Der neue US-Kongress und die Religion

Katholiken plus, Protestanten minus

Die Welt wartet gespannt auf den Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama am Dienstag. In ihn und seine Regierung werden große Erwartungen gesetzt. Schon vor Obama hat der neue US-Kongress seine Arbeit aufgenommen. In seiner Zusammensetzung ist er ein Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft, zeigt, dass diese in religiöser Hinsicht im Wandel ist. Er ist, wie die ganze Nation, heute weit weniger protestantisch geprägt als noch vor einem halben Jahrhundert.

Autor/in:
Adrienne Woltersdorf
 (DR)

Im neuen Kongress, dem 111. seit Gründung der USA, erreicht der Anteil der Protestanten mit 54,7 Prozent seinen niedrigsten Stand. Noch Anfang der 60er Jahre waren knapp 75 Prozent in der Volksvertretung die Norm. Die Entwicklung entspricht den Veränderungen in der US-Bevölkerung. Noch 1980 bezeichneten sich zwei Drittel der Amerikaner als protestantisch; heute sind es dem unabhängigen «Pew Forum on Religion» in Washington zufolge noch 51,3 Prozent.

Stark an Boden haben im Parlament auch die Methodisten verloren. Anfang der 60er Jahre stellten sie noch jeden fünften Kongressabgeordneten, heute ist es nur noch jeder Zehnte. Ebenfalls gesunken ist der Anteil der Episkopalen, also der US-Anglikaner - einer Gruppe, die in Nordamerika ohnehin durch Spaltungen und innere Veränderungsprozesse gekennzeichnet ist.

Katholiken als Gewinner
Größte Gewinner unter den religiösen Gruppen im Kongress sind die Katholiken. Ihr Anteil wuchs in den vergangenen fünf Jahrzehnten stark an. Seit den 60er Jahren, als der erste und bislang einzige katholische Präsident John F. Kennedy in der US-Politik Pionierarbeit leistete, stieg ihr Anteil von knapp 19 auf heute 30,1 Prozent - ein Rekord. Die Katholiken sind damit im neuen Kongress stärker vertreten als in der Gesamtbevölkerung, in der sie mit rund 70 Millionen Mitgliedern knapp ein Viertel ausmachen.

Auch Abgeordnete jüdischen Glaubens sind im neuen Kongress stärker vertreten als bisher. Ihr Anteil stieg von einst 2 auf heute 8,4 Prozent an. Damit sind auch sie im künftigen Parlament deutlich stärker vertreten als in der Gesamtbevölkerung, in der sie einen Anteil von 1,7 Prozent haben. Besonders hoch ist der Anteil von Juden im künftigen US-Senat, wo sie 13 Prozent der Senatoren stellen. Prominentestes Mitglied ist Joe Lieberman, der im Jahr 2000 gemeinsam mit Al Gore für das Weiße Haus kandidierte.

Umgekehrt als bei den Katholiken und Juden verhält es sich bei den Baptisten. Sie sind seit Jahrzehnten konstant mit rund 12 Prozent der Abgeordneten vertreten - obwohl knapp 20 Prozent der US-Bürger Mitglied einer Baptisten-Kirche sind. Unterrepräsentiert sind im hohen Haus in Washington, gemessen an der Bevölkerungsstatistik, auch Buddhisten, Muslime und Hindus.

Jeweils knapp 0,7 Prozent der US-Bevölkerung bezeichnen sich als Muslime und Buddhisten - im Kongress stellen beide Gruppen je 0,4 Prozent. Seit März 2008 sitzen im Kongress immerhin zwei afroamerikanische Muslime, darunter der Konvertit Keith Ellison. Er sorgte für Wirbel, als er darauf bestand, seinen Amtseid auf den Koran statt auf die Bibel zu schwören.

Nur fünf Abgeordnete des neuen Parlaments, also lediglich rund ein Prozent, gab laut einer jüngsten Erhebung des «Pew Forum» an, keiner bestimmten religiösen Gruppe anzugehören. Im Vergleich dazu bezeichneten sich bei einer breit angelegten Umfrage im vergangenen Frühjahr rund 16 Prozent der befragten US-Bürger nicht als Mitglied einer bestimmten Glaubensrichtung.