Papst fordert energische Schritte im Missbrauchsskandal

"Abscheuliche Verbrechen"

Papst Benedikt XVI. hat den sexuellen Missbrauch Minderjähriger als "abscheuliches Verbrechen" verurteilt. Bei entsprechenden Vorfällen in der irischen Kirche handle es sich um "eine schwere Sünde, die Gott verletzt und die Menschenwürde verwundet", sagte das Kirchenoberhaupt bei dem am Dienstag im Vatikan zu Ende gegangenen Krisengipfel vor dem Bischöfen des Landes.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Der Papst forderte die katholischen Oberhirten Irlands auf, mit Entschlossenheit und Mut einen Ausweg aus der Missbrauchskrise zu suchen. Die Kirchenverantwortlichen sollten gemeinsam konkrete Schritte zur Lösung der Krise unternehmen. Der Missbrauchsskandal habe die Kirche Irlands in eine schwere Krise gestürzt und das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Amtsträger erschüttert, heißt es in der vatikanischen Mitteilung. Benedikt XVI. kündigte für die bevorstehende Fastenzeit einen Pastoralbrief an die Katholiken Irlands an.

Jeder der 24 Bischöfe habe bei dem zweitägigen Treffen über «die Gefühle von Schmerz und Ärger, von Verrat, Skandal und Scham» berichtet, die ihm von Missbrauchsopfern übermittelt worden waren, hieß es in der Mitteilung. Zugleich referierten die Kirchenführer über bereits eingeleitete Maßnahmen und Hilfen. So gebe es eigens ausgebildete Kirchenmitglieder, die auf Pfarreiebene über den Schutz von Kindern und Jugendlichen bei allen kirchlichen Aktivitäten wachten.

Die Bischöfe räumten ein, dass Fehleinschätzungen und Unterlassungen die Krisen ausgelösten hätten. Sie unterstrichen ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden und den kirchlichen Kinderschutzbeauftragten ihres Landes.

Benedikt XVI. wies in seiner Ansprache vor den Bischöfen auf eine allgemeine Glaubenskrise und einen Mangel an Respekt gegenüber der menschlichen Person hin. Die Schwächung des Glaubens sei ein wesentlicher Faktor beim Phänomen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. Der Papst verlangte eine theologische Vertiefung des gesamten Fragenkomplexes. Zudem forderte er eine bessere menschliche, geistige, akademische und pastorale Betreuung der Priesteramtskandidaten.

Erprobter Drei-Stufen-Plan
Bei der zweitägigen Konferenz im Apostolischen Palast saßen  24 der 26 irischen Bischöfe und zehn hohe Kurienvertreter am Tisch. Nach einem in den USA wie in Australien erprobten Drei-Stufen-Plan stand eine juristische Aufarbeitung an - im Sinne der Null-Toleranz für die Täter. Dann ging es um pastorale Hilfen für die Opfer und schließlich um Schutzmechanismen für die Zukunft - beginnend bei der Auswahl der Seminaristen.

Einen ähnlichen Gipfel gab es vor acht Jahren mit der US-amerikanischen Kirchenleitung. Doch diesmal ist die Situation anders. Während die Katholiken in den Vereinigten Staaten gerade ein Viertel der Bevölkerung stellen, gilt Irland als katholisches Bollwerk, als - neben Malta und Italien - katholischstes Land Europas. Daher wiegt der Skandal auf der Grünen Insel schwerer, wird schärfer wahrgenommen.

Zudem zog sich die Aufarbeitung länger hin als in den USA, wo ein Konferenz-Marathon in kaum zwei Jahren eine Lösung fand. Auch die irische Kirche erließ 2001 - nach einer juristischen Neuordnung durch den Vatikan - für ihren Bereich eigene und sinnvolle Normen. Jedoch zog sich die Umsetzung hin, auch weil die oft kleinen Diözesen kaum über einen ausreichenden Rechtsapparat für solche Verfahren verfügen. Hinzu kam, dass manche Aufklärung verschleppt und vertuscht wurde.

Wie wird sich der Papst äußern?
Irlands Kirchenleitung, vor allem der Dubliner Oberhirte Diarmuid Martin, hat sich unmittelbar nach dem Murphy-Report an die Öffentlichkeit gewandt - und an den Papst. Im Fernsehen äußerte sich Martin zutiefst "schockiert und beschämt", er entschuldigte sich bei den Opfern und versprach Aufklärung. Mit dem Papst zusammen wollen die Bischöfe nach Wegen suchen, der Kirche verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Denn der Skandal hat - mehr als in Amerika - Kirche und Kleriker unter einen Generalverdacht gebracht.

Mit einem Motu Propio von 2001 hat Papst Johannes Paul II. die zuvor unklaren kirchenrechtlichen Normen in Fällen von Pädophilie und anderen schwerwiegenden Verfehlungen von Geistlichen klar geregelt.

Zuständig für alle "delicta graviora", zu denen neben sexuellen Beziehungen mit Minderjährigen auch der Bruch des Beichtgeheimnisses zählt, ist seither die Glaubenskongregation. Und schon Johannes Paul II. hat der Kongregation die Sondervollmacht erteilt, in bestimmten Fällen von der darin enthaltenen Verjährungsfrist abzusehen.

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