkte).

Deutlich zulegen konnten dagegen die kleineren bürgerlichen Parteien. Die FDP erreichte 8,0 Prozent (plus 5,4 Punkte) und die Freien Wähler 10,2 Prozent (plus 6,2 Punkte). Die Linke verfehlte dagegen mit 4,3 Prozent den Einzug in das bayerische Landesparlament. Die Wahlbeteiligung lag mit 58,1 Prozent einen Prozentpunkt über dem Wert von 2003.