Katholischer Sozialdienst ermöglicht Drogentoten würdevollen Abschied

"Eine Krankheit, keine Charakterschwäche"

Anlässlich des bundesweiten Gedenktags für verstorbene Drogengebrauchende findet am Montag in Düsseldorf ein ökumenischer Gottesdienst statt. Mitorganisiert wurde dieser vom Düsseldorfer Sozialdienst katholischer Frauen und Männer.

Autor/in:
Annika Weiler
Kirche will Familien von Drogenabhängigen helfen  / © one photo  (shutterstock)
Kirche will Familien von Drogenabhängigen helfen / © one photo ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Warum ist ein Gedenkgottesdienst für verstorbene Drogengebrauchende so wichtig?

Andrea Schneider (Sozialdienst katholischer Frauen und Männer, SKFM e. V., Düsseldorf): Dieser Gottesdienst bietet einen wertvollen Rahmen, um Abschied zu nehmen - gerade von Menschen, die im vergangenen Jahr verstorben sind. Für manche ist dieser Gottesdienst sogar die einzige Gelegenheit, um Abschied nehmen zu können. Denn wenn es zum Beispiel keine Angehörigen gibt, übernimmt oft das Ordnungsamt die Beerdigung. Diese verläuft dann sehr schlicht. Meist ohne Trauerrede, ohne gemeinsames Gedenken, so wie wir es sonst kennen.

Unser Gottesdienst ist dann eine Art Ersatz – ein Ort des Erinnerns. Auch wenn es Angehörige gibt, erleben wir oft, dass unsere Klientinnen und Klienten Hemmungen haben, zu diesen Beerdigungen zu gehen. Sie fragen sich, ob sie dort überhaupt willkommen sind. Außerdem möchten Angehörige die Trauerfeier manchmal bewusst im kleinen Kreis halten.

In unserem ökumenischen Gottesdienst können alle gemeinsam kommen – Freunde, Angehörige, Fachkräfte. Alle dürfen sich verabschieden. Das ist der christliche Gedanke dahinter: Niemand ist ausgeschlossen.

Andrea Schneider

"Gefühle haben auf der Straße keinen Platz. Deshalb ermutigen wir unsere Klientinnen und Klienten, ihre Emotionen zuzulassen."

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie die Trauer von Freundinnen und Freunden aus der Szene? Was ist besonders herausfordernd in der Begleitung?

Schneider: Menschen aus der Szene, die selbst Drogen konsumieren, vergleichen sich oft mit den Verstorbenen. Da ist auch Angst im Spiel. Es schwingt die Frage mit, was wäre, wenn ich der Nächste bin? Gleichzeitig haben Sie das Gefühl, dass sie keine Schwäche zeigen dürfen. Gefühle haben auf der Straße keinen Platz.

Deshalb ermutigen wir unsere Klientinnen und Klienten, ihre Emotionen zuzulassen. Bei uns gibt es zum Beispiel ein Kondolenzbuch. Dort kann man seine Gedanken und Gefühle niederschreiben, wenn man sie nicht aussprechen kann. Das wird gut angenommen.

Ökumenischer Gottesdienst für verstorbene Drogengebrauchende in der Elisabethkirche am Vinzenzplatz (privat)
Ökumenischer Gottesdienst für verstorbene Drogengebrauchende in der Elisabethkirche am Vinzenzplatz / ( privat )

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie Angehörige bei Trauerfeiern?

Schneider: Bei Angehörigen hängt viel davon ab, wie der Kontakt vor dem Tod war. Manche hatten lange keinen Kontakt mehr. Dann kommen oft Schuldgefühle oder Vorwürfe auf. Sie fragen sich, ob sie genug getan haben; ob sie den Tod hätten verhindern können. In solchen Fällen helfen Gespräche und manchmal auch der Hinweis, dass selbst wir als Fachkräfte niemanden "retten" können. Das kann für die Angehörigen entlastend sein. Das Wissen, dass man nicht allein verantwortlich ist.

DOMRADIO.DE: Sucht ist oft mit Ausgrenzung verbunden. Wie begegnen Sie dieser Stigmatisierung in Ihrer Arbeit?

Andrea Schneider

"Die ständige Ablehnung, die viele erleben prägt auch das eigene Selbstbild."

Schneider: Indem wir unseren Klientinnen und Klienten mit Akzeptanz und Respekt begegnen und auch mit einem Stück Normalität. Ihr Lebensweg entspricht vielleicht nicht der gesellschaftlichen Norm, aber es ist ihre Realität. Wenn man das anerkennt, entsteht ein geschützter Raum, in dem auch schwierige Themen angesprochen werden können.

Nach außen ist es vor allem Aufklärung. Sucht ist eine Krankheit, keine Charakterschwäche. Wir treten für unsere Klientinnen und Klienten ein, machen ein Stück weit Lobbyarbeit. Denn es geht darum, Vorurteile abzubauen und Verständnis zu schaffen.

DOMRADIO.DE: Welche Unterstützung brauchen drogengebrauchende Menschen heute über klassische Suchtberatung hinaus?

Schneider: Sie brauchen Menschen, die sich für sie einsetzen, die Gemeinschaft statt Ausgrenzung fördern und offen mit dem Thema umgehen. Die ständige Ablehnung, die viele erleben – auf der Straße, in der Gesellschaft – prägt auch das eigene Selbstbild. Wir versuchen, dem etwas entgegenzusetzen, Räume zu schaffen, in denen sie sich gesehen und gestärkt fühlen.

Das Interview führte Annika Weiler.

Sozialdienst katholischer Frauen und Männer (SKFM)

Der SKFM Düsseldorf ist ein anerkannter Träger der Jugend-, Familien- und Gefährdetenhilfe. Er ist Mitglied im Diözesan-Caritasverband Köln sowie im "Katholischen Verband für soziale Dienste in Deutschland e. V.", einem Fachverband des Deutschen Caritasverbandes.

Gegründet wurde der Verein 1903 aus einer Initiative katholischer Frauen, die sich vor allem für notleidende Frauen und Kinder engagierten. 1979/1980 erfolgte der Zusammenschluss mit dem SKM Düsseldorf – seither trägt der Verein seinen heutigen Namen.

Drogenhilfe / © Oksana_Slepko (shutterstock)
Quelle:
DR

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