Mit einem Esel unterwegs auf dem Jakobsweg

"Er hat bestimmt, dass er mit mir gehen will"

Wer auf dem Jakobsweg pilgert, macht sich meist zu Fuß auf den Weg, manche mit dem Fahrrad. Reisebuchautorin Carmen Rohrbach war mit einem Esel unterwegs. Das dauere länger, sei aber in vieler Hinsicht bereichernd, schwärmt sie.

Carmen Rohrbach: Esel sind nicht störrisch. / © Dragonika (shutterstock)
Carmen Rohrbach: Esel sind nicht störrisch. / © Dragonika ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie haben schon viele Abenteuer alleine bestritten, warum wollten Sie einen Esel mitnehmen auf den Jakobsweg? 

Carmen Rohrbach (Reisebuchautorin): Das kann ich sehr gut erklären: Ich war zuvor schon mit Pferden und sogar mit einem Dromedar im Jemen unterwegs. Das hatte zuerst die Funktion, dass ich viel Wasser in die Wüste mitnehmen musste. Dadurch hatte ich einen starken tierischen Begleiter.

Ich habe dann aber gemerkt, es ist mehr als nur die Nützlichkeit. Denn wenn ich länger mit einem Tier unterwegs bin, bekomme ich Kontakt, es entsteht eine Nähe. Dann wird das Tier sogar zum Partner, mit dem man alles unterwegs teilt. Auf dem Jakobsweg braucht man keinen Träger, da muss man gar nicht so viel mitnehmen. Aber ich wollte eben ein Tier dabei haben. Da hat sich ein Esel am besten angeboten. Passt ja auch zu dem religiösen Hintergrund. 

Carmen Rohrbach, Reisebuchautorin

"Wenn ich länger mit einem Tier unterwegs bin, bekomme ich Kontakt, es entsteht eine Nähe. Dann wird das Tier sogar zum Partner, mit dem man alles teilt unterwegs."

DOMRADIO.DE: Der Esel hat sie also nicht getragen. Der war mehr Weggefährte und vielleicht auch ein bisschen Gepäckträger. 

Rohrbach: Ja, weil er nun schon mal dabei war, habe ich natürlich auch kleine Taschen aufgebunden. 

DOMRADIO.DE: Woher haben Sie den Esel genommen? War das Ihrer? 

Rohrbach: Das wäre natürlich am besten. Es geht eigentlich nicht mit einem fremden Esel. Esel sind nicht störrisch. Das habe ich immer betont, wenn ich unterwegs gefragt wurde. Aber die sind so wie wir Menschen - eigensinnig, wollen selber bestimmen, mit wem sie gehen. Dann ist es am besten, man hat selber den Esel von klein auf aufgezogen, damit er einen kennt.

Ich hatte sehr großes Glück. Ich hatte viele Adressen - über 40 - von Eselzüchtern in Frankreich. Ich bin ja auf einem der französischen Wege gepilgert, auf der Via Podiensis von Le Puy bis zu den Pyrenäen. Alle Esel haben den Kopf geschüttelt, die ich da bei den Züchtern kennengelernt habe. Als ich schon aufgeben wollte und dachte: Na gut, pilgere ich eben alleine, da bin ich Chocolat begegnet. Der hieß so, weil er so ein schwarzes Fell hat.

Der hat mir von Anfang an signalisiert, dass er neugierig ist, dass er ein Abenteurer ist. Also, er hat es bestimmt, dass er mit mir gehen will. 

DOMRADIO.DE: Dann waren Sie mit diesem Esel namens Chocolat unterwegs in Frankreich und Sie beschreiben auch in Ihrem Buch "Muscheln am Weg", was Ihnen unterwegs so begegnet ist. Wahrscheinlich hat auch der Esel dafür gesorgt, dass Menschen Sie angesprochen haben, oder?

Rohrbach: Ja, natürlich. Denn wenn man so unterwegs ist - jeder hat so seinen Rhythmus - da kommt man gar nicht so schnell ins Gespräch, höchstens in den Herbergen. Aber da wurde ich eben auch in den kleinen Dörfern angesprochen.

Die Leute waren wirklich von diesem Bild von einer blonden Frau mit ihrem schwarzen Esel angetan und hatten immer drei Fragen Wie heißt er? Wie alt ist er? Und ist es störrisch? Das waren die drei Fragen, mit denen ich in Kontakt gekommen bin.

Mit einem Esel hat das Pilgern einen großen Vorteil: Man ist viel langsamer unterwegs, als man es zu Fuß allein wäre. Denn er gibt den Rhythmus vor. Das hat den Vorteil, dass ich noch viel mehr gesehen und erlebt habe. Wie ich gerade sagte, auch die Begegnung mit den Menschen.

Aber es hat auch Schwierigkeiten. Denn es gab da oft kleine Brücken und da hatte er Angst. Er war nicht störrisch, sondern er dachte, dass vielleicht die Brücke unter ihm zusammenbricht. Da musste ich oft große Umwege machen. 

DOMRADIO.DE: Und man kann ja auch nicht mit dem Esel einfach in den Supermarkt gehen, um sich Proviant zu besorgen. 

Rohrbach: Nein, überhaupt nicht. Proviant war kein Problem, weil es da immer kleine Dörfer gab, wo ich ihn in Sichtweite anbinden konnte, wo kein Verkehr war. Aber bei den Herbergen brauchte ich immer eine Weide für meinen Esel und habe mir deshalb eine Telefonkarte besorgt und immer vorher angerufen. Wenn das nicht möglich war, dann musste ich halt weiter laufen oder manchmal haben wir auch im Freien übernachtet. Was auch wieder schwierig ist in Frankreich, anders als in Spanien. In Frankreich sind das alles Besitztümer. Selbst die Wälder und Weiden sind oft eingezäunt. Da müsste man immer den Besitzer fragen, ob man da mal übernachten kann. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, sie haben es ein bisschen drauf ankommen lassen. Gab es denn genügend Herbergen, in denen Sie mit Esel unterkommen konnten? Oder hatten Sie auch schon einen Stall als Angebot? 

Carmen Rohrbach, Reisebuchautorin

"Wenn ich in den Kirchen so in aller Stille saß, hatte ich wirklich das Gefühl, dass es etwas gibt, was größer ist als man selber."

Rohrbach: Ja, sogar eine Garage. Das kam überhaupt nicht infrage. Die hatten vorher am Telefon gesagt: Ja, ja, kein Problem, können Sie mitbringen. Als er mir dann das Nachtquartier für Cholocat zeigte, mussten wir weitergehen und ich habe dann oben auf einer Anhöhe mein Zelt aufgebaut. Ich habe mich wirklich als Pilgerin gefühlt und immer diese Assoziation der Heiligen Familie in mir getragen.

DOMRADIO.DE: Sie sagen auch, Sie haben den Glauben unterwegs erlebt. Inwiefern? 

Rohrbach: Vor allem in den kleinen Kirchen. Die sind so still. Auch da konnte ich manchmal nicht so lange drinbleiben, wie ich wollte. Der Esel hat dann Langeweile bekommen und laut "IAh" gerufen. Das weiß man ja, wie laut das ist. Wenn ich in den Kirchen so in aller Stille saß, hatte ich wirklich das Gefühl, dass es etwas gibt, was größer ist als man selber. 

DOMRADIO.DE: Wie lange haben Sie gebraucht für dieses französische Stück mit dem Esel? Sie haben ja gesagt, Sie mussten mal einen Umweg machen oder vielleicht für die Übernachtung auch noch mal ein paar Kilometer mehr laufen, als die Füße vielleicht wollten an dem Tag. 

Rohrbach: Ja, es waren so 40 Tage. Wenn man alleine unterwegs ist, kann man das gut in 21 Tagen schaffen. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR