Rick Warren soll Obamas Präsidentschaft den Segen geben

Der Prediger des Präsidenten

Zu den Paradoxien der USA gehört, dass trotz scharfer Trennung zwischen Staat und Kirche die Glaubensüberzeugung nicht selten in den Mittelpunkt des politischen Lebens rückt. So tritt zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten der populäre Pastor Rick Warren auf. Die Entscheidung Obamas ist höchst umstritten. Wer ist dieser Rick Warren?

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Der 54-Jährige Warren soll am 20. Januar auf den Stufen des Kapitols zur Inaugurations-Zeremonie der Präsidentschaft Barack Obamas sprechen. Warren folgt damit seinem Mentor, dem Erweckungsprediger Billy Graham nach, den der noch amtierende Präsident George W. Bush zu seinen Freunden zählt - in dieser Frage steht der Demokrat Obama also auf einer Linie mit dem Republikaner Bush.

Will man den amerikanischen Zuschnitt des evangelikalen Kirchenführers verstehen, lohnt ein Besuch in dessen «Mega-Church» im Süden Kaliforniens. Der künftige Präsident pilgerte dort bereits im Wahlkampf hin. Mit seinem republikanischen Gegenkandidaten John McCain musste er sich seinerzeit den Gretchenfragen der evangelikalen Wählerschaft stellen. Immerhin hatten die 30 Millionen US-amerikanischen Anhänger dieser Glaubensrichtung Bush den Weg ins Weiße Haus geebnet.

Bei Obamas Demokraten sorgte nun allerdings Warrens Nominierung für die Vereidigungszeremonie beim linken Parteiflügel für einen Sturm der Entrüstung. Denn der Prediger wendet sich gegen die Homosexuellenehe. Und ausgerechnet in Kalifornien, der Hochburg von Schwulen und Lesben, scheiterte die bislang mögliche Ehe gleichgeschlechtlicher Partner jüngst an einem Volksbegehren.

Warren, Sohn eines Baptistenpredigers, der sich selbst keiner Konfession zuordnet, gehört aber zu jenen, die versuchen, die Evangelikalen aus einer moralischen Engführung im politischen Engagement herauszubringen. Sein Fünf-Punkteplan für globales Handeln umfasst soziale Fragen wie Friede, Armut, Aids oder Bildung. Außerdem macht er sich für den Umweltschutz und gegen die Erderwärmung stark. Sein millionenfach verkauftes Hauptwerk «Purpose driven life» - zu Deutsch «Leben mit Visionen» - setzt entsprechend nicht bei Moral oder Sündhaftigkeit an, sondern bei der Sehnsucht des Menschen nach Sinn und Nützlichkeit des eigenen Lebens. Das Sola-scriptura-Prinzip, also die Bibeltreue, bleibt aber auch für Warren grundlegend.

Die 1980 gegründete Saddleback-Church liegt im sonnenreichen Hügelland des kalifornischen Landkreises Orange. Dorthin strömen jede Woche 22.000 Gläubige. Vom Parkplatz geht es mit einem Bähnchen den Hügel hinauf zu einem Gebäudekomplex, der in postmoderner Architektur eher einem Filmstudio ähnelt. Neben den großen Gottesdiensthallen gibt es Restaurants, Cafes und ein Jugendzentrum, dessen Innenausstattung mit rotem Ziegel und riesigen Stahlventilatoren auf Großstadtmilieu und Rapkultur gestylt ist.

Das Zentralgebäude fasst etwa 10.000 Menschen. Die Feier wird über Lautsprecher auf den weiträumigen Vorplatz und in andere Hallen übertragen. Zur Einstimmung spielt eine Boy- oder Girlgroup religiösen Softpop. Kein Ritus, keine Liturgie, dafür viel religiöses Gefühl und Understatement. Der Prediger in Jeans und Hawaii-Hemd suggeriert schon im Outfit: Ich bin einer von Euch - auch ihr könnt es schaffen.

Er sprich in der ersten Person, als Zeuge, von seiner Erfahrung - mit professioneller Authentizität. Von Versagen und Sehnsucht, von Gebet und Erlösung ist die Rede. Auf dem Vorplatz kann der Besucher zu dem Gesagten Bücher, CDs oder DVDs erwerben. Der Bestsellerautor Warren verdient inzwischen Millionen. In Umkehrung des biblischen Zehnten gehen 90 Prozent der Einnahmen an seine Großkirche, die mittlerweile auch in Afrika und Asien missioniert. Zehn Prozent bleiben der Familie, heißt es. Warren ist seit 30 Jahren mit Elizabeth Kay verheiratet und hat drei erwachsene Kinder sowie zwei Enkel.

Mit der Entscheidung für Warren strebt Obama zweifelsohne danach, seine Machtbasis zu verbreitern. Immerhin wählte das «Time Magazin»
2005 den Prediger zu den hundert einflussreichsten Persönlichkeiten, «News-Week» zu den 15 Persönlichkeiten, die «Amerika Bedeutung verleihen», und für U.S. News & World Report gehörte er zu «America's Top 25 Leaders».