Pfarrer nach Kirchenbrand schockiert über Brutalität

"Für die Menschen wurde ein Stück Heimat zerstört"

Die 1000 Jahre alte Kreuzerhöhungskirche in Wissen ist Opfer eines Brandstifters geworden. Das Feuer hat gravierende Schäden hinterlassen. Die Tat und das Ausmaß schlagen den Menschen der Region auf das Gemüt, so Pfarrer Kürten.

Symbolbild: Brandstiftung / © Edoardo B (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Dienstag war ein Sachverständiger da. Was ist alles beschädigt worden?

Pfarrer Martin Kürten (Kreisdechant und leitender Pfarrer im katholischen Kirchengemeindeverband "Obere Sieg"): Es waren verschiedene Sachverständige für die einzelnen Bereiche gemeinsam hier. Es war Brandstiftung, die mit angsterregender Zielstrebigkeit und Gewalt vor allen Dingen auf den Hochaltar gerichtet war. Der Hochaltar, der einzig konsekrierte Altar, ist nach dem Stadtbrand von 1788, 1804 von der Gemeinde aus dem Kloster Grafschaft erworben worden. Man hat gerade nach diesem Altar gesucht und ihn gefunden, weil der für ein Kreuzreliquiar gebaut worden ist und damit natürlich zum Patrozinium der Kirche passte.

Pfarrer Martin Kürten (Kreisdechant und leitender Pfarrer im katholischen Kirchengemeindeverband "Obere Sieg")

"Bei den Menschen in der ganzen Region auch über Konfessionsgrenzen hinweg (herrscht) eine enorme Betroffenheit. Denn für die Menschen wurde ein Stück Heimat zerstört."

Dieser Altar hat schon Geschichte mitgebracht und war natürlich 200 Jahre der optische Mittelpunkt der Kirche. Er ist für die Menschen hier in der ganzen Region mit unzähligen Erinnerungen verbunden, sodass nicht nur bei regelmäßigen Gottesdienstbesuchern, sondern bei den Menschen in der ganzen Region auch über Konfessionsgrenzen hinweg eine enorme Betroffenheit herrscht. Denn für die Menschen wurde ein Stück Heimat zerstört.

DOMRADIO.DE: Ist dieser Altar irreparabel durch das Feuer zerstört worden? Oder lässt sich das wieder restaurieren?

Pfarrer Kürten: Zu einem Altar, zumindest aus der Zeit, gehört ein gemauerter Steinquader. Der ist das einzige, was mit dem Stahl-Tabernakel übriggeblieben ist. Der Altar inklusive der Stufen und die Verkleidung waren aus Holz und der ganze Aufbau mit etwa sieben bis acht Metern Höhe, der ist vollständig in Flammen aufgegangen.

DOMRADIO.DE: Wie hoch ist der Schaden?

Pfarrer Kürten: Wir hatten erst vor drei Jahren einen Rauchschaden aufgrund von Mängeln der Heizung und hatten die Sanierung der Kirche gerade hinter uns. Im Vergleich dazu ist der Schaden jetzt um ein Vielfaches größer. Deswegen, auf dem Hintergrund dieser Erfahrung, bin ich sicher, dass wir in den siebenstelligen Bereich kommen werden. Wobei natürlich das, was gerade der Altar auch den Menschen hier bedeutet hat, sich nicht in einem Geldbetrag wiedergeben lässt.

DOMRADIO.DE: Am Freitagabend, als die Feuerwehr ausrücken musste, gab es von den Wissenern eine Mahnwache. Ist das ein Zeichen für die besondere Verbundenheit der Gemeinde mit ihrer Kirche?

Pfarrer Kürten: Der Gemeinde und der Region. Denn das denke ich, ist wichtig, auch um diese Mahnwache einordnen zu können. Die Mahnwache ging nicht von Seiten der Gemeinde aus, sondern es war eine spontane Aktion mehrerer Vereine, auch nicht christlicher Vereine, die dazu aufgerufen haben. Es war eine sehr große Beteiligung durch alle Altersgruppen hindurch und wie gesagt, es ging über Konfessionen und Parteigrenzen hinweg, auch Kommunalpolitiker waren präsent.

Pfarrer Martin Kürten (Kreisdechant und leitender Pfarrer im katholischen Kirchengemeindeverband "Obere Sieg")

"Nachdem uns schon einmal die Heimat verlorengegangen ist, haben wir hier zum Zweiten Mal ein Stück Zuhause verloren."

Die Menschen der ganzen Region sind betroffen, auch zum Beispiel eine Gruppe Ukrainer. Sie waren sehr dankbar, dass wir ihnen den Kirchenraum schon mehrmals für Gottesdienste in ihrem Ritus zur Verfügung gestellt hatten. Sie haben sich dort auch wohlgefühlt: Sie sagten auch spontan, nachdem uns schon einmal die Heimat verlorengegangen ist, haben wir hier zum zweiten Mal ein Stück Zuhause verloren.

DOMRADIO.DE: Wann kann es mit Restaurierungsarbeiten losgehen? Gibt es schon irgendwelche Termine?

Pfarrer Kürten: Gestern waren wie gesagt die Sachverständigen der verschiedenen Bereiche hier. Wir müssen jetzt erst mal die Kirche bereinigen, weil durch den Rauch und den Ruß überall eine vergiftete Schicht drüber liegt, die erstmal entfernt werden muss.

Die Gewänder und liturgischen Gefäße, soweit sie restauriert werden müssen, werden schon in der nächsten oder übernächsten Woche aus der Kirche geholt und zu den entsprechenden Werkstätten gebracht.

Die Kirche war auch über unser Bistum hinaus berühmt für die Fresken von Peter Hecker. Davon ist ein Teil verlorengegangen, denn Freskomalerei wird auf nassen Putz gemalt. Ein Teil des Putzes hinter dem Hochaltar ist von der Wand gefallen. Damit sind natürlich die Bilder unwiederbringlich verloren und könnten höchstens rekonstruiert werden.

Inwieweit die Deckengemälde restauriert werden können, muss man jetzt noch abwarten. Der Konservator sagte dazu, er müsse erst an die Fresken dran kommen, um das genau beurteilen zu können. Wir arbeiten mit Hochdruck

DOMRADIO.DE: Was ist klar über denjenigen, der diesen Brand verursacht hat?

Pfarrer Martin Kürten (Kreisdechant und leitender Pfarrer im katholischen Kirchengemeindeverband "Obere Sieg")

"Was angsteinflößend ist, ist die Zielstrebigkeit und Brutalität, mit der derjenige vorgegangen ist."

Pfarrer Kürten: Bisher ist uns und der Öffentlichkeit nur mitgeteilt worden, es handelt sich um eine einzelne Person. Ein 39-jähriger Mann hier aus Wissen. Über die Motive wissen wir noch nichts.

Wie gesagt, was angsteinflößend ist, ist die Zielstrebigkeit und Brutalität, mit denen derjenige vorgegangen ist. Mehr kann man zum Täter im Moment noch nicht sagen. Ich bin dankbar für die wirklich zügige und kompetente Arbeit der Kriminalpolizei, die in so kurzer Zeit den, noch muss man sagen, Tatverdächtigen gefasst hat. Ich bin froh, dass er gefasst ist. Nicht aus Rachegedanken. Davor habe ich schon am Freitag die Bevölkerung vor gewarnt, sondern weil ich hoffe, dass uns die Verhaftung und Vernehmung des Täters Antworten gibt auf die Fragen nach dem Motiv. Die Frage, die sich ja viele jetzt stellen, warum macht jemand so was.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Das Erzbistum Köln

Ende 2021 gehörten 1.805.430 Katholiken zum Erzbistum Köln. Das sind 63.137 weniger als im Jahr davor. Der Rückgang setzt sich im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 zusammen aus 40.772 Kirchenaustritten (2020: 17.281) sowie der Differenz zwischen den Sterbefällen (27.503) und den Taufen (10.286), die gegenüber 2020 (7.845) angestiegen sind. 

Blick auf den Kölner Dom / © Harald Oppitz (KNA)
Blick auf den Kölner Dom / © Harald Oppitz ( KNA )

 

Quelle:
DR