Papst Benedikt XVI. besucht Atatürk-Mausoleum

"Frieden zu Hause, Frieden in der Welt"

Zum Auftakt seines Türkeibesuchs hat Papst Benedikt XVI. am frühen Nachmittag das Mausoleum des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk besucht. Bei strahlendem Sonnenschein ging der Papst die Stufen zum Mausoleum in Ankara hinauf und ließ sich von einem Protokollbeamten über das Gebäude und das Grabmal informieren. Er folgte dann einem von zwei Soldaten getragenen Kranz ins Mausoleum hinein. Begleitet wurde der Papst nicht nur von seiner eigenen Delegation, sondern auch vom türkischen Staatsminister Besir Atalay. Der Besuch am Atatürk-Mausoleum ist traditionell die erste Station von Staatsgästen bei Besuchen in der Türkei. Nach der Kranzniederlegung im Mausoleum wurde der Papst beim türkischen Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer erwartet.

 (DR)


Nach der Kranzniederlegung trug sich der Papst in das Goldene Buch des türkischen Staates ein. Er bezeichnete darin die Türkei als "Treffpunkt und Begegnungspunkt von verschiedenen Religionen und Kulturen" und als "Scharnier zwischen Asien und Europa". Zudem zitierte er Atatürk: Er mache sich "die Worte des Gründers der türkischen Republik zu eigen und bekunde den Wunsch: Frieden zu Hause, Frieden in der Welt". Aus Sicherheitsgründen war das gesamte Areal weiträumig für Zuschauer gesperrt.

Papst von Erdogan empfangen
Papst Benedikt XVI. war zu Beginn seines Türkei-Besuchs in Ankara von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan empfangen worden. Die Papstmaschine landete gegen 12.00 Uhr (MEZ) auf dem Flughafen der türkischen Hauptstadt. Das Treffen mit Erdogan, der das Kirchenoberhaupt am Rollfeld empfing, war erst in letzter Minute ins Programm aufgenommen worden, da der Regierungschef am Dienstag zum Nato-Gipfeltreffen ins lettische Riga reist.

"Ich komme in die Türkei, um die Begegnung der Kulturen und die Arbeit für den Frieden zu unterstützen", sagte Benedikt bei der kurzen Begegnung am Flughafen. Ziel seiner viertägigen Reise sei es, "die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Türkei zu vertiefen".

Keine politische, sondern eine pastorale Reise
Papst Benedikt XVI. wandte sich gegen eine politische Vereinnahmung seines Türkeibesuchs. "Dies ist keine politische Reise, sondern eine pastorale Reise", sagte er kurz vor dem Abflug nach Ankara vor mitreisenden Journalisten. Er wolle zu Dialog, Brüderlichkeit und Verständnis zwischen den Kulturen und Religionen beitragen und damit die Versöhnung fördern.

Benedikt XVI. unterstrich, er habe große Sympathie für das türkische Volk. Er betonte zugleich, dass von einer kurzen Reise nicht zu viel erwartet werden könne. Seine Begegnung mit dem orthodoxen Patriarchen Bartolomaios I. habe aber sehr hohen symbolischen Wert.

Die bislang schwierigste Reise des katholischen Kirchenoberhaupts ist überschattet von Kritik wegen des angeblich islamkritischen Regensburger Vortrags des Papstes. Vor der Türkei-Reise haben Menschrechtler und Politiker das Land zu mehr religiöser Toleranz aufgerufen. Die Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Lale Akgün, ermutigte zugleich Papst Benedikt, die Gleichheit der Menschen vor Gott in den Mittelpunkt zu stellen. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte erklärte, Benedikt solle die Minderheitenrechte und die Religionsfreiheit in dem Land ansprechen.

Akgün: Religionen gleichberechtigt behandeln
Die SPD-Politikerin Akgün räumte ein, sie rechne nicht mit mehr Freiheiten für christliche Organisationen durch die Papst-Reise. Aus solchen Freiheiten würden andere religiöse Gruppierungen Forderungen ableiten. Akgün: "Dann könnten die muslimischen Fundamentalisten die Türkei so verändern, dass Zustände herrschen wie im Iran oder in Pakistan." Die Angst davor sei sehr groß.

Muslime glaubten häufig, "dass man auf sie herunterschaut", sagte Akgün im Deutschlandradio Kultur. "Wenn der Papst wirklich etwas für die Atmosphäre tun will, sollte er immer wieder betonen, dass alle Religionen gleichberechtigt sind."

"Interreligiöse wie interkulturelle Tradition"
Der Türkei-Experte Faruk Sen appelliert an die Türkei, die Chance zu nutzen, die der Besuch des Papstes für die interreligiöse und interkulturelle Verständigung biete. "Istanbul hat eine gleichermaßen interreligiöse wie interkulturelle Tradition", erklärte der Direktor des Zentrums für Türkeistudien in Essen. Dieses tolerante Profil müsse die Türkei unbedingt behalten und weiter schärfen.

Die Gesellschaft für Menschenrechte wies in Frankfurt darauf hin, dass die Türkei den Unterricht in Aramäisch, der Sprache Jesu, seit 1997 offiziell verbietet. Zudem dürften syrisch-orthodoxe Christen entgegen internationalem Recht keine eigenen Schulen bauen, kritisierte die Organisation. Der verweigerte Rechtsstatus der Kirchen in der Türkei erlaube es der syrisch-orthodoxen Kirche nicht, Klagen einzureichen.

Seit März 1995 sei ein Brief der syrisch-orthodoxen Bischöfe mit Bitte um Erlaubnis zum Kirchenbau in Istanbul unbeantwortet, so die Menschenrechtsorganisation. Während zahlreiche türkische Imame in Deutschland offiziell arbeiten können, erhielten deutsche Geistliche in der Türkei in dieser Funktion zudem in der Regel kein Aufenthaltsrecht, hieß es weiter.

Kasper: Annäherung von Katholiken und orthodoxen Christen
Die Papstreise dient nach Darstellung von Kurienkardinal Walter Kasper in erster Linie der Annäherung von Katholiken und orthodoxen Christen. Die Konflikte in der globalisierten Welt zwängen die Christen zum Zusammenrücken und zur Entdeckung ihrer Gemeinsamkeiten gegenüber der islamischen und säkularisierten Welt, sagte der Präsident des Rates zur Förderung der Einheit der Christen der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». (Montagsausgabe). Diese Nähe könnte zudem die Integration von Ost- und Westeuropa fördern.

Der deutsche Kurienkardinal wies darauf hin, dass sich die katholische Kirche und die Orthodoxen in Fragen des Kirchenverständnisses und der Sakramente viel näher seien als etwa Katholiken und Protestanten, aber auch als Orthodoxe und Protestanten. Allerdings seien auf Grund der fast tausendjährigen Kirchenspaltung zwischen Ost und West die Mentalitätsunterschiede größer.