Majdi Allawi nimmt jene auf, die sonst keiner will: auf sich allein gestellte Drogenabhängige, aber auch alte Männer ohne Familie, Waisenkinder ohne Papiere, Obdachlose.
Mit seiner Organisation "Bonheur du Ciel" (Himmlische Freude) will der griechisch-katholische Priester in Not geratenen Menschen helfen, die durch das soziale Netz gefallen sind - ohne Ansehen der Religion.
"Soll ich sie zuerst zum Christentum bekehren, bevor ich ihnen helfe?", fragt der 55-Jährige. Die Antwort gibt er jeden Tag selbst - in seinen zahlreichen Einrichtungen im Dienste der an den Rand Gedrängten.
Eine kleine Straße windet sich von der Küste vor Byblos entlang des Flusses Nahr Ibrahim hinauf in die Berge. An ihrem Ende beginnt die "Himmlische Freude". Kleine Holzhäuser, Sport- und Spielplätze, eine Moschee und eine Kirche, deren Türme eine Marienstatue einrahmen.
Das ist das Reich von Majdi Allawi. Es ist ein freundlicher Ort mit weitem Blick über die Bergdörfer auf der einen, das Meer auf der anderen Seite. Wer den Weg hierher findet, weiß, dass er ganz unten angelangt ist.
Aus Neugier in die Abhängigkeit
"Hierher musst Du freiwillig kommen", sagt einer der Teilnehmer des Rehaprogramms für Drogenabhängige. Er will Cée genannt werden. Der 30-Jährige ist seit seiner Jugend auf Droge.
"Hasch, Marihuana, Ecstasy, dann psychedelische Drogen und Kokain. Das Problem war die Neugier. Ich wollte Neues ausprobieren, glücklicher sein", sagt er. Mit Crack und Heroin sei der Kontrollverlust gekommen. Bis Cée beschloss, "sich selbst zu reinigen".
Zur physischen Entgiftung ging der junge Mann in Allawis Einrichtung in Fatqa, ein anderes Bergdorf, etwa 14 Kilometer südlich. Seit zwei Monaten ist er in Maaysrah zur Rehabilitation, "um mich mental und spirituell zu reinigen".
Gebet steht im Zentrum von Pater Majdis Ansatz. Im Wesentlichen folge er dem Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker, habe aber die "Christo-Therapie" hinzugefügt, erläutert der Geistliche. "Im Gebet und im Austausch sollen die Teilnehmer ihre Beziehung zu Gott verändern. Während der Abhängigkeit haben sie keine Beziehung zu Gott."
Vom Schiiten zum Priester
Allawis eigener Weg zum Priester ist mehr als ungewöhnlich. In eine gläubige schiitische Familie geboren, versteckte er sich mit neun Jahren während der christlichen Katechese im Klassenraum. Dabei hörte er das Gleichnis vom verlorenen Sohn. "Seither bin ich hingezogen zu Jesus. Von ihm habe ich gelernt, die verlorenen Schafe zu suchen."
Allawi konvertierte zum Christentum, wurde Lehrer. Er heiratete, bekam vier Kinder. "Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Weg nehmen würde. Aber dann sah ich die vielen Menschen, die nichts haben und denen keiner hilft. Priester zu werden, schien mir die einzige Möglichkeit, ihnen zu helfen."
Der Aufenthalt im "Bonheur du Ciel" folgt einem streng geregelten Tagesablauf. Zweimal am Tag beten alle den Rosenkranz, Christen wie Muslime. In vier Arbeitsteams wird gekocht, geputzt, gewaschen und gegärtnert. Dazu kommen Gruppensitzungen und täglich anderthalb Stunden Sport.
Kampf ohne Kontakt zur Außenwelt
"Die ersten sechs Monate sind am härtesten: kein Telefon, kein Fernsehen, kein Kontakt nach außen. Du musst deine Dämonen allein bekämpfen", sagt Toni Khouri. Der 34-Jährige ist zum wiederholten Mal hier.
2019, beim ersten Versuch, hielt er es zwei Monate aus. Fünf Jahre später kam der Rückfall nach einem halben Jahr - Crack und Heroin hatten ihn erneut im Griff. Toni kam wieder. Seit sechseinhalb Monaten ist er nun hier.
"Ich habe viel in der Isolation gelernt, vor allem, mich zu kontrollieren. Jetzt muss ich es in der Außenwelt anwenden und mich selbst neu entdecken", sagt er.
"Wir sind hier, weil wir es so entschieden haben", bekräftigt George, auch er kein Neuling bei "Bonheur du Ciel". "Ich habe 2023 die ganze Rehabilitation durchlaufen, ein ganzes Jahr. Aber ich bin rückfällig geworden."
Der Christ aus der Hauptstadt Beirut begann eine weitere Therapie. "Die Türen hier stehen immer offen", versichert er. Ein anderer Reha-Patient, der seinen Namen nicht nennen will, fügt hinzu: "Wenn ein Apfel im Korb verdorben ist, wirft man ihn weg.
Nicht so hier: Wir sind der verdorbene Apfel, aber Pater Majdi wirft uns nicht weg. Er sieht Jesus in jedem Einzelnen."
Ein bisschen heile Welt
Allawis Einrichtung begann 2008 mit einem einfachen Zelt. Heute bietet sie Platz für 15 bis 20 Drogenabhängige. Hinzu kommen 25 Männer im Altentrakt, viele von ihnen ehemalige Strafgefangene ohne Kontakt zur Familie.
Bald soll ein weiteres Gebäude betagte Frauen aufnehmen, und das Kinderheim soll von seinem bisherigen Standort in Kfar Mashoun umziehen. "Wir sind ein Dorf im Dorf geworden", sagt George. Und zwar eines, das Modellcharakter für das ganze Land haben könne:
"Wir akzeptieren alle Religionen. Meine Bibel liegt auf dem Nachttisch neben dem Koran meines Nachbarn. Wir glauben an Menschen." Die Einheit, die in Pater Majdis Reich herrsche, hebe sich von den gesellschaftlichen Spaltungen im Libanon ab.
Dem Geistlichen ist so viel Lob und Aufmerksamkeit unangenehm. Er senkt den Blick und lächelt verlegen. "Ich bin nichts und ich habe nichts, nicht mal ein Büro. Alles, was ich habe, seid ihr", betont der Pater. Dann eilt er davon.
In einem Krankenhaus an der Küste wurde ein Neugeborenes abgegeben. "Du solltest kommen und es abholen", heißt es am Telefon. An diesem Tag hätte Allawi Papst Leo XIV. im Libanon treffen können, entschied sich aber anders: "Ich traf Jesus - ein schwaches, verlassenes Kind." Das Mädchen soll Leonie heißen, zu Ehren des Heiligen Vaters.