Zöliakie, eine langfristige Autoimmunerkrankung und chronische Entzündung der Dünndarmschleimhaut aufgrund einer Überempfindlichkeit gegen Gluten, das in einigen Getreidesorten vorkommt, kann im christlichen Gottesdienst Probleme aufwerfen. Wird das eucharistische Brot doch in den meisten christlichen Kirchen zwingend aus Weizenmehl gebacken. Und Weizen enthält den Proteinkomplex Gluten.
In den orthodoxen Kirchen hat man unterschiedliche Regelungen für den Empfang der Eucharistie durch an Zöliakie Erkrankte getroffen. In der russischen Orthodoxie stehen derzeit zwei konträre Auffassungen im Raum.
Moskauer Patriarchat empfiehlt Kommunion mit Wein
Die Synodale Kommission für Bioethik des Moskauer Patriarchats hat Empfehlungen zu Fragen der Spendung der Kommunion an Personen, die an Zöliakie, Pseudo-Zöliakie und allgemein Glutenallergie gegen Weizen veröffentlicht. Sie empfiehlt, die Kommunion nur mit dem Blut Christi zu reichen, "denn darin ist der Heiland selbst ganz gegenwärtig". Gleichzeitig dürfe aber glutenfreies Brot nicht für die Eucharistie verwendet werden, sondern nur Weizenbrot.

Bei der Spendung des Sakraments soll der Priester die traditionelle Formulierung verwenden: "Der Diener (bzw. die Magd) Gottes (Name) nimmt teil am ... Leib und Blut unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus". Dabei wird dem Zöliakie-Kranken die Kommunion allein mit dem Heiligen Blut gereicht, und zwar vor dem Eintauchen der Partikel für die Kommunion der Gemeindemitglieder.
Die Empfehlungen machen hier zwar keine präzise Angabe, aber man darf davon ausgehen, dass die Kommunionspendung an Laien auch in diesem Fall die übliche sein soll, also mit dem Löfflchen, nur eben ohne Brot. Im Fall des nahenden Todes soll demnach die Zöliakie ignoriert werden und mit den aufbewahrten Gaben die Kommunion gespendet werden.
Laien, die an Zöliakie leiden, wird zudem abgeraten, die Heilige Weihe zu empfangen. Eine Erklärung dafür wird nicht expressis verbis gegeben, ist aber wohl darin zu sehen, dass Priester und Diakone nach der Liturgie die übriggebliebenen und inzwischen mit dem Wein vermischten Partikel konsumieren müssen.
"Keine Quelle von Krankheit oder Gefahr"
Die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland (ROKA), die einen sich völlig selbst und eigenständig verwaltenden Teil der einen russischen Kirche darstellt, sah sich nach der Moskauer Positionierung offenbar genötigt, ihre Position zu klären.
In einer Erklärung ihrer Synode vom 12. Dezember 2024 halten die Hierarchen der Auslandskirche fest, dass die Kommunion "keine Quelle von Krankheit oder Gefahr" sei, "sondern sie vielmehr die eigentliche Quelle des Lebens, der Heilung und der Heiligung ist". Niemand bräuchte sich vor der Kommunion zu ängstigen, da "was in menschlicher Schwäche dargebracht wurde, durch die göttliche Gnade in das verwandelt wird, was allen das Leben schenkt".

Damit positioniert sich die Auslandskirche, die seit 2007 wieder in voller Gebets- und Kommuniongemeinschaft mit dem Moskauer Patriarchat steht und auch Patriarch Kirill in all ihren Gottesdiensten kommemoriert, auch in dieser Hinsicht - wie bei einigen anderen Fragen - deutlich anders als die Kirche in der Heimat.
