Rigas Erzbischof sieht Kriegsgefahr

Karlsamt in Frankfurt

Der katholische Erzbischof von Riga, Zbignevs Stankevics, sieht auch Lettland durch den Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine in Gefahr. Dabei geht es ihm nicht nur um Truppen, sondern nichtmilitärische Mittel.

Autor/in:
Norbert Demuth
Der Frankfurter Kaiserdom Sankt Bartholomäus mit der Innenstadt und dem Bankenviertel. / © Bert Bostelmann (KNA)
Der Frankfurter Kaiserdom Sankt Bartholomäus mit der Innenstadt und dem Bankenviertel. / © Bert Bostelmann ( KNA )

Wenn Wladimir Putin die Ukraine angreife, "dann sind wir - die baltischen Länder - die nächsten, danach auch Polen", sagte Stankevics am späten Samstagnachmittag in Frankfurt am Main. "Wenn es keinen Dialog gibt, wird es sehr gefährlich und kann zu einer Kriegssituation kommen", betonte Stankevics (66), der Metropolit aller lettischen Diözesen ist.

Zbignevs Stankevics, Erzbischof von Riga, am 13. März 2019 in Brüssel. / © Julia Steinbrecht (KNA)
Zbignevs Stankevics, Erzbischof von Riga, am 13. März 2019 in Brüssel. / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Lettland sei zwar Nato-Mitglied. Dennoch mache ihm ein möglicher "Hybrid-Krieg" Sorgen. Unter hybrider Kriegsführung versteht man eine Mischung aus militärischen und nichtmilitärischen Mitteln wie Propaganda und Cyberangriffen, um ein Land zu destabilisieren. "Putin könnte einen Schritt machen, und dann noch einen und noch einen", warnte der lettische Bischof.

Stankevics äußerte sich beim "Domgespräch" kurz vor dem Karlsamt am Samstagabend - einem traditionsreichen, feierlichen Gottesdienst im Frankfurter Kaiserdom, bei dem er als Gastbischof die Predigt hielt. Darin sagte er: "Wenn Europa, wenn die EU ihre innere Einheit bewahren wird, dann wird sie auch den Frieden an Europas Grenzen bewahren können."

Auch Geschlechtsidentität war Thema

In seiner Predigt befasst sich der Bischof auch mit "Problemen der Geschlechtsidentität in der heutigen Gesellschaft". Stankevics sagte, im Schöpfungsbericht der Bibel stehe geschrieben, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen habe. "Heute wissen immer mehr Männer und Frauen nicht mehr, wer sie sind und sind verwirrt", sagte Stankevics.

"Wir müssen solche Menschen mit Liebe annehmen und ihre Menschenwürde respektieren", fuhr der Erzbischof fort. Aber "andererseits" müsse man ihnen das Evangelium verkünden. Dies sei die frohe Botschaft, "dass Christus gekommen ist, um auch ihnen zu helfen, mit sich selbst in Wahrheit zu sein", "das Kreuz" ihres Lebens anzunehmen und "den Ruf zur Keuschheit zu erfüllen", sagte Stankevics. "Es tut mir leid", fügte er hinzu, "aber viele Menschen hören diese unsere frohe Botschaft nicht, weil sie von ihnen verlangt, ihre Komfortzone zu verlassen".

600 Jahre altes Gesprächsformat der Frankfurter Katholiken

Das Karlsamt wurde 2022 erneut unter Corona-Einschränkungen gefeiert und live gestreamt. Stankevics wurde vom Limburger Bischof und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sowie von Stadtdekan Johannes zu Eltz begrüßt. Das Karlsamt wird seit 1332 zum Gedenken an den Todestag Kaiser Karls des Großen gefeiert, der am 28. Januar 814 starb. Seit mehr als 600 Jahren gedenken die Frankfurter Katholiken am letzten Samstag im Januar Karls des Großen, der als Gründervater Europas gilt. Zu dem Pontifikalamt kamen wie stets auch Vertreter der Ritterorden in imposanten Gewändern. Hauptzelebrant und Prediger ist jedes Jahr ein anderer europäischer Bischof.

Stankevics erlebte zuvor beim Domgespräch im "Haus am Dom" eine Irritation. Einige Minuten vor dem geplanten Ende des von Akademiedirektor Joachim Valentin geführten Gesprächs ertönte mehrfach eine laute Durchsage, die zum Verlassen des Gebäudes aufforderte. Valentin bedauerte: "Wir müssen raus, das ist wohl ein Feueralarm." Das Domgespräch wurde abrupt beendet.

Kaiserdom zu Frankfurt am Main

Der Dom St. Bartholomäus – auch Kaiserdom zu Frankfurt am Main – ist ein herausragender Ort west- und mitteleuropäischer Geschichte.

Aus dem Gotteshaus der karolingschen Kaiserpfalz hervorgegangen, gründet er auf Resten einer kleinen merowingischen Kapelle, die vor 680 entstanden sein muss. Wie Funde von Grabungen aus den Jahren 1992–1994 bestätigen, wurde in dieser Kapelle ein reiches – adeliges – Mädchen beigesetzt. Das Grab ist am West-Eingang des Domes durch eine Sandsteinplatte markiert.

ARCHIV - Menschen gehen an einer beleuchteten Bude vorbei in einer Straße am Frankfurter Kunstverein vor dem Dom Sankt Bartholomäus am 29. November 2019 in Frankfurt am Main. Foto: /KNA / © Bert Bostelmann (KNA)
ARCHIV - Menschen gehen an einer beleuchteten Bude vorbei in einer Straße am Frankfurter Kunstverein vor dem Dom Sankt Bartholomäus am 29. November 2019 in Frankfurt am Main. Foto: /KNA / © Bert Bostelmann ( KNA )
Quelle:
KNA