Beim jüngsten internationalen Kongress der Päpstlichen Akademie für das Leben im Vatikan stand ein Thema im Mittelpunkt, das die Zukunft der Medizin entscheidend prägen wird: der ethische Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen.
Monsignore Renzo Pegoraro, Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, lobte die Teilnehmer:
"Es war ein interdisziplinärer Kongress, bei dem sich Ärzte, Informatiker, Theologen und Anwälte untereinander ausgetauscht haben, um diese neue Realität besser zu verstehen und die menschliche Würde ins Zentrum zu stellen".
Ethische Leitprinzipien für den Einsatz von KI
Die von den Kongressteilnehmern formulierten ethischen Leitprinzipien für den Einsatz von KI in der Medizin betonen, dass technischer Fortschritt niemals Selbstzweck sein darf. KI könne Ärztinnen und Ärzte unterstützen, aber nicht ersetzen.
"Ärztinnen und Ärzte dürfen sich nicht von der Faszination technischer Ergebnisse hypnotisieren lassen“, heißt es in den kürzlich veröffentlichten Leitlinien. KI müsse stets dem klinischen Denken des Arztes untergeordnet bleiben.
"Black-Box"-Algorithmen, deren Entscheidungswege undurchsichtig bleiben, gefährden laut den Experten die klinische Verantwortung und können langfristig zu Entfremdung und Entprofessionalisierung führen.
Verzerrte oder unvollständigen Datensätzen
Bei der Entwicklung von KI-Systemen warnten die Experten vor verzerrten oder unvollständigen Datensätzen. Diese könnten bestehende Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung verstärken.
Deshalb müsse der medizinische Berufsstand darauf drängen, dass KI auf repräsentativen, fairen Daten basiert. "Zahlentechniken, so effektiv sie auch sein mögen, haben epistemologische und logische Grenzen. Sie können nicht alle Dimensionen menschlichen Denkens und menschlicher Beziehungen ersetzen", so die Experten weiter.
Empathie, Zuwendung, ein Blick voller Mitgefühl oder das einfache Dasein im Leiden ließen sich nicht durch Algorithmen ersetzen.
Große Chancen insbesondere in der globalen Gesundheitsversorgung
Die US-amerikanische Theologin und Bioethikerin Therese Lysaught von der Loyola University Chicago sieht große Chancen insbesondere in der globalen Gesundheitsversorgung.
"Es gibt weite Regionen, in denen es kaum Gesundheitsdienstleister gibt. KI kann hier Ferndiagnosen ermöglichen und lokale Gesundheitszentren unterstützen – etwa bei der Früherkennung von Gebärmutterhals- oder Brustkrebs. Das ist kostengünstiger und ermöglicht schnellere Diagnosen", so Lysaught.
"Technologien sind nie neutral"
Zugleich mahnte sie, die kulturellen und anthropologischen Folgen nicht zu übersehen: "Technologien sind nie neutral. Sie verändern, wie wir uns selbst und andere wahrnehmen. KI verändert also, wie Ärzte als auch Patienten sich selbst verstehen. Diese oft subtilen Veränderungen müssen wir reflektieren."
Damit KI in der Medizin ethisch verantwortet bleibt, brauche es eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Entwicklern, Ethikern und Theologen. "Wir brauchen Experten, die nicht nur Produkte verkaufen, sondern beraten und die sich mit der katholischen Soziallehre und der Frage nach der Menschenwürde auseinandersetzen", erklärte Lysaught.
Die KI-Revolution in der Medizin ist unausweichlich. Der Appell der Päpstlichen Akademie an die Verantwortlichen im Gesundheitswesen lautet: "Der Patient ist kein Problem, das gelöst werden muss (durch KI oder andere Technologien), sondern er oder sie ist ein Geheimnis, das Christus selbst offenbart“.