Im Ignatiusjahr auf einsamen Wegen durch Nordspanien

Der kleine Bruder vom Jakobsweg

Vor 400 Jahren wurde Ignatius von Loyola heiliggesprochen. Auf knapp 700 Kilometern folgt der Ignatiusweg den Spuren des Jesuiten-Gründers vom Baskenland bis nach Katolonien – ohne Pilgermassen und überfüllte Herbergen.

Pilgern auf dem Ignatiusweg / © Hilde Regeniter (DR)
Pilgern auf dem Ignatiusweg / © Hilde Regeniter ( DR )

DOMRADIO.DE: Wie ist die Idee zum Ignatiusweg entstanden?

Pater José Luis Iriberri: Der Ursprung des Weges liegt bei Ignatius selbst. Er war überzeugt, dass Pilgern der Ausbildung und Charakter-Bildung, wie er sie sich für die Jesuiten wünschte, zuträglich ist. Warum also nicht auch für jeden anderen? Es ist 500 Jahre her, dass er sich selbst auf den Weg machte und diese Ideen entwickelte. Wir haben ja am Ende des 20. Jahrhunderts eine wahre Renaissance des Pilgerns erlebt.

Pater José Luis Iriberri / © Hilde Regeniter (DR)
Pater José Luis Iriberri / © Hilde Regeniter ( DR )

In den 1980er- und -90er Jahren haben sich viele Menschen auf einen Pilgerweg gemacht, vor allem auch hier in Spanien auf den Jakobsweg. Um das Jahr 2000 herum wurden dann in ganz Europa alte Pilgerwege neu belebt – wie zum Beispiel die Via Francigena, die so genannte Frankenstraße nach Rom. Es war, als wäre die Idee des Pilgerns aus einem langen Schlaf wiedererwacht. Wobei das Pilgern nicht nur spirituelle oder religiöse Menschen anspricht.

Jeder, den etwas umtreibt, und der sich auf den Weg macht, merkt immer intensiver, dass da noch mehr ist in unserem Leben. Das verändert! Für die katholische Kirche war der Jakobsweg also die Renaissance dieses Pilgergeistes. Gleichzeitig brachte er die Gelegenheit, wieder in Kontakt mit Menschen zu kommen, die sich von der Kirche entfernt hatten. Der Jakobsweg ist außerdem ein klassisches Beispiel dafür, wie sich entlang des Weges Ordens- und Kirchenleute in den Dienst der Pilger stellen.

Wir Jesuiten haben in Santiago de Compostela zum Beispiel eine Schule, ein Wohnheim und eine Kirche. Es kommen immer mehr Menschen zu uns und bitten um spirituelle Begleitung. Weil das Pilgern also ganz offensichtlich ein Instrument zur Evangelisierung ist, dürfen wir es nicht vernachlässigen. 2010 ist dann die Idee sozusagen vom Himmel gefallen, auch einen Ignatiusweg anzubieten. Damals haben die Jesuiten-Provinziale von Katalonien und Loyola mich damit beauftragt, eine Strecke für diesen Weg auszuarbeiten.

DOMRADIO.DE: „Entwirf uns einen Ignatiusweg!“ - das war also Ihr Auftrag. Wie sind Sie vorgegangen?

Pater Iriberri: Von Beginn an standen Anfang und Ende des Weges fest, von Ignatius` Biografie bestimmt. Der Weg musste in Loyola anfangen, wo auch Ignatius im Jahr 1522 losgewandert ist und das Ziel musste Manresa sein, wo er monatelang in einer Höhle gelebt hat. Ich habe mich dann stark an mehreren Abschnitten des Jakobswegs orientiert, am katalonischen, am französischen und an dem, der am Ebro entlangführt. Was bedeutet, dass um die 500 der insgesamt etwa 700 Kilometer des Ignatiusweges bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts ausgewiesene Wege waren.

Es blieb der Teil in Euskadi, im Baskenland, wo der Jakobsweg nicht herführt. Gemeinsam mit einigen baskischen Jesuiten haben wir diese Strecke Stück für Stück festgelegt. Google Earth hat sehr geholfen und dann bin ich mit dem Rucksack auf dem Rücken losgelaufen. Ich habe die Wege ausprobiert, aufgezeichnet und beschildert und dann den ersten Pilgerführer zum Ignatiusweg geschrieben, den es übrigens auch auf Deutsch gibt.

Wir haben die Web-Seite dazu online gestellt und nach etwa einem Jahr Arbeit dem Publikum vorgestellt. Damit hatten wir also den Verlauf des Weges – und wir hatten die vier Wochen, die die Exerzitien nach Ignatius dauern. Von Anfang an wollten wir Weg und geistliche Übungen zusammenbringen. Das ist uns auch gelungen.

DOMRADIO.DE: Was waren die größten Herausforderungen?

Pater Iriberri: Erstens mussten wir im Baskenland geeignete Wege finden, die nicht zu steil und anstrengend waren und die Pilger nicht gleich am Anfang überfordern. Eine besondere Hürde stellt auch die Halbwüste Monegros hinter Zaragoza in Aragonien dar. Dort gibt es über viele Kilometer keine Dörfer und damit keine Herbergen. Bisher müssen die Pilger sich dort auf die Erfahrung einlassen, unter freiem Himmel zu übernachten. Das kann sehr schön sein, aber natürlich auch sehr anstrengend.

DOMRADIO.DE: Was macht den Reiz des Ignatiusweges in landschaftlicher Hinsicht aus?

Pater Iriberri: Der Weg führt auf seinen fast 700 Kilometern durch überaus abwechslungsreiche Landschaften und ganz unterschiedliche geografische Zonen. Zu Beginn läuft er durch die Berge des Baskenlandes und das viele Auf und Ab kann schon mal mühsam werden. Aber die Schönheit der Wälder und die tollen Blicke von oben in die Täler machen das wett. Danach kommen wir an den Fluss Ebro, dem wir durch die Regionen Rioja und Navarra folgen bis nach Aragonien hinein. Unterwegs gibt es viele Dörfer, in denen die Pilger sich ausruhen, erfrischen und auch übernachten können.

Nach der feuchten Flussebene geht es dann in die bereits erwähnten Monegros. Das ist eine einsame Gegend, in der es kaum Wasser und damit keine Landwirtschaft gibt; das ist eine Halbwüste ohne Bäume und Büsche und Unterkünfte. Obwohl die Monegros ganz flach sind, ohne nennenswerte Höhenunterschiede, sind sie für die Pilger wohl die härteste Strecke, einfach, weil es dort keinerlei Infrastruktur gibt. Aber an diesem Punkt des Weges haben sich die Pilger normalerweise schon ans Unterwegssein gewöhnt und eine Wanderroutine entwickelt, so dass sie auch diese Schwierigkeit gut meistern können.

Die Felsen von Montserrat / © Hilde Regeniter (DR)
Die Felsen von Montserrat / © Hilde Regeniter ( DR )

Der letzte Abschnitt des Ignatiusweges führt dann durch Katalonien und damit wieder durch eine fruchtbare Landschaft voller Flüsse und Obstbäume. Schließlich gelangen wir zur Abtei von Montserrat mit ihrer beeindruckenden Fels-Kulisse und dann ans Ziel, nach Manresa, das eingebettet in Wiesen und Felder liegt.

DOMRADIO.DE: Für wen ist der Igantiusweg interessant?

Pater Iriberri: Zum einen ist er sicher spannend für Menschen, die Natur erleben wollen und Einsamkeit suchen. Denn bisher ist der Ignatiusweg sehr einsam; es sind kaum Leute unterwegs. Ich habe, wenn ich alleine gewandert bin, manchmal tagelang niemanden getroffen. Das hilft natürlich, um tief in sich zu blicken, um sich selbst zu reflektieren. Es hilft dir dabei, deine Vergangenheit zu erforschen und neu anzuschauen. Einsam unterwegs kannst du herausfinden, wie du künftig leben willst, was wichtig sein soll – und was nicht.

Der Ignatiusweg bietet dir eine Menge Zeit, die du nur mit dir verbringen kannst. Das kann sehr heilsam und versöhnlich sein. Außerdem wenden wir uns mit dem Weg an alle, die Ignatius kennenlernen wollen. Wir können überall seine Bücher und Briefe lesen und seine Exerzitien machen. Aber auf dem Ignatiusweg  betreten wir im Wortsinn seinen Weg, wir kommen an den Orten vorbei, die für ihn wichtig waren. Für viele Pilger liegt gerade auch in der Begegnung mit diesen historischen Stätten das Potenzial zu Veränderung und Wandel.

Wer sich so hautnah auf Ignatius‘ Spuren begibt, lernt ihn auf ganz neue Weise kennen. Und natürlich können wir den Ignatiusweg auch gehen, um eine spirituelle Erfahrung zu machen. Da ergänzen wir den äußeren Weg mit einem inneren, mit Meditationen und Exerzitien, die in den Evangelien und im katholischen Glauben verwurzelt sind.

Für Ignatius war die Unterscheidung der Geister grundlegend; da geht es darum, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, sie zu analysieren und schließlich als Zeichen Gottes an uns zu lesen. In diesem Sinne laden wir auch dazu ein, auf dem Ignatiusweg diese Unterscheidung der Geister zu lernen. Also ist der Ignatiusweg ein Angebot an ganz unterschiedliche Gruppe, er ist ein Angebot an alle.

DOMRADIO.DE: Der Ignatiusweg existiert in seiner heutigen Form schon seit 2011 – wie ist er bisher angenommen worden?

Pater Iriberri: Die Leute in den Dörfern und Städten am Wegesrand finden ihn mittlerweile gut. Anfangs wussten sie gar nicht Bescheid, wenn ihnen Pilger vom Weg erzählt haben und haben sie manchmal sogar in die falsche Richtung geschickt, weil sie dachten, es geht um den Jakobsweg. Das hat sich im Laufe der Jahre geändert. Aber wir wollen den Ignatiusweg noch viel bekannter machen. Damit die Menschen von diesem Weg wissen und sich auf den Weg machen können.

Die regionalen Behörden haben schon einiges dafür getan, aber die Mühlen in den Verwaltungen mahlen langsam; Finanzkrise und Pandemie waren auch nicht gerade förderlich und so bleibt noch viel zu tun. Tourismus-Experten haben uns aber immer wieder versichert, dass der Ignatiusweg großes Potenzial hat. Und so vertrauen wir darauf, dass er sich im Laufe der Zeit zu einer weiteren wichtigen Pilgerroute entwickelt.

Pater Iriberri

"Der Jakobsweg war unser Modell. Als ich den Ignatiusweg erarbeitet habe, hatte ich immer den Jakobsweg im Sinn."

DOMRADIO.DE: Sind Sie einverstanden, wenn ich sage: Der Ignatiusweg ist der kleine Bruder vom Jakobsweg?

Pater Iriberri: Ja, auf jeden Fall. Der Jakobsweg war ja unser Modell. Als ich den Ignatiusweg erarbeitet habe, hatte ich immer den Jakobsweg im Sinn, den ich schon viele Male gelaufen war. Insofern ist der Ignatiusweg tatsächlich der kleine Bruder vom Jakobsweg, mit der Besonderheit, dass er ausdrücklich der Biografie einer konkreten Person folgt.

Wir wissen viel über dieses Leben, denn Ignatius hat uns 6.000 Briefe hinterlassen, er hat die Konstitution der Jesuiten aufgeschrieben, das Buch über die Spirituellen Exerzitien und seine Autobiografie.  Auch deshalb gibt es inahltlich so viel zu entdecken auf diesem Weg.

DOMRADIO.DE: Wie sehen Sie die nähere Zukunft des Ignatiusweges?

Pater Iriberri: Wir begehen gerade das Ignatianische Jahr 2022, in dem wir an Ignatius‘ Bekehrung vor 500 Jahren denken und hoffen, dass das noch einmal mehr Aufmerksamkeit auf den Camino Iganciano ziehen wird. Außerdem wollen wir nach dem Jahr eine Petition beim Papst einreichen, damit auch der Ignatiusweg – wie zum Beispiel der Jakobsweg – wiederkehrende Heilige Jahre bekommt, alle sechs, sieben Jahre zum Beispiel.

Das würde sehr helfen, um in regelmäßigen Abständen mehr Pilger anzusprechen. Denn das ist das, was wir am dringendsten brauchen im Moment: Dass immer mehr Leute den Ignatiusweg kennen und sich mit wachsender Bekanntheit auch die Pilgerzahlen erhöhen.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Quelle:
DR