Für finnisch-orthodoxe Kirche auch glutenfreies Brot ok
Auch andere orthodoxe Ortskirchen haben sich offiziell mit dem Thema beschäftigt. Nach mehr als zweijähriger Untersuchung fasste das Bischofskonzil der finnisch-orthodoxen Kirche, einer autonomen Kirche des Patriarchats von Konstantinopel, im August 2022 den Beschluss, dass auch glutenfreies Brot in der Liturgie verwendet werden dürfe. Für dieses sei ein separater Kelch zu verwenden.
Begründet wird die Erlaubnis damit, dass diejenigen, die an Zöliakie leiden, aufgrund ihrer Unverträglichkeit gegenüber Weizeneiweiß nicht am Leib Christi in der Eucharistie teilnehmen könnten. Das betrifft verschärft jene, die an einer akuten Form leiden, denn sie könnten auch nicht bloß das Blut Christi konsumieren, "weil es auch Partikel von Weizenmehl enthalten könnte".
Ein von den finnischen Bischöfen beauftragter Priester, Joannis Lampropoulos, untersuchte zuvor die Praxis der griechisch-orthodoxen Kirche. Er kam zu dem Schluss, diese habe diesbezüglich keine ausgearbeitete Position; vielmehr erfordere die Frage einen Appell an die kanonische Abteilung der Heiligen Synode des Patriarchats von Konstantinopel. Eine solche wurde bislang allerdings nicht bekannt.
Kritik: "Beleidigung des Heiligen Geistes"
Die Möglichkeit der Zulassung von glutenfreier Materie für die Eucharistie durch die finnische Kirche stieß allerdings sofort auf Kritik. Schon im Oktober 2021 erklärte das Amt für Häresien und Kulte der Metropolie von Piräus der Orthodoxen Kirche Griechenlands, dass "dies eine klare Herausforderung an die heiligende und erlösende Kraft der Eucharistie" sei.
Der finnische Vorschlag sei eine "direkte Beleidigung des Heiligen Geistes, eine Entweihung der heiligen Mysterien und eine Missachtung der Kirche und ihrer 2.000-jährigen Tradition"
Ähnlich hatte sich bereits in einem Hirtenwort 2018 der damalige Metropolit von Denver Isaias (Chronopoulos) von der griechisch-orthodoxen Erzdiözese von Amerika (Ökumenisches Patriarchat) geäußert: Gläubige, die aus gesundheitlichen Gründen nur die Gestalt des Blutes empfangen wollten, sieht der Metropolit unter Berufung auf den Korintherbrief als Ungläubige: "Wenn es orthodoxe Christen gibt, die glauben, dass die Gaben nach der Konsekration von Brot und Wein durch den Heiligen Geist während der Göttlichen Liturgie immer noch Brot und Wein sind, dann sollten sie nie wieder den göttlichen Leib und das göttliche Blut empfangen."
Die Anweisungen des Arztes dürften nicht für wichtiger gehalten werden als die Eucharistie. Der Schöpfer habe schließlich "von allem mehr Wissen über das ewige Leben als alle medizinische Wissenschaft dieser gefallenen Welt". Für den Metropoliten ist klar: Nach der Wandlung haben wir es nicht mehr mit Brot zu tun, sondern allein mit dem Leib Christi, gegen den es keine Allergien geben kann, da "sein Leib vollkommen ist".
Kommunion ist "Arznei der Unsterblichkeit"
In gewisser weise erinnert die Diskussion um die Zöliakie an jene, die während der Corona-Pandemie um die Art und Weise des Empfangs der Eucharistie gefährt wurde. Damals betonte ein "gemeinsames Wort der orthodoxen Bischäfe in Deutschland" einerseits: "Die Teilhabe an Christus in der Eucharistie ist für uns so zentral, dass wir alles tun müssen, um sowohl ihr als auch der Gesundheit und Unversehrtheit unserer Schwestern und Brüder gerecht zu werden", und: "Die Orthodoxe
Kirche hat in ihrer Geschichte selten auf strenge oder extreme Regelungen zurückgegriffen, sondern stets versucht, in ihrem pastoralen Handeln die Realität des menschlichen Lebens und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen".

Daher bleibe "die Praxis des Kommunionempfangs bzw. der Kommunionausteilung selbst Änderungen unterworfen". Aus diesem Grund wäre es beispielsweise "unangebracht, die Verwendung des Löffels zu dogmatisieren. .. Die Heilige Kommunion gilt nach den Worten des hl. Ignatius des Gottesträgers (von Antiochia, gemartert um 110 n.Chr.) als "Arznei der Unsterblichkeit" (Brief an die Epheser, 20). Die
Kommunionpraxis kann sich somit ändern und hat sich im Laufe der Kirchengeschichte auch geändert; das Wesen des Mysteriums aber bleibt stets dasselbe und kann durch die Änderung der Handhabe nicht infrage gestellt werden".
Der damalige Text erwähnt so unterschiedliche, der jeweiligen örtlichen Situation angemessene Formen (Kommunionausteilung ohne Berührung, Desinfektion, Verwendung mehrerer Löffel, Kommunion mit vorgeheiligten Gaben usw.) und mahnt, man solle "niemanden verurteilen, weil er eine andere Art und Weise als die in seiner Gemeinde verwandte gebraucht".
Grundsatzfrage nach der Verderblichkeit
Sollte dies nicht auch für die Zöliakie gelten? - Zumal sich hier die Grundsatzfrage stellt, ob Brot und Wein nach der Wandlung in Leib und Blut Christi wirklich nicht mehr verderblich sind, also gewissermaßen ihre irdische Natur aufgehoben ist oder - wie beim Erlöser selbst - "unvermischt, unverwandelt, ungetrennt und ungesondert" (Konzil von Chalkedon) mit der göttlichen existiert.
Bemerkenswerterweise gibt es in der "Belehrenden Mitteilung" in russischen Gottesdienstbüchern bereits einen Passus zur Substanz des eucharistischen Brotes. Bei der "Mitteilung" handelt es sich um einen Anhang zum Liturgikon, der Anweisungen für den Priester und den Diakon enthält. Sie wurde im Auftrag des Moskauer Patriarchen Joakim (1621-1690) von dem Mönch des Cudov-Klosters Evfimij (gest. 1705), einem Schüler des Liturgiereformators Epifanij von Slavinec (1600-1675), zusammengestellt und findet sich zum ersten Mal im Gottesdienstbuch von 1699.

Ihr Erscheinen wurde durch die Notwendigkeit motiviert, katholische Entstellungen aus der liturgischen Praxis auszuschließen. Paradoxerweise ist aber Einiges in ihr aus dem Missale Romanum bzw. der lateinischen "Euchologion"-Ausgabe des Dominikaners Jacques Goas (1601-1653) übernommen und an die orthodoxe Praxis angepasst.
Dort steht unter Punkt 8: "Die Substanz des geheimnisvollen Leibes unseres Herren Jesus Christus ist Brot, welches allein aus reinem Weizenmehl, mit klarem, natürlichem Wasser vermengt und gut ausgebacken sein muß. Es ... muss zum Verzehr geeignet sein."
Und weiter: "Falls der zelebrierende Priester noch vor der heiligen Wandlung erkennt, dass das auf dem Diskos liegende, zur Wandlung bereitete Brot verdorben, oder aus anderem Getreide (denn aus Weizen), oder schon verschimmelt, oder bereits zu hart geworden ist, so soll er solches fortlegen, dafür eine neue, frische Prosphore aus reinem Weizenmehl nehmen. ... Stellt der Priester ähnliches erst nach der Konsekration fest, so verfährt er entsprechend: Er nimmt eine neue Prosphore aus Weizenmehl, spricht alle für die Bereitung des Lammes vorgeschriebenen Gebete ..., vollzieht die heilige Wandlung und beendet nach der Ordnung die göttliche Liturgie."
Ähnliche Bestimmungen gibt es auch für das Heilige Blut. Die Möglichkeit, dass die Elemente der Eucharistie verderben, ist also durchaus im Blick.