Reformierte Kirchen schließen sich Rechtfertigungs-Konsens an

"Historischer Tag" für die Ökumene

Von Wittenberg sollen 500 Jahre nach der Kirchenspaltung Impulse für die Einheit der Christen ausgehen - dieser Gedanke stand hinter einem denkwürdigen Ökumenetag in der Lutherstadt. Herausgekommen ist das "Wittenberger Zeugnis".

Autor/in:
Norbert Zonker
Ökumenischer Festgottesdienst in der Wittenberger Stadtkirche / © Jens Schlueter (epd)
Ökumenischer Festgottesdienst in der Wittenberger Stadtkirche / © Jens Schlueter ( epd )

Von einem "historischen Tag" sprach der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, ebenso wie der Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), Jerry Pillay. Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbunds (LWB), Martin Junge, meinte, vor fünf Jahren sei an diesen ökumenischen Höhepunkt noch nicht einmal zu denken gewesen.

In der Tat markiert der Gottesdienst in der Wittenberger Stadtkirche ein wichtiges Datum zunächst der innerprotestantischen Ökumene, aber auch weit darüber hinaus. Die Reformierten hatten die Visite in der Lutherstadt bewusst während ihrer Generalversammlung in Leipzig angesetzt, um damit ein Zeichen der Einheit der Christen zu setzen.

"Wittenberger Zeugnis"

Die beiden großen Weltverbände der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen vereinbarten in der Erklärung mit dem Titel "Wittenberger Zeugnis" eine engere Zusammenarbeit - "im Beisein von Vertretern der ganzen Kirche", wie es in der Präambel heißt. Konkret repräsentiert waren die römisch-katholische Kirche, die Altkatholiken, Methodisten und Mennoniten sowie die Orthodoxie.

Zugleich trat die WGRK feierlich der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" bei, die der Vatikan und die Lutheraner 1999 in Augsburg unterzeichnet hatten. 2006 hatte sich bereits der Weltrat der Methodistischen Kirchen angeschlossen. Und die Anglikaner bekundeten ihre Zustimmung im vergangenen Jahr ebenfalls - eine feierliche Unterzeichnung soll wahrscheinlich am 31. Oktober erfolgen.

In der Gemeinsamen Erklärung hatten zunächst Katholiken und Lutheraner festgestellt, dass sie ein gemeinsames Grundverständnis in der für Martin Luther so entscheidenden Rechtfertigungslehre haben und dass die gegenseitigen Lehrverurteilungen aus dem 16. Jahrhundert keinen Bestand mehr haben. Diesem Konsens hat sich jetzt die Mehrheit der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen angeschlossen.

Grußwort von Bischof Feige

Mehrere Redner hoben in Wittenberg hervor, dass es die gemeinsame Feier des Reformationsgedenkjahrs als "Christusfest" ohne diese Erklärung nicht gegeben hätte. Entsprechend hoch sind nun die Erwartungen weiterer konkreter Ergebnisse. Der "Ökumenebischof" der katholischen Bischofskonferenz, Gerhard Feige, hob in seinem Grußwort hervor, das Dokument sei "inhaltlich und methodisch ein hervorragendes Fundament", um kontroverse Themen zu klären.

In ähnlicher Weise sollte nach Auffassung Feiges jetzt der Themenkomplex "Kirche, Eucharistie und Amt" angegangen werden. Der Sekretär des Päpstlichen Einheitsrats, Bischof Brian Farrell, verlas eine Grußbotschaft von Papst Franziskus, in der der Papst die Unterzeichnung als weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg vom Kolflikt zur Gemeinschaft würdigte.

Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Gerhard Ulrich, betonte, die Unterschriften von Wittenberg machten deutlich, "dass wir als protestantische Kirchen gemeinsam mit der katholischen Kirche auf einem ökumenischen Weg sind". Das sei zugleich ein "starkes Zeichen für die Verantwortung, die wir als Christenheit in der Welt haben und wahrnehmen wollen".

"Bewährung des Gerechtfertigten"

Die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann verwies auf den besonderen theologischen Akzent der Reformierten Theologie, die die "Bewährung des Gerechtfertigten" thematisiere. Die WGRK bringe "dieses starke politische und gesellschaftliche Verantwortungsgefühl als wertvolles Pfund in unsere ökumenische Gemeinschaft ein".

In Deutschland, wo lutherische, reformierte und unierte Kirchen in der EKD eng zusammenarbeiten und seit 1973 Kanzel- und Altargemeinschaft miteinander haben, ist weniger im Blick, dass die beiden protestantischen Kirchenfamilien weltweit längst noch nicht so reibungslos zusammenarbeiten. "Wir sind dankbar für das Vorbild jener lutherischen und reformierten Kirchen, die bereits Kirchengemeinschaft erklärt haben und die nun gemeinsam Zeugnis ablegen", betonen LWB und WGRK in ihrem "Zeugnis". Wenn eine Kirchengemeinschaft beider Traditionen zustande käme, könnte dies auch für die Dialoge, die die katholische Kirche derzeit getrennt mit ihnen führt, neue Perspektiven eröffnen.


Quelle:
KNA