Rom bietet eine überraschende Vielfalt katholischer Riten

Der Orient in der Stadt der Päpste

Geistliche in ungewohnter orientalischer Gewandung sind in diesen Tagen rund um den Petersdom zu sehen: Sie sind Würdenträger der Synode für den Nahen Osten, die bis Ende Oktober im Vatikan tagt. Doch auch außerhalb der Bischofsversammlung existieren in Rom ein Dutzend Gemeinden, die katholisch sind, aber einem ostkirchlichen Ritus folgen.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Religiöses Leben im Herz des Katholizismus - das ist weit mehr als lateinische Gesänge und Gottesdienste nach dem Messbuch, das sich das römische nennt. So dient ausgerechnet eine der touristischen Attraktionen Roms, Santa Maria in Cosmedin mit dem steinernen "Mund der Wahrheit", der Bocca della Verita, als Kirche der arabischsprachigen melkitischen Gemeinde. Weiter oberhalb am Tiber haben die katholischen Armenier in der Via Giulia ihren Sitz, während die Vertretung des syrisch-katholischen Patriarchen von Antiochien in einem eleganten barocken Komplex auf dem antiken Marsfeld residiert. Das Rom der Päpste, die sich einst "Patriarchen des Abendlandes" nannten, ist durchsetzt mit Einsprengseln aus dem Morgenland.



Und das hat Tradition: Auf eine über 400-jährige Geschichte blicken etwa die in Rom lebenden Maroniten aus dem Libanon zurück. Heute gehören ihr rund 200 Familien an - Einwanderer, Angehörige internationaler Firmen und Diplomaten. Ihr Gemeindezentrum im noblen Hotelviertel nahe der Via Veneto ist zugleich soziale und kulturelle Drehscheibe für nichtkatholische Wahlrömer arabischer Muttersprache. Seit zwei Jahren bietet die Pfarrei auch Arabischkurse für Italiener an.



Mittler zwischen Orient und Okzident

"Wir verstehen uns als Mittler zwischen Orient und Okzident", sagt Charbel Ghoussoub, einer der libanesischen Seelsorger. Im katholischen Rom wolle die Gemeinde "den Reichtum der Kirche mit ihrem gemeinsamen Glauben sichtbar machen". Zugleich ist für den jungen Geistlichen die Exilsgemeinde eine Art religiöse Auslandsvertretung, die den Katholiken in der Heimat den Rücken stärken soll.



In die afrikanische Welt taucht ein, wer unweit der Piazza Navona durch die Tür von San Tommaso in Parione tritt. Kunstvolle Gesänge der altorientalischen äthiopischen Liturgie empfangen den Besucher. Vor einer mit Glühbirnen umkränzten Marienikone über dem Altar der Barockkirche feiern jeden Sonntag ostafrikanische Katholiken ihre stundenlange Liturgie - deren Wurzeln weitaus älter sind als die römisch-katholische Messtradition.



Die Ursprünge der heutigen Personalpfarrei liegen im äthiopischen Bürgerkrieg ab 1974. Damals suchten viele Flüchtlinge Zuflucht in Rom. Auch jetzt bestimmen soziale Härten die Gemeinderealität. "Die Gemeinde verändert sich sehr schnell - je nachdem, ob jemand hier Arbeit findet", sagt Pater Mehari Habtai, seit neun Jahren Seelsorger in San Tommaso. So ist die mal 50, mal 100 Personen zählende Herde zwar sehr lebendig, aber arm. Selbst für die humanitäre Unterstützung gestrandeter oder illegal eingereister Landsleute fehlt Geld.



Pater Habtai weiß, wie sehr die kleine Nationalkirche Rückhalt für die Migranten bedeutet. Demgegenüber betont er auch den internationalen Aspekt seines Glaubens: "Ich bin stolz, Katholik und damit Weltbürger zu sein." Habtai selbst verbindet östliche und westliche Tradition auf besondere Weise: Als praktizierender altorientalischer Priester gehört er dem Zisterzienserorden an.



Sonntagsgottesdienste direkt hinter dem Petersdom

Früher feierten die katholischen Äthiopier regelmäßig Sonntagsgottesdienste direkt hinter dem Petersdom, in der Kirche Santo Stefano degli Abissini unterhalb des Äthiopischen Kollegs. Nach dem 11. September 2001 schränkte sich der Publikumsverkehr der Äthiopier im Vatikan wegen verschärfter Sicherheitsmaßnahmen ein. Ihre Heimat, das Horn von Afrika, gilt als Operationsbasis für El Kaida.



Wenige Schritte abseits der verwaisten äthiopischen Kirche im Vatikan tagt jetzt die Bischofssynode. Es geht um die Förderung der Einheit zwischen den katholischen Kirchen des Ostens. Auch dieses Thema hat einen konkreten Bezug zum römischen Leben: Erst Anfang des Jahres hat sich die Gemeinde in Santo Tommaso in eine eritreische und eine äthiopische Gruppe gespalten.