Der Volkstrauertag erinnert auch an gefallene jüdische Soldaten

Patrioten im Ersten Weltkrieg - Unter den Nazis "wehrunwürdig"

Rund 100.000 jüdische Soldaten kämpften im Ersten Weltkrieg für Deutschland, etwa 12.000 starben. Viele hatten sich dem Zeitgeist entsprechend freiwillig zum Dienst gemeldet. Auch an sie wird am Volkstrauertag erinnert.

Autor/in:
Leticia Witte
Soldatengräber bei Ypern (dpa)
Soldatengräber bei Ypern / ( dpa )

Otto Rothmann hatte sich wie viele andere Männer seiner Zeit freiwillig als Soldat für den Ersten Weltkrieg gemeldet. Kaum drei Monate später, am 23. Oktober 1914, erlag der erst 18-Jährige in Nordfrankreich einer schweren Verletzung. Ernst Marcus schrieb am 24. Juli 1917 von der Ostfront seiner Familie, dass er das Eiserne Kreuz I. Klasse erhalten hatte: "Näheres wenn möglich morgen, da heute noch das Bat[aillon] stürmt. Auf Wiedersehen." Dazu kam es nicht mehr, denn nur wenige Stunden später starb er.

Marcus und Rothmann gehören zu den rund 12.000 im Ersten Weltkrieg gefallenen deutsch-jüdischen Soldaten. Die Biografien der beiden Männer und weiterer Soldaten stellt das Jüdische Museum Berlin zur Verfügung. Historischen Quellen zufolge kämpften insgesamt knapp 100.000 Juden zwischen 1914 und 1918 für Deutschland, rund 77.000 von ihnen an der Front. Über 20.000 erhielten Beförderungen und rund 30.000 Auszeichnungen - so wie Ernst Marcus.

Volkstrauertag von Nazis in "Heldengedenktag" umfunktioniert

Am Volkstrauertag wird an die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus erinnert. Der Tag soll zu Versöhnung und Frieden mahnen. Er wurde vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eingeführt und erstmals 1922 im Frühjahr begangen. Die Nazis funktionierten ihn zum "Heldengedenktag" um. Um sich davon abzusetzen, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Volkstrauertag in den November verlegt.

Der Volksbund erinnert jedes Jahr mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr an die jüdischen Kriegstoten sowie die Opfer der Schoah. Das geschehe an einem Gräberfeld für jüdische Soldaten auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee. Auch auf anderen jüdischen Friedhöfen gibt es solche Erinnerungsorte.

Hoffnung auf Gleichberechtigung und Patriotismus waren groß

Es gab Soldaten, die im Ersten Weltkrieg an der Front für ihr Land gekämpft hatten, und im Zweiten Weltkrieg in Gaskammern endeten - degradiert zu Menschen, deren Leben jetzt nichts mehr wert war. Dabei war bei vielen Juden, die sich zum Kriegsdienst meldeten, die Hoffnung auf Gleichberechtigung groß - und auch der Patriotismus. So meldete die Zeitungsannonce zu Otto Rothmann laut Jüdischem Museum seinen "Heldentod für das Vaterland". Er sei "auf den Ruf seines Kaisers zu den Fahnen [geeilt], wie einst sein Grossvater".

In dieser Situation sorgte die "Judenzählung" für große Empörung: Der preußische Kriegsminister ordnete 1916 eine statistische Erhebung über die Dienstverhältnisse aller deutschen Juden an - angeblich drücke sich eine große Zahl an jüdischen Wehrpflichtigen. Das Ergebnis wurde nicht veröffentlicht, so dass der Antisemitismus weiter geschürt wurde. Die tatsächlichen Zahlen zeigten, dass der Anteil jüdischer Soldaten dem anderer gesellschaftlicher Gruppen entsprach.

Reichsbund wandte sich gegen Antisemitismus

Nach dem Ersten Weltkrieg gründete sich der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, um über den Einsatz jüdischer Soldaten zu informieren. Er wandte sich auch gegen Antisemitismus. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden deutsche Juden für wehrunwürdig erklärt - ein Affront für den Reichsbund, der 1938 aufgelöst wurde.

Heute dienen Juden in der Bundeswehr, Schätzungen gingen zuletzt von rund 300 aus. Im Sommer kam mit Zsolt Balla der erste Militärbundesrabbiner hierzulande seit Ende des Ersten Weltkrieges ins Amt. Er und seine Kollegen wollen auch dazu beitragen, dass vermehrt Juden Soldaten werden. Darüber hinaus gibt es den Bund jüdischer Soldaten.

Gedenken an gefallene jüdische Soldaten in breite Öffentlichkeit

"Von unserer Seite werden wir alles tun, um zu zeigen, dass die heutige Bundeswehr auf der richtigen Seite der Weltgeschichte steht und dass sie sich zu Freiheit und Demokratie bekennt", sagte Balla der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA). Er könne sich vorstellen, dass das Gedenken an die gefallenen jüdischen Soldaten künftig eine breitere Öffentlichkeit erreichen werde.

Schon im Ersten Weltkrieg gab es Feldrabbiner. Einer von ihnen war der führende Vertreter des liberalen Judentums, Leo Baeck - dessen Leben für die Nazis dann ebenfalls nichts mehr wert war: Er wurde nach Theresienstadt verschleppt, überlebte, emigrierte nach London und setzte sich lebenslang für Versöhnung von Juden und Christen ein.


Jüdischer Friedhof in Krakau / © Harald Oppitz (KNA)
Jüdischer Friedhof in Krakau / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema