DOMRADIO.DE: Die Eucharistiefeier geht auf das Letzte Abendmahl von Jesus Christus mit seinen Jüngern zurück. Sie trägt sