Roman "Die Schwarze Rose" taucht tief ins Mittelalter ein

Auf den Schultern von Umberto Eco

"Die schwarze Rose" fängt an, wo "Der Name der Rose" aufhört. Dirk Schümer hat einen spannenden Mittelalterkrimi geschrieben, in dem Leser viel über einen geldgierigen Papst und den Armutsstreit in der Kirche erfahren.

Autor/in:
Von Christoph Arens
Roman "Die schwarze Rose" setzt da an, wo "Der Name der Rose" aufhörte / © Scherbinator (shutterstock)
Roman "Die schwarze Rose" setzt da an, wo "Der Name der Rose" aufhörte / © Scherbinator ( shutterstock )
Schriftsteller Umberto Eco gestorben / © Carmen Siguenza (dpa)
Schriftsteller Umberto Eco gestorben / © Carmen Siguenza ( dpa )

Genau 40 Jahre ist es her, seit Umberto Ecos Weltbestseller "Der Name der Rose" auf Deutsch erschien. Ecos legendärer historischer Roman, über 50 Millionen Mal verkauft, mehrfach verfilmt und inszeniert, spielt im Italien des Jahres 1327 und thematisiert in Form einer Kriminalgeschichte in einer reichen Benediktinerabtei unter anderem den Streit zwischen dem Franziskanerorden und dem Papst um die Frage, wie arm die Kirche sein müsste.

Fortsetzung im Jahr 1328

Jetzt hat Eco einen würdigen Nachfolger gefunden. Der Journalist, Historiker und Italien-Kenner Dirk Schümer hat mit "Die Schwarze Rose" quasi eine Fortsetzung geschrieben. Sie spielt im Jahr 1328 und liefert auf 600 Seiten erneut eine spannende Mischung aus Krimi, Liebesgeschichte, Finanz-Thriller, Sittengeschichte und Kirchengeschichte. Lagerkämpfe und Disputationen über Gottes Wirken wechseln sich ab mit Leichenfunden, Troubadour-Abende mit scholastischen Streitgesprächen über die päpstliche Autorität.

Schümer betonte zwar im Gespräch mit dem ARD-Literaturkritiker Denis Scheck, er sehe seinen Roman nicht als "direkte Fortsetzung" des Eco-Bestsellers. Er räumte aber gleichzeitig ein, dass ihn "Der Name der Rose" in Jugendzeiten sehr geprägt habe. Vor kurzem habe er Ecos Roman wieder gelesen und festgestellt, dass er offen endet: "Die Urgeschichte, die revolutionären Bettelmönche gegen den schwerreichen Papst und die Inquisition, bleibt offen." Und so begegnen dem Leser Personen aus Ecos Roman auch bei Schümer wieder: Mönch-Detektiv William von Baskerville beispielsweise oder der vom Papst eingekerkerte franziskanische Ordensgeneral Michael von Cesena.

Von Italien nach Avignon

Allerdings spielt "Die Schwarze Rose" nicht im abgelegenen Kloster, sondern in der südfranzösischen Stadt Avignon, die zwischen 1309 und 1376 Sitz des Papstes war. Eine mittelalterliche Boom-Town, die Künstler, Kleriker und Glückssucher anzog und die laut Schümer durch die Habgier von Papst Johannes XXII. zum Ursprung des europäischen Finanzmarktes wird. Der Papst, vom Autor im Interview als "Donald Duck des Mittelalters" beschrieben, macht alles zu Geld: Er verkauft nicht nur Bischofstitel, sondern nimmt sogar Geld von Männern, denen er zusagt, möglicherweise später mal auf einen Bischofssitz hoffen zu können.

Meister Eckhart und sein Mönchs-Novize

Wie bei Umberto Eco ist der Erzähler des Romans ein Mönchs-Novize, der aus Westfalen stammende Dominikaner Wittekind, der seinen Ordensbruder, den berühmten Theologen und Mystiker "Meister Eckhart" zu dessen Häresieprozess nach Avignon begleitet. Eckhart lehrt, dass der Glaube eine individuelle Beziehung zwischen Gott und jedem Menschen ist und keinen Priester als Vermittler braucht. Auch seine Erkenntnis, dass Gott in jedem Menschen und in der gesamten Schöpfung ist - und nicht nur in Monstranzen und auf Altären - hat ihm ein Verfahren am Papsthof eingebracht.

In Avignon, wo viele Fäden der europäischen Politik zusammenlaufen, gerät der junge Mönch in eine Intrige epochalen Ausmaßes. Es geht um hinterlistige Kardinäle, einen vor Terror nicht zurückscheuenden Papst, das nächste Pogrom fürchtende Juden und eine Bevölkerung, die zu großen Teilen aus Profiteuren, Unterdrückten und Taugenichtsen besteht.

Komplizierte Welt des Mittelalters

Politisch sind die Fronten klar: Auf der einen Seite stehen der einflussreiche italienische Kardinal Napoleone Orsini, die Armut der Kirche fordernde Franziskaner und der Kaiser Ludwig der Bayer. Und auf der anderen Seite der Papst, französische Kardinäle und der Dominikanerorden. Wer wie die Franziskaner Christus für besitzlos erklärt und den Reichtum der Kirche verdammt, findet sich schon halb in einem päpstlichen Kerker wieder. Diese komplizierte Welt erlebt der Leser durch Wittekinds Augen. Der Mönch aus dem kalten Deutschland ist dabei kein mittelalterlich-frommer Ordensmann, sondern ein Skeptiker und Kritiker von Glauben und Kirche mit einem abenteuerlichen Vorleben.

Schümers Roman hat weniger philosophische Tiefe als Ecos Werk. Dafür ist er politischer. "Die Schwarze Rose" sei auch ein Buch über den Staat, der in dieser Zeit erfunden wurde, und die Gewaltherrschaft, erläutert er in Interviews. "Wie gehe ich mit dem Machtanspruch von Staat und Ideologie um - das habe ich unterhaltsam zu thematisieren versucht", so Schümer.

Quelle:
KNA