Queere Wallfahrt pilgert zum Heiligen Jahr nach Rom

Heiliges Jahr für "alle, alle, alle"?

Zum Heiligen Jahr pilgert erstmals eine Gruppe queerer Katholiken nach Rom. Zwar ist es kein offizieller Termin des Heiligen Jahres und auch ein Treffen mit Papst Leo XIV. ist nicht geplant, doch der kirchliche Beistand ist sicher.

Autor/in:
Severina Bartonitschek
Zwei Männer während der Gebetsvigil im Rahmen der internationalen LGBTQ-Wallfahrt am 5. September 2025 in der Kirche IL Gesù in Rom, Italien. / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Zwei Männer während der Gebetsvigil im Rahmen der internationalen LGBTQ-Wallfahrt am 5. September 2025 in der Kirche IL Gesù in Rom, Italien. / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Die Heilige Pforte werde weit geöffnet, "um die lebendige Erfahrung der Liebe Gottes zu ermöglichen", so steht es in der Eröffnungsbulle des Heiligen Jahres 2025. "Möge das Licht der christlichen Hoffnung jeden Menschen erreichen, als eine Botschaft der Liebe Gottes, die sich an alle richtet!"

Hoffnung setzt Tiziano Fani Braga derzeit in den neuen Papst Leo XIV. Braga ist Mitorganisator der ersten queeren Heilig-Jahr-Wallfahrt nach Rom. Deutlich über 1.000 nicht-heterosexuelle Menschen aus rund 30 Ländern, ihre Angehörigen, Freunde und Seelsorger haben sich dazu angemeldet und werden am Samstag durch die Heilige Pforte des Petersdoms gehen. "Wir sind nicht dort, um eine Pride zu veranstalten, wir sind nicht dort, um unseren Stolz zu zeigen, wir sind dort, um zu beten und uns über diese Jahre des Lebens in und mit der Kirche zu freuen", sagt er im Interview mit der Zeitung "La Repubblica".

Kein offizielles Vatikan-Programm

Er habe das Gefühl, dass Papst Franziskus verschlossene Türen für queere Katholiken geöffnet habe. "Meine Hoffnung ist, dass Leo Ordnung schafft und sagt: Jetzt müssen diese Öffnungen schriftlich festgehalten werden, auch wenn es sich um eine zaghafte Öffnung handelt", so der Italiener. Als Beispiele nennt Braga etwa die Streichung einiger Wörter aus dem katholischen Katechismus, wo Homosexualität beispielsweise als objektiv ungeordnete Neigung bezeichnet wird. Zudem wünscht sich Braga eine Förderung der LGBTQ+-Seelsorge: "Wir benötigen einen Anstoß, Texte, Gebete und Leitlinien, die noch fehlen."

Die Pilgerfahrt der Regenbogen-Katholiken ist unter dem Namen des christlichen LGBTQ+-Verbands "La Tenda di Gionata" (Das Zelt des Jonatan) im allgemeinen Veranstaltungskalender des Vatikans für das Heiligen Jahres gelistet. Anders als etwa die Heilig-Jahr-Wallfahrten der Jugend, der Journalisten, Priester oder Militärs tritt der Vatikan nicht als Mitveranstalter auf, eine eigene Messe oder Audienz mit dem Papst sind nicht geplant. Die Organisation der Wallfahrt obliegt den Verbänden.

Franziskus prägte anderen Umgang

Darunter ist auch die Organisation "Outreach" des US-Jesuiten und Aktivisten James Martin, eines engen Vertrauten von Papst Franziskus. In der Zentrale seines Ordens nahe des Vatikans findet eine Veranstaltung mit Erfahrungsberichten queerer Katholiken aus verschiedenen Ländern statt. Das gemeinsame Abendgebet am Freitag und die Messe für "alle, alle, alle" am Samstagmorgen wird in der Jesuitenkirchen "Il Gesù" gefeiert.

Jesuitenpater James Martin spricht während der Gebetsvigil im Rahmen der internationalen LGBTQ-Wallfahrt am 5. September 2025 in der Kirche IL Gesù in Rom, Italien. / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Jesuitenpater James Martin spricht während der Gebetsvigil im Rahmen der internationalen LGBTQ-Wallfahrt am 5. September 2025 in der Kirche IL Gesù in Rom, Italien. / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Ebenfalls Jesuit war Papst Franziskus, in dessen Amtszeit die Regenbogen-Wallfahrt geplant wurde. Mit ikonischen Aussagen wie "Wenn einer schwul ist und den Herrn sucht und guten Willen hat - wer bin dann ich, ihn zu verurteilen?" über einen mutmaßlich schwulen Priester oder der immer wieder skandierten offenen Kirche für "alle, alle, alle" wich er zwar nicht von der katholischen Lehre ab, setzte aber Zeichen für einen anderen Umgang mit nicht-heterosexuellen Menschen. Franziskus traf öffentlich transsexuelle Prostituierte und ließ ein gutes Jahr vor seinem Tod die Segnung von homosexuellen Partnerschaften offiziell zu.

Leo auf Linie des Vorgängers?

Leo XIV. hat sich in seiner knapp viermonatigen Amtszeit noch nicht konkret zu dem Thema geäußert, empfing aber zu Beginn der "queeren Wallfahrtswoche" Jesuit James Martin. Der zeigte sich anschließend "bewegt, als ich dieselbe Botschaft hörte, die Papst Franziskus über LGBTQ-Katholiken verkündet hatte, nämlich eine Botschaft der Offenheit und Akzeptanz". Leos positiver Umgang mit der Beteiligung aller Gläubigen in der katholischen Kirche legt zudem nahe, dass er den seelsorgerisch-inklusiven Weg seines Vorgängers weitergehen wird. Glaubenspräfekt Víctor Fernández bestätigte das Anfang Juli indirekt, als er erklärte, keine Änderungen oder Streichungen beim Segnungsdokument "Fiducia supplicans" zu erwarten.

Im Vorwort zu einem Buch über die katholische Soziallehre plädierte Kardinal Robert Francis Prevost, damaliger Leiter der vatikanischen Bischofsbehörde und heute Papst Leo XIV, für eine neue Analyse bestimmter sozialer Themen. Darunter die Aufmerksamkeit für "Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft". "Die Kirche hat es in ihrer Soziallehre verstanden, sich den Problemen zu nähern, und muss dies auch jetzt tun, ausgehend von grundlegenden moralischen Prinzipien wie der Würde des Menschen, dem Gemeinwohl, der Solidarität, der Gewissensfreiheit und vielen anderen grundlegenden Prinzipien (...)", schrieb Prevost im vergangenen Jahr.

"Sich als Teil der Kirche zu fühlen"

"Die Herausforderung besteht darin, sich den sozialen Themen zu nähern und zu lernen, dass nicht die Theorie die Realität schafft, sondern umgekehrt: Die Realität begründet die Theorie", so der heutige Papst. Die Soziallehre der Kirche könne mit all ihrer Strenge nicht beanspruchen, eine allgemein akzeptierte Antwort zu sein, "das wäre utopisch". Und weiter: "Sie kann nur beanspruchen, eine Antwort zu sein, die die Realität respektiert und sich ihr auf angemessene Weise annähert, ausgehend von den gesündesten und angemessensten Prinzipien und Kriterien."

Hauptziel der Teilnehmer der queeren Wallfahrt sei "dort zu sein, zu beten, gemeinsam zu beten und sich als Teil der Kirche zu fühlen, willkommen zu sein, wie wir sind, für das, was wir sind". Das sagte Mitorganisator Alessandro Previti dem Nachrichtenportal von Outreach. Neben Anfeindungen erhalten die Regenbogen-Katholiken auch Beistand von kirchlicher Seite.

Eine Erklärung der kirchlichen Identität

Die Samstagsmesse in "Il Gesù" wird der stellvertretende Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz leiten. Bischof Francesco Savino verglich das Ereignis im Interview der Hauptveranstalter mit einer Glocke, "die in der ohrenbetäubenden Stille der Ausgrenzung erklingt". Dies sei ein klares, starkes und unumkehrbares Signal, das daran erinnere, dass das Evangelium kein Manifest für einige Auserwählte sei, sondern ein Liebesbrief an die gesamte Menschheitsfamilie. "Die Schwächsten und Ausgegrenzten aufzunehmen ist kein Akt freiwilliger Wohltätigkeit, sondern eine Erklärung der kirchlichen Identität: Wenn die Kirche diese Kinder nicht annimmt, ist sie nicht die Kirche des Evangeliums", so Savino.

In seiner Bulle zur Eröffnung des Heiligen Jahres schrieb Franziskus: "Alle Getauften, jeder mit seinem eigenen Charisma und Dienst, sind mitverantwortlich, das vielfältige Zeichen der Hoffnung, die Gegenwart Gottes in der Welt zu bezeugen."

Heiliges Jahr

Das Heilige Jahr ist ein Jubiläumsjahr in der katholischen Kirche. Es wird regulär alle 25 Jahre begangen. Das Heilige Jahr 2025 steht unter dem Motto "Pilger der Hoffnung". Einen Ablass von Sündenstrafen können Pilger dabei nicht nur bei Wallfahrten an eine der heiligen Stätten des Jubiläums oder eine der vier großen päpstlichen Basiliken in Rom erhalten, sondern auch beim Besuch der Verkündigungskirche in Nazareth, der Geburtskirche in Bethlehem oder der Grabeskirche in Jerusalem.

Pilger gehen durch die Heilige Pforte (2015) / © Cristian Gennari (KNA)
Pilger gehen durch die Heilige Pforte (2015) / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA