DOMRADIO.DE: Papst Franziskus wurde vom Personal der Gemelli-Klinik gepflegt. Früher hatten die Päpste aber persönliche Leibärzte. Welche Aufgaben hatte ein päpstlicher Leibarzt?

Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Listen von päpstlichen Leibärzten sind bereits aus dem 12. Jahrhundert erhalten. Wahrscheinlich gab es schon lange vorher päpstliche Leibärzte. In dieser Funktion dienten immer herausragende Mediziner.
Übrigens nicht nur Katholiken oder Christen, sondern auch vor allen Dingen in der Renaissance viele jüdische Ärzte. Diese hatten oft einen sehr guten Ruf und dienten daher dem Papst als Leibarzt. Später wurde die Rolle des Leibarztes im Vatikan sehr bedeutend.
Er zählte zu den wichtigsten und höchsten päpstlichen Laien und durfte sich sogar Monsignore nennen, obwohl er gar kein Kleriker war. Er musste immer im Apostolischen Palast wohnen und den Papst bei allen großen Auftritten begleiten. Eine sehr wichtige Rolle also.
DOMRADIO.DE: Auch zwei deutsche Ärzte erlangten in dieser Funktion ja Berühmtheit.
Nersinger: Der erste Deutsche, der als Arzt nach Rom berufen wurde, das war Clemens August Alertz. Das war ein Aachener Arzt, der wegen eines besonderen Leidens des Papstes nach Rom reiste.
Er war zuvor Militärchirurg in Bonn und Kreisphysikus in Aachen gewesen und später dann auch Arzt an der berühmten Berliner Charité. Clemens August Alertz gelang es im Jahre 1836, ein Augenleiden von Papst Gregor XVI. erfolgreich zu behandeln.
DOMRADIO.DE: Und der nächste Deutsche, der dann seine Heilkräfte mit in den Vatikan brachte, das war gar kein Mediziner, sondern ein Priester. Das müssen Sie uns erklären.
Nersinger: Es handelt sich um den berühmten Pfarrer Sebastian Kneipp. Er hatte eine eigene Methode des Heilens gefunden, die Wasserkur.

Diese Art der Naturheilkunde stieß natürlich bei Ärzten, aber auch bei seinen Vorgesetzten im kirchlichen Dienst auf große Skepsis. Es wurden ihm zahlreiche Steine in den Weg gelegt. Man zeigte ihn an, sowohl bei den weltlichen Behörden als auch bei den kirchlichen.
Aber er hatte auch große Förderer bis hin in den deutschen Adel und den Klerus. Um ihn und seine Methode der Naturheilkunde zu schützen, hatte man sich dann auch an Rom gewandt und dort über ihn berichtet.
Wir wissen, dass er 1893 von Leo XIII., das war außergewöhnlich, zum päpstlichen Geheimkämmerer ernannt wurde. Ein Jahr später war er dann auch bei einer Fahrt nach Rom dabei. Da kam es dann zu einer Konsultation von Leo XIII., die Sebastian Kneipp in den Apostolischen Palast führte.
Kneipp machte dem Papst einige Vorschläge, wie er zum Beispiel seine Schlaflosigkeit behandeln konnte. Und das muss schon relativ früh mit Erfolg gekrönt gewesen sein, denn der Papst verlieh ihm eine Pontifikatsmedaille. So war Sebastian Kneipp mehr oder weniger rehabilitiert und erfreute sich als Nicht-Schulmediziner päpstlicher Förderung.
DOMRADIO.DE: Das Engagement von Sebastian Kneipp war also durchaus erfolgreich. Wie war er als Person?
Nersinger: Sebastian Kneipp war einer, der sich von der Pike auf das Priestertum erkämpft hatte. Er hatte es nicht leicht, aber er hatte eine besondere Art.
Er kam sehr gut mit seinen Mitmenschen aus und konnte die Leute auch überzeugen, sowohl im geistlichen Bereich als auch was seine Heilkünste betraf.
Er muss eine sehr imponierende Persönlichkeit gewesen sein und eben jemand, der mit jedermann, also vom einfachen Volk bis hin zum Hochadel sehr gute Beziehungen hatte.
DOMRADIO.DE: Und trotzdem war es ja so, dass seine Vorgesetzten das gar nicht gerne sahen, dass ein Pfarrer sich in alternativer Medizin engagierte. Warum eigentlich nicht?
Nersinger: Weil man dachte, dass das nicht zu den Aufgaben eines Priesters gehöre. Es war ja auch so, dass, wenn jemand Arzt war und dann Priester wurde, er den Arztberuf nicht weiter ausüben durfte.
Es gab eine ganze Reihe solcher Berufe, die nicht mit der Priesterweihe vereinbar waren. So auch der Beruf des Jägers. Wer Jäger war, durfte etwa als Priester nicht mehr jagen. Das hing natürlich mit dem Akt des Tötens zusammen.
Beim Arzt hingegen lag es daran, dass man die Heilkunde als etwas von der Seelsorge separates betrachtete.
DOMRADIO.DE: Ist bekannt, wie Papst Franziskus zu alternativen Heilmethoden steht?
Nersinger: Da haben wir so gut wie keine Informationen. Ich weiß auch nicht, ob er sich darum großartig gekümmert hat. Franziskus widersetzt sich den Ärzten häufig. Dass er überhaupt ins Krankenhaus gekommen ist, muss ungeheure Überredungskünste, vielleicht auch sogar die eine oder andere Drohung beinhaltet haben (lacht).
Das Interview führte Carsten Döpp.