Physiker kämpft gegen Lichtverschmutzung

Auf der Suche nach der verlorenen Dunkelheit

Der August ist der Sternschnuppenmonat schlechthin. Ein Fest für einen Sternführer wie den studierten Physiker Manuel Philipp. Im Interview erklärt der 49-Jährige auch, warum er sich so stark gegen Lichtverschmutzung engagiert.

Sternenhimmel / © Triff (shutterstock)

KNA: Herr Philipp, in den kommenden Tagen rast die Erde wieder durch die Trümmer des Kometen 109P/Swift-Tuttle. Das beschert uns besonders viele Sternschnuppen. Was planen Sie im Sternenpark Winklmoos-Alm?

Manuel Philipp (Physiker und Sternführer im Sternenpark Winklmoos-Alm in Bayern): Das ist natürlich ein Highlight für Sternengucker - zumal der Höhepunkt der sogenannten Laurentiustränen auf ein Wochenende fällt und der Mond nicht stört. Deswegen biete ich gleich drei Termine an: am 11., 12. und 13. August.

KNA: Was wissen die Leute überhaupt noch über den Sternenhimmel?

Philipp: Das Interesse ist riesengroß, obwohl das Wissen doch relativ gering ist. Die vollgestopften Lehrpläne der Schulen befassen sich kaum noch mit Astronomie - es gibt höchstens mal freiwillige Arbeitsgruppen dazu. Dennoch sind viele Schülerinnen und Schüler fasziniert von Schwarzen Löchern, Sterngeburten und Raumsonden.

Schwarzes Loch / © M.Weiss/NASA/Chandra X-ray Observatory/AP (dpa)
Schwarzes Loch / © M.Weiss/NASA/Chandra X-ray Observatory/AP ( dpa )

Das wäre eigentlich eine gute Grundlage, um naturwissenschaftlichen Unterricht populärer werden zu lassen. Dass man sich etwas wünschen darf, seinen Wunsch aber nicht laut aussprechen darf und man ihn zu Ende gedacht haben muss, bevor die Sternschnuppe erlischt, wissen aber relativ viele Menschen.

KNA: Und die älteren Leute?

Philipp: Die kennen sich noch ganz gut aus mit den Sternbildern - vielleicht auch wegen der Horoskope. Die haben noch Zeiten miterlebt, in denen es sogar in Stadtnähe noch so dunkel war, dass man viele Sterne sehen konnte.

KNA: Und was fasziniert einen Physiker wie Sie am Sternenhimmel?

Der Physiker Manuel Philipp

Manuel Philipp ist studierter Physiker und hat seit 2009 eine Werbeagentur im Chiemgau. Seit 2014 bietet er Astronomie-Vorträge und -Kurse an sowie Sternführungen auf der Winklmoos-Alm und am Chiemsee (abenteuer-sterne.de). 2018 schaffte er es, das Gebiet der Winklmoos-Alm zu einem von vier Sternenparks in Deutschland zu machen. Das sind Gebiete, die einen außergewöhnlichen Blick auf den Nachthimmel ermöglichen - auch weil entsprechende Lichtquellen optimiert sowie reduziert wurden.

Der Physiker Manuel Philipp  (KNA)
Der Physiker Manuel Philipp / ( KNA )

Philipp: Für mich ist das die visuelle Nabelschnur des Lebens. Wenn wir in den Sternenhimmel schauen, ändert sich unser Blick auf die Erde und uns. Wir sind ein Teil eines riesigen Universums - das lehrt Demut und macht klar, wie einzigartig unsere Erde ist. Zugleich bekommt man Ehrfurcht, wenn man bedenkt, wie viel passieren musste, damit auf unserem Planeten Leben entstehen konnte und wir diese jetzige Sekunde überhaupt erleben können. Wir alle sind aus Sternenstaub und damit miteinander verbunden. Außerdem wird mir immer wieder bewusst, dass Milliarden Menschen zur selben Zeit dieselben Sterne am Himmel sehen. Das hat etwas Verbindendes und etwas Mystisches. 

KNA: Sie haben es geschafft, die Winklmoos-Alm bei Reit im Winkl in Bayern zu einem von vier deutschen Sternenparks zu machen - und damit auch zu einem sogenannten Lichtschutzgebiet. Warum dieses Engagement?

Philipp: Heute werden die meisten Gebiete wie verrückt beleuchtet und das Licht der Städte strahlt sehr weit ins Umland. Es gibt kaum noch Regionen, in denen es richtig dunkel wird. Extrem vorangetrieben wird das durch die LED. Einen tollen Sternenhimmel sieht man höchstens noch im Urlaub. Wissenschaftler veröffentlichten vor Kurzem, dass unsere Nächte in Europa pro Jahr um etwa sechs Prozent und weltweit sogar um knapp zehn Prozent heller werden. Ein Drama ist das. Denn dunkle Nächte sind essentiell für fast alle Lebewesen.

KNA: Was tun Sie dagegen?

Philipp: Wir versuchen, Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen aufzuklären und gleichzeitig durch Lösungsvorschläge dazu zu animieren, unnötige Lichtquellen zu vermeiden oder sie zumindest weniger hell zu machen und nicht im Dauermodus zu betreiben. Wir Menschen beleuchten Straßen, obwohl jeder Verkehrsteilnehmer sein Licht am Fahrzeug dabeihaben muss. Wenn überhaupt, sollten wir nur die Gehwege beleuchten.

Adventsbeleuchtung in einer Stadt / © maoyunping (shutterstock)
Adventsbeleuchtung in einer Stadt / © maoyunping ( shutterstock )

Und insgesamt sind Straßen und Wege viel zu hell beleuchtet. In Wohnstraßen sind 10 bis 15 Lux Beleuchtungsstärke keine Seltenheit. Zum Vergleich: der hellste Vollmond schafft gerade 0,2 Lux. Wir schleudern auf Straßen also schnell mal 50 und mehr Vollmondstärken an Licht. Keiner braucht das. Zudem sterben Hunderte Milliarden Insekten pro Jahr an all dem Licht in Deutschland. Von den unnötigen Mengen an Energie und CO2 ganz zu schweigen. Wegen der billigen LED wird auch Gartenbeleuchtung zu einem immer größeren Problem für die Natur.

KNA: Sie haben mit Ihrer gemeinnützigen Organisation Paten der Nacht zwei große Aktionen ins Leben gerufen, um die Lichtverschmutzung zu verringern ...

Philipp: Ja, genau ... Seit 2020 rufen wir jährlich im September zur "Earth Night" auf. Licht aus für eine ganze Nacht lautet das Motto. Und seit 2022 haben wir das Projekt "22 Uhr". Wir versuchen, Firmen zu gewinnen, die freiwillig bereit sind, ihr gesamtes Werbelicht um spätestens 22 Uhr auszuschalten. Dafür bekommen sie von uns ein Umweltschutz-Zertifikat.

KNA: Sie sprechen auch von gesundheitlichen Auswirkungen ...

Philipp: Ja, fast alle Lebewesen brauchen zur Gesunderhaltung einen klaren Hell-Dunkel-Rhythmus. Zu viel Licht zur falschen Zeit stört diesen Wechsel aus Aktivität und Ruhe massiv. Krankheiten sind nachweisliche Folgen davon. Bluthochdruck, Diabetes, Krebs, Depressionen, ... Wir sind einfach nicht für eine Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft geschaffen und brauchen erholsamen Schlaf und das bedeutet: Möglichst keine durch Kunstlicht aufgehellte Nacht. Wir können zwar Rollos schließen, nicht aber die Tiere und Pflanzen. Deswegen: Es werde weniger Licht.  

Drei Tipps gegen zu große Lichtverschmutzung

Wie so oft gilt auch beim Thema Lichtverschmutzung: Das große Ganze kann ein Einzelner allein nicht ändern. Doch wenn viele Menschen an kleinen Stellschrauben drehen, hat das auch einen Effekt. 

- Die Dunkelheit im nächsten Umfeld zu bewahren, kann aus Sicht des Zoologen Johan Eklöf auch das eigene Verhältnis zur Dunkelheit verändern. Beispiele nennt er in seinem Buch "Das Verschwinden der Nacht": das Licht ausschalten, wenn man ein Zimmer verlässt, den Garten "nachts in Ruhe schlafen" lassen, mit Freundinnen, Kollegen oder der Nachbarschaft an der "Earth Hour" teilnehmen.

Straßenlaternen / © Bokstaz (shutterstock)
Quelle:
KNA