Pilgerzahlen auf Rekordhoch im Jahr 2022

Immer neue Pilgerströme auf dem Jakobsweg

Nach den Corona-Jahren gab es offenbar Nachholbedarf. Um Längen schlugen die Pilgerzahlen 2022 auf dem Jakobsweg die des bisherigen Rekordjahres. Und auch beim Geschlechterverhältnis tut sich was auf dem Camino.

Autor/in:
Andreas Drouve und Alexander Brüggemann
Pilger auf dem Jakobsweg / © Gena Melendrez (shutterstock)
Pilger auf dem Jakobsweg / © Gena Melendrez ( shutterstock )

Der Pilgerzulauf auf dem Jakobsweg ist erneut in eine nie zuvor erreichte Höhe geschnellt. Laut den vom Pilgerbüro im nordspanischen Santiago de Compostela veröffentlichten Zahlen ist 2022 wieder ein neues Rekordjahr: 438.323 Pilgerinnen und Pilger erhielten die "Compostela-Urkunde".

Voraussetzung dafür ist, dass die Stempel im Pilgerausweis keinen Zweifel daran ließen, dass sie die letzten 100 Kilometer bis Santiago zu Fuß oder die finalen 200 Kilometer mit dem Rad zurückgelegt haben.

Spanier führen Statistik an

DOMRADIO.DE Pilger in der Lateranbasilika / © Martin Biallas (DR)
DOMRADIO.DE Pilger in der Lateranbasilika / © Martin Biallas ( DR )

Die Statistik führen, wie immer, die Spanier selbst an. Erstaunlich war diesmal der Zustrom an US-Amerikanern (exakt 26.000), die sogar die Deutschen (23.212) übertrafen.

Auch die Franzosen, Portugiesen und Italiener sind in der Spitzengruppe vertreten. Eine Überraschung: Mit einem leichten Überhang begaben sich mehr Frauen als Männer auf Pilgerschaft.

Alle Wege führen zwar nach Santiago de Compostela - doch der ungebrochene Klassiker war auch im vergangenen Jahr der "Französische Weg" von den Pyrenäen durch das Inland Nordspaniens. Im Aufwind begriffen sind der "Portugiesische Weg" und der "Küstenweg" durch den Norden Spaniens.

Verschiedenste Motive motivieren zum Pilgern

Die Erklärungen für den neuen Pilgerrekord, der den bisherigen von 2019 um Längen übertraf (347.578), sind vielschichtig: Pilgern als Selbstfindung und Lebensgefühl, als persönliche Auszeit, als Treff mit Gleichgesinnten ist in Mode und hat für viele nicht mehr unbedingt etwas mit dem christlichen Glauben zu tun.

Für andere hingegen stehen unverändert religiöse Motive obenan - und auch da gab es durch die Corona-Hindernisse der vergangenen Jahre offenbar einen großen Nachholbedarf.

Eindrücke der Kathedrale de Santiago. / © Sonja Geus (DR)
Eindrücke der Kathedrale de Santiago. / © Sonja Geus ( DR )

Schutzpatron heiliger Jakob

Der Apostel Jakobus der Ältere ist seit mehr als 1.000 Jahren Schutzpatron des christlichen Spaniens. Jakobus gehörte laut biblischer Überlieferung zum engsten Kreis um Jesus Christus und wird in ganz Europa verehrt: auf Deutsch als heiliger Jakob, auf Französisch Saint-Jacques, Englisch Saint James, Italienisch San Giacomo, Spanisch Santiago, San Jaime, San Jacobo oder San Diego. Sein kirchlicher Festtag ist der 25. Juli.

Als erster Märtyrer aus dem Kreis der Apostel wurde Jakobus um 44 unter Herodes Agrippa im Heiligen Land hingerichtet. Dass er jedoch als Prediger in Spanien missioniert hätte, berichten erst schriftliche Quellen ab dem siebten Jahrhundert.

Pilgerseelsorge in Santiago de Compostela

Alle Seelsorgerinnen und Seelsorger werden zur Vorbereitung auf ihren Einsatz in Santiago de Compostela an einem Wochenende geschult und nehmen nach ihrem Einsatz an einem Auswertungstreffen teil.

Voraussetzungen für die Mitarbeit sind: Sprachkenntnisse in Spanisch, Pilgererfahrung nach Santiago, eine gute Bindung an die katholische Kirche, persönliche Motivation und spirituelle Offenheit, Teamfähigkeit und Dialogfähigkeit.

Alle Pilgerseelsorger arbeiten ehrenamtlich. Übernommen werden die Kosten für die An- und Abreise sowie die Übernachtungskosten vor Ort.

Eines der wichtigsten Wallfahrtszentren der Welt 

Sein angebliches Grab wurde im ersten Drittel des neunten Jahrhunderts im Kern der heutigen Stadt Santiago de Compostela entdeckt. Der "Fund" machte das sich rasch entwickelnde Santiago neben Jerusalem (Grab Christi) und Rom (Grab des Petrus und Paulus) in den folgenden Jahrhunderten zum wichtigsten Wallfahrtszentrum der Christenheit.

Die bildliche Darstellung des Jakobus spiegelt eine gewisse Wandlung in seiner Verehrung wider. Während die ältesten Darstellungen ihn als Apostel, später vor allem als Pilger zeigten, wurde er verstärkt seit der "Reconquista" des 12. Jahrhunderts auch als Kreuzritter und Maurentöter im Kampf gegen die Araber dargestellt.

Renaissance der Jakobsverehrung

Mit der Reformation und den Religionskriegen im "Durchzugsland" Frankreich versiegte der Pilgerstrom in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1589, als Sir Francis Drake, Sieger über die Spanische Armada, Santiago belagerte, wurden die Reliquien in Sicherheit gebracht und blieben für fast drei Jahrhunderte verschwunden.

Nach der Pilgerfahrt von Papst Johannes Paul II. 1982 und einer Europarats-Initiative zur Wiederbelebung der Jakobswege im Oktober 1987 hat eine regelrechte Renaissance der Jakobsverehrung eingesetzt - mit ganz erstaunlichen Wachstumsraten. 

Heiliges Jakobusjahr verlängert

Und: Wegen der Corona-Pandemie hatte Papst Franziskus das "Heilige Jakobusjahr" 2021 auf 2022 verlängert. Diese Heiligen Jahre fußen auf einem päpstlichen Privileg aus dem 12. Jahrhundert; sie stehen immer dann an, wenn der Jakobustag, der 25. Juli, auf einen Sonntag fällt.

Das bedeutete konkret: Wallfahrer durften die Kathedrale auch 2022 durch die ansonsten geschlossene Heilige Pforte betreten. Bei der Vermauerung am Silvestertag sagte Santiagos Erzbischof Julian Barrio: "Die Heilige Pforte als Symbol ist verschlossen; doch die Tür für das, was Christus ist - der Weg, die Wahrheit und das Leben - steht immer offen." Und die Pforte dann wieder 2027 - im nächsten Heiligen Jakobusjahr.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )
Quelle:
KNA