Pfarrer in Davos erwartet vom Wirtschaftsgipfel nicht viel

"Ich spüre immer mehr Kritik"

Der schweizerische Wintersportort Davos ist in diesen Tagen Weltbühne der Wirtschaft. Zum Weltwirtschaftsforum trifft sich die Prominenz. Auch die Kirche ist beim Forum dabei, dessen Sinn Dekan Kurt Benedikt Susak infrage stellt.

Davos: Das Logo des Weltwirtschaftsforums ist auf einem Fenster des Kongresszentrums abgebildet / © Laurent Gillieron (dpa)
Davos: Das Logo des Weltwirtschaftsforums ist auf einem Fenster des Kongresszentrums abgebildet / © Laurent Gillieron ( dpa )

DOMRADIO.DE: An diesem Montag reisen viele Menschen an. Wie bemerkt man das in Davos? 

Kurt Susak, Dekan und Pfarrer in Davos / © Katholische Kirchgemeinde Davos (privat)
Kurt Susak, Dekan und Pfarrer in Davos / © Katholische Kirchgemeinde Davos ( privat )

Kurt Benedikt Susak (Dekan, Pfarrer der katholischen Pfarrei Davos in der Schweiz): Man merkt es immer deutlich, wenn das Weltwirtschaftsforum hier alljährlich im Januar stattfindet. Das Ganze hat schon vor Weihnachten mit dem Aufbau begonnen.

Am Sonntag zum Beispiel gab es einen 18 Kilometer langen Stau. Das ist ärgerlich für die Leute, die anreisen wollten. Aber es sind berechtigte Demonstrationen, die gegen einen "Great Reset" stattfinden, gegen eine Weltelite, wie das die Demonstranten auch nennen. Es geht ihnen auch um Klimaschutz und um Gerechtigkeit. 

Hier kommt seit diesem Montagmorgen ein Helikopter nach dem anderen an. Es gibt enorme Sicherheitsvorkehrungen, weil unter anderem auch ein Friedensgipfel zur Ukraine-Krise stattfindet, an dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilnehmen wird. 

Ignazio Cassis, Bundesrat für auswärtige Angelegenheiten der Schweiz, empfängt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, am Flughafen / © Alessandro Della Valle (dpa)
Ignazio Cassis, Bundesrat für auswärtige Angelegenheiten der Schweiz, empfängt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, am Flughafen / © Alessandro Della Valle ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Papst hat auch einen Vertreter nach Davos geschickt?

Susak: Genau. Das Staatssekretariat des Vatikans, hat Kardinal Peter Turkson hierher geschickt. Er ist schon öfter hier gewesen.

Von Zürich aus wird er hierher ins Pfarrhaus gebracht. Er wird zur Eröffnung, die Montagabend stattfindet, eine Botschaft von Papst Franziskus an das Word Economic Forum, das WEF 2024, richten. 

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt denn die Kirche?

Kurt Benedikt Susak

"Die WEF-Leitung wollte, dass Papst Franziskus persönlich zum 50-jährigen Jubiläum des WEF kommt."

Susak: Interessanterweise wollte die WEF-Leitung mit Klaus Schwab und anderen Beteiligten, dass Papst Franziskus persönlich zum 50-jährigen Jubiläum des WEF kommt. Ich finde es sehr interessant, dass so ein Weltwirtschaftsforum, eine global wirkende Zusammensetzung aus Politik und Gesellschaft, Interesse hat, einen Papst hier bei sich begrüßen zu können. 

Der Papst hat das aber nicht gemacht. Er hat einmal Staatssekretär Parolin entsandt oder eben diverse Kardinäle, unter anderem Kardinal Turkson. 

Das zeigt schon, dass das öffentliche Interesse bei der Suche nach Wegen, nach Lösungen nicht vonstatten gehen kann, wenn die katholische Kirche nicht als Global Player beteiligt ist. Ein Global Player sind wir ja in jederlei Hinsicht, auch wenn wir uns momentan im deutschsprachigen Raum eher als "Global Loser" empfinden. 

Aber immerhin wird diese Dimension schon in Betracht gezogen und hat eine gewisse Relevanz für die Leute hier vor Ort. 

DOMRADIO.DE: Spielt die katholische Kirche auch eine Rolle, was die Demonstrationen betrifft? Das Thema Schöpfung gehört ja zum Markenkern der katholischen Kirche. 

Susak: Wir begleiten dieses Weltwirtschaftsforum seit 30 Jahren mit Gebet und Gottesdiensten auch in ökumenischer Form. Das haben wir alles auch auf die reformierte Kirche, die Freikirchen in Davos erweitert. 

Das ist unser Teil, den wir für eine gerechte globale Weltordnung beitragen können, in der die Armen nicht ärmer und die Reiche nicht reicher werden. Uns bleibt das vertrauensvolle Gebet, das wir in großer Zahl die ganze Woche durch anbieten. 

Dann werden die Kardinäle, wie auch Kardinal Marx und andere, bei uns in der Marienkirche jeden Morgen die Heilige Messen feiern. Am Donnerstag um 18.30 Uhr gibt es einen großen Gottesdienst. Dort wird Kardinal Turkson die Botschaft von Papst Franziskus an das WEF 2024 in der Predigt verlesen. 

DOMRADIO.DE: Zu diesen Messen kommen dann auch Politiker? 

Susak: Ja. Wir haben Sonntagabend um 18.00 Uhr die Messe gefeiert. Dort waren auch junge Leute. Mit einem habe ich kurz gesprochen. Das war ein Seminarist, ein Priesteramtskandidat aus dem Bistum Fribourg in der Schweiz.

Aber es kommen auch Politiker zur Heiligen Messe am Morgen oder wie jetzt am Sonntagabend.

Blick auf Davos / © Boris-B (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Das ist eine aufregende Woche, die Ihnen da jetzt bevorsteht, oder? 

Kurt Benedikt Susak

"Über die Jahre haben sich Freundschaften, Beziehungen entwickeln können."

Susak: Das ist eine sehr interessante Woche, eine aufregende Woche, auch wegen der Begegnungen mit vielen Menschen hier vor Ort aus aller Welt. Da haben sich über die Jahre auch Freundschaften, Beziehungen entwickeln können, die eine gewisse Nachhaltigkeit haben. Von daher ist Davos schon eine ganz tolle, eine interessante Pfarrei. 

DOMRADIO.DE: Haben Sie Hoffnung, dass von Davos aus in die vielen Krisenherde positive Impulse ausgehen können? 

Susak: Ja und nein. Das WEF findet schon Jahrzehnte statt. Aber hat sich da etwas Grundlegendes geändert? Nehmen Sie da etwas wahr? Nehmen wir da etwas wahr? Ich spüre immer mehr Kritik an diesem riesigen Event mit den enormen Sicherheitsvorkehrungen. Das Militär ist mit 5.000 Soldaten der Schweizer Armee präsent. Der Luftraum ist gesperrt. 

Auf die Frage, wem das Forum etwas nützt, hört man bereits in den letzten Jahren mindestens seit der Covid-Pandemie kritische Stimmen. Da muss man dem Ganzen vielleicht schon ein Fragezeichen gegenüberstellen. 

Das Interview führte Johannes Schröer.

Weltwirtschaftsforum 2024 will Forum für Krisenlösung bieten

Das Weltwirtschaftsforum will angesichts von geopolitischen Krisen und Kriegen bei seiner Tagung in Davos eine Plattform für Austausch und Zusammenarbeit bieten. "Vertrauen wieder herstellen", ist das Motto des Treffens, zu dem in dieser Woche die politisch-ökonomische Weltelite zusammenkommt. Längst dominiert die Politik: Erwartet werden unter anderem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Israels Präsident Isaac Herzog.

Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos / © Markus Schreiber/AP (dpa)
Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos / © Markus Schreiber/AP ( dpa )
Quelle:
DR