Pfarrer sieht in Weihnachtsamnestie wichtige Geste

"Gott kloppt keinen in die Tonne"

Papst Franziskus hat um eine Weihnachtsamnestie für Gefangene gebeten. Für Pfarrer Stefan Schwarz ein richtiger und wichtiger Schritt. Weihnachten zeige den Häftlingen, dass Gott niemanden fallen lässt, sagt der Gefängnisseelsorger.

Papst fordert Weihnachtsamnestie für Gefangene / © Anneka (shutterstock)
Papst fordert Weihnachtsamnestie für Gefangene / © Anneka ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was halten Sie denn von der Bitte des Papstes um eine Amnestie zu Weihnachten? 

Pfarrer Stefan Schwarz (Gefängnisseelsorger JVA Rheinbach): Ich halte das für gut und richtig. Aber da rennt der Papst bei uns offene Türen ein. Denn die Menschen, die zwischen Ende November und Anfang Januar sowieso entlassen worden wären, werden bei uns schon Ende November entlassen. Das nennt man dann Weihnachtsamnestie.

Es macht allerdings wenig Sinn, die Menschen dann erst am 23.12. zu entlassen, sondern man entlässt sie schon etwas früher – gut einen Monat früher –, damit sie sich gegebenenfalls bei der Familie wieder einleben können, sich akklimatisieren können, Behördengänge machen können, was dann so ganz kurz vor Weihnachten irgendwie schwierig wäre. 

Pfarrer Stefan Schwarz, Gefängnisseelsorger JVA Rheinbach

"Da rennt der Papst bei uns offene Türen ein."

DOMRADIO.DE: In Deutschland und auch ganz speziell in NRW gibt es ja die Tradition eines sogenannten Gnadenerlasses oder der Amnestie zu Weihnachten schon ziemlich lange. Wie sieht es damit zum Beispiel ganz konkret in Ihrem Gefängnis aus? 

Schwarz: Die Gefangenen, die die Kriterien erfüllen, kommen dann in den Genuss der Weihnachtsamnestie. Dazu gehört dann auch, dass der Gefangene im letzten halben Jahr keine schwerwiegende Verfehlung während des Vollzugsalltags begangen hat. Aber die meisten kommen in den Genuss und sind auch jetzt schon draußen. 

DOMRADIO.DE: Und wie viele sind das jedes Jahr? 

Schwarz: Das variiert sehr stark. Das kann man schlecht sagen. Die haben ja sehr unterschiedliche Strafen und Straflängen. Insofern variiert es sehr stark. 

 

DOMRADIO.DE: Wann werden die Gefangenen, die dann freigelassen werden, denn darüber informiert, dass sie begnadigt werden? 

Stefan Schwarz, Gefängnisseelsorger JVA Rheinbach

"Da ist natürlich in der Adventszeit und in der Weihnachtszeit ein erhöhter Gesprächsbedarf, je nachdem, wie die Inhaftierten Weihnachten früher erlebt haben."

Schwarz: Die beantragen das. Das spricht sich auch herum, das ist bekannt. Dann gibt es eine Stellungnahme der Anstalt dazu. Und dann geht das Ganze seinen Gang. Die Gefangenen müssen das auch beantragen, denn – das klingt zwar komisch, aber – der Gefangene hat ein Recht darauf, bis zum Ende seine Strafe abzusitzen. Und wenn er früher raus möchte, dann muss er das beantragen. Ohne seine Zustimmung geht das nicht. 

Gefängnisseelsorge

Die christliche Gefängnisseelsorge hat in der Bundesrepublik eine lange Tradition. Als Leitwort für ihre Arbeit in Gefängnissen beschreibt die Deutsche Bischofskonferenz das Bibelwort "Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen" (Hebr 13,3). Bundesweit arbeiten rund 500 katholische und evangelische Seelsorger, in der Regel sind es Pfarrer oder Diakone. Ihr Anspruch ist es, sich jedem Menschen mit seiner eigenen Geschichte zuzuwenden. Der Gefangene soll dabei nicht auf die von ihm begangenen Straftaten reduziert werden.

Gefängnisseelsorger Andreas Mähler / © Andree Kaiser (KNA)
Gefängnisseelsorger Andreas Mähler / © Andree Kaiser ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ist die Weihnachtsamnestie auch ein Thema in Ihrer Arbeit als Seelsorger? 

Schwarz: Weihnachten ist eher Thema bei denen, die während der Weihnachtstage weiterhin im Gefängnis bleiben müssen. Da ist natürlich in der Adventszeit und in der Weihnachtszeit ein erhöhter Gesprächsbedarf, je nachdem, wie die Inhaftierten Weihnachten früher erlebt haben. Manche sind traurig, dass sie an Weihnachten nicht zu Hause sind. Manche sind einfach froh, wenn Weihnachten vorbei ist, weil sie auch früher schon kein harmonisches Familienfest erlebt haben und mit Weihnachten gar nichts anfangen können. 

DOMRADIO.DE: Sie haben ja da den Einblick, Sie haben Kontakt zu den Insassen. Wie feiert man denn im Gefängnis Weihnachten? 

Schwarz: Die Inhaftierten sind ja in der Regel im Gefängnis noch mal eingesperrt, nämlich auf ihrer Zelle. Da gibt es für sie eigentlich nur die Möglichkeit, über das Fernsehen Weihnachtsprogramm zu empfangen. Die Gefangenen bekommen bei den Adventsgottesdiensten eine Kerze von der Seelsorge geschenkt, sodass eine kleine weihnachtliche Stimmung in der Zelle erzeugt werden kann.

Und am Heiligabend verteilen mein evangelischer Mitbruder und ich Weihnachtstüten an alle knapp 600 Inhaftierten. Das ist eine logistische Herausforderung. Aber die Inhaftierten freuen sich, dass Weihnachten jemand an sie denkt und dass jemand ihnen etwas schenkt. Es gibt aber auch Inhaftierte, die sagen: Mir hat noch nie einer was geschenkt. Und dann wollen wir auch sicher sein, dass Weihnachten keiner ohne Spekulatius, ohne Kaffee, ohne Schokolade oder Printen oder ohne Tabak auf seiner Zelle sitzt. 

DOMRADIO.DE: Warum ist denn die christliche Botschaft gerade im Gefängnis vielleicht so wirksam oder auch so wichtig? 

Pfarrer Stefan Schwarz, Gefängnisseelsorger JVA Rheinbach

"Kein Mensch hat sich das verdient, dass Weihnachten existiert, sondern es ist für alle Menschen - egal ob draußen in Freiheit oder drinnen im Gefängnis - ein ganz großes Gnadengeschenk Gottes."

Schwarz: Weil die christliche Botschaft ja ist, dass Weihnachten ein Geschenk Gottes an uns Menschen ist. Das haben wir Menschen ja nicht verdient. Die Ankunft unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus haben die Menschen alle nicht verdient, sondern es ist ein Gnadengeschenk von Gott.

Und wenn Menschen auf die Idee kommen: Die Gefangenen haben das gar nicht verdient, dass die Weihnachten im Gefängnis feiern, dann kann man sagen: Ja, die haben das auch nicht verdient. Aber die, die draußen sind, haben das auch nicht verdient. Kein Mensch hat sich das verdient, dass Weihnachten existiert, sondern es ist für alle Menschen – egal ob draußen in Freiheit oder drinnen im Gefängnis – ein ganz großes Gnadengeschenk Gottes. Das kann man auch im Gefängnis gut vermitteln und den Menschen dann auch Hoffnung machen und sagen: Wenn andere euch verurteilen, Gott ist derjenige, der keinen in die Tonne kloppt. 

Das Interview führte Elena Hong.

Quelle:
DR