DOMRADIO.DE: Die Zeiten, als die deutsche Frauen-Nationalmannschaft alle geschlagen hat, ist längst vorbei. Wie hat Ihnen das Spiel gestern gefallen?
Pfarrer Rainer Maria Schießler (Katholisches Pfarramt St. Maximilian München): Es war gut. Es war aufregend, gerade in der ersten Halbzeit. In der zweiten hat man gemerkt, sie geraten zu sehr in die Defensive.
Die Spanier haben die deutschen Frauen hinten ziemlich in den Schwitzkasten genommen. Mit der Verlängerung war man wieder guter Hoffnung, weil man das Gefühl hatte, die Kondition ist vielleicht doch mehr deutscher Natur.
Dann kam dieser Knockout kurz vor Schluss. Da hat man gesehen, bei aller Mühe, genügt eine kleine Unaufmerksamkeit wie im Leben auch. Aber das ist nicht die Schuld eines Spielers, vor allem nicht dieser super Torhüterin, sondern das ist das Spiel.
DOMRADIO.DE: Es war aber ihr Fehler, dieses kurze Eck nicht zu schützen, in das Spanierin reingetroffen hat.
Schießler: Sie hat selber auch schon gesagt, sie nimmt dieses Tor auf sich. Ich glaube, jeder wird zu ihr sagen: 'Alles gut, was du vorher geleistet hast, dann nehmen wir auch diesen Fehler mit.' Das gilt für sie nicht nur spielerisch.
Wir wissen, dass Ann-Katrin Berger zweimal an Schilddrüsenkrebs erkrankt war und diese Krankheit besiegt hat. Selbst da ist sie ein Vorbild. Dass die Menschen ihrer Krankheit nicht verfallen, sondern aufstehen, Krone richten, weitergehen, immer an das Gute und an die Zukunft glaubend. Das hat sie uns vorgemacht.
DOMRADIO.DE: Wer über Frauenfußball lästert, verliert die Argumentationsgrundlage, wenn man die letzten beiden Spiele vor allen Dingen gesehen hat. Die Frauen kämpfen sich inzwischen durch in dieser Männerdomäne Fußball. Sehen Sie eine Parallele zur Kirche, in der viele Frauen auf Augenhöhe mitgestalten möchten?
Schießler: Das ist das Besondere im Frauenfußball. Wenn man bedenkt, dass das vor 50 Jahren noch verboten war. Hier bei uns in München hat der FC Bayern mit Frauenfußball begonnen. Damals war es offiziell noch gar nicht genehmigt. Diese Sportart mussten sich die Frauen erkämpfen, nicht nur gesetzlich, sondern vor allem gegen Vorbehalte.
Was hat man früher alles gesagt? Frauenfußball ist Fußball, nur in Zeitlupe. Solche Machosprüche, die unerträglich waren. Was haben wir am Mittwoch erlebt? Ein ausverkaufte Stadion. Frauenfußball ist wirklich angekommen. Deswegen schaue ich mir das gerne an, weil ich wahnsinnig stolz darauf bin, dass dieser Sport sozusagen wirklich von unten herauf gebildet wurde.
Genau so findet es in unserer Kirche statt. Ich meine nicht, dass man hergeht und sagt, wir lassen uns zu Priesterinnen weihen und wir machen eine Gegenkirche. Nein. Sondern nehmen wir das Beispiel in Freiburg, wo sich Frauen beworben haben für das Amt des Priesters. Da kommt man jetzt ins Dilemma. Wie gehen wir denn damit um?
Auf einmal merken wir, wenn eine Frau auftritt und sagt, ich verspüre die Berufung zum Priester, kann man nicht sagen, das geht nicht, nur weil sie eine Frau ist. Ich muss sie ernst nehmen, auch in ihrem Empfinden. Wo beginnt die Diskriminierung, dass ich einer Frau das abspreche? Ich glaube, Kirche war so 2000 Jahre lang, dass aus der Masse heraus Veränderungen entstanden sind.
DOMRADIO.DE: Andererseits gibt es beim Frauenfußball noch nicht die Millionengehälter und Transfersummen. Macht das den Frauenfußball sympathischer als den Männerfußballs?
Schießler: Ich glaube nicht, dass das sein muss, dass man das angleicht. Ich glaube, es wird ein eigenes Genre im Frauenfußball bleiben, dass es nicht um diese Millionen. Bald muss man schon Milliarden-Summen sagen, zu dem, was in Vereine gesteckt wird.
Aber man spürt eine gewisse Urtümlichkeit. Oft wird gesagt, die Frauen spielen leidenschaftlicher. Auch Männermannschaften spielen leidenschaftlich. Ich weiß nicht, ob die Leidenschaft durch das Geld getötet wird. Beim Frauenfußball spürt man jedoch, dass es nicht den finanziellen Anreiz braucht, um sich auf dem Rasen zu zerreißen. Das tut gut.
Das kann man auch am Beispiel Kirche demonstrieren. Ich werde nie Pfarrer werden, in Deutschland zum Beispiel, weil ich dann ein gutes Auskommen habe. Mit der Einstellung bin ich von Haus aus ungeeignet. Die Pfarrerarbeit ist schwer. Ich möchte den Leuten Glaube, Hoffnung und Liebe mitgeben und mit Ihnen auf dem Weg sein. Das nehmen mir die Leute ab.
Das Interview führte Tobias Fricke.