Pfarrer in Sydney ordnet Lage nach Messerangriffen ein

"Keine Angst, dass ich zur Zielscheibe werde"

Nach dem Messerangriff auf den Bischof einer christlichen Gemeinde in Sydney beschreibt der katholische Pfarrer Roland Maurer die Stimmung in der Stadt als ruhig. Er selbst fürchtet als Geistlicher keinen Angriff auf sich.

Absperrband der Polizei hängt vor der Christ The Good Shepherd Church im Vorort Wakeley / © Bianca De Marchi (dpa)
Absperrband der Polizei hängt vor der Christ The Good Shepherd Church im Vorort Wakeley / © Bianca De Marchi ( dpa )

DOMRADIO.DE: Im Moment gibt es ungewöhnlich viele Schlagzeilen aus Sydney. Zunächst ereignete sich am Wochenende ein Messerangriff in einem Einkaufszentrum, bei dem mehrere Menschen getötet wurden. Am Montag attackierte ein 16-Jähriger einen assyrischen Bischof, der schwer verletzt wurde, während eines Gottesdienstes bei Sydney. Was ist in Sydney los?

Pfarrer Roland Maurer (Pfarrer der deutschen katholischen Gemeinde Sydney): Die Stimmung in der Stadt ist gar nicht so dramatisch, wie man vermuten könnte. Am Samstag war das Entsetzen natürlich groß, die Medien haben mit Liveschalte berichtet. 

Aber seither ist wieder Alltag eingekehrt. Die ganze Sache bewegt uns immer noch, aber nicht mehr so hochemotional. Die erste Messerattacke im Einkaufszentrum hat uns schon stärker mitgenommen. Die zweite Attacke ging eher etwas unter, muss man sagen. Es gibt aber keine Lage, bei der überall Sicherheitskontrollen sind oder jeder den anderen verdächtigend anschaut. 

Pfarrer Roland Maurer

"Es ist traurig und verstörend, aber ich bewege mich hier jetzt als Geistlicher ganz normal und ohne Angst."

DOMRADIO.DE: In kirchlichen Kreisen hat es für einen Schock gesorgt, dass ein assyrischer Bischof im Gottesdienst attackiert wurde. Welche Rolle spielt diese assyrische Gemeinde bei Ihnen? 

Maurer: Das ist schwierig zu beantworten. Das ist eine der assyrischen Kirchenfamilie angehörige Gruppe. Ich glaube, die stammen aus dem Irak, haben sich aber von der offiziellen assyrischen chaldäischen orthodoxen Kirche getrennt und haben eine kleine Splittergruppe.

Das ist im Prinzip ein Einzelbischof mit einer Gemeinde, der aber viel im Internet macht und deshalb dort viele Anhänger hat. Es ist keine Großkirche, wie die katholische oder die griechisch-orthodoxe Kirche, sondern eine kleine Gruppe. Es macht aber keinen Unterschied, wie groß die Gruppe ist. 

Eine Polizistin untersucht die Kirche, in der die Messerattacke stattfand / © Mark Baker (dpa)
Eine Polizistin untersucht die Kirche, in der die Messerattacke stattfand / © Mark Baker ( dpa )

Wir wissen überhaupt noch nichts über den Hintergrund dieser Attacke. Der eine Täter war offensichtlich geistig verwirrt, das war der Hintergrund seiner Tat. Bei dem anderen geht man inzwischen von einem terroristischen Hintergrund aus.

Es ist traurig und verstörend, aber ich bewege mich hier als Geistlicher ganz normal und ohne Angst. Auch beim Gottesdienst heute Morgen hatte ich keine Angst, dass ich eine Zielscheibe sein könnte. 

DOMRADIO.DE: Wie sieht denn grundsätzlich das religiöse Miteinander in Sydney aus? Es ist eine eher säkulare Gesellschaft, oder? 

Maurer: Die Gesellschaft ist sehr säkular. Es gibt es schon Leute, die ihren Glauben haben. Das sind aber eher die Einwanderer, die eine starke Religiosität und auch ihre eigenen Traditionen und Auffassungen mitbringen.

In dieser multikulturellen Gesellschaft ist es sehr interessant, dass dieses technische Betrachten der Glaubens- und Kirchenwelt aus Deutschland hier auf großes Befremden stößt, weil in Deutschland noch andere Denkmuster und Traditionen herrschen als bei uns. Die Leute, die noch in die Kirche gehen, dürften eher dem traditionelleren Bereich entsprechen. 

Pfarrer Roland Maurer

"Wenn die Religionen, die bedrängt sind, einen Friedensaufruf starten, wirkt das noch viel mehr als alles andere."

DOMRADIO.DE: Nach dem Angriff auf den assyrischen Bischof gibt es einen ersten interreligiösen Friedensaufruf von Religionsführern in Sydney. Finden Sie es wichtig, dieses Zeichen zu setzen? 

Maurer: Das finde ich sehr wichtig. Ich glaube, der Anstoß ging auch von der Regierung aus, die alle Religionsführer zum Gespräch geladen hat. Natürlich auch aus Besorgnis, weil die Religionen jetzt in der Opferrolle sind.

Es ist wichtig, dass der soziale Frieden in Bezug auf die Religionsgesellschaften gewahrt ist. Ich hoffe natürlich, dass die Regierung trotz säkularer Hintergründe ihren Beitrag dazu leistet. Wenn die bedrängten Religionen einen Friedensaufruf starten, wirkt das noch viel mehr als alles andere. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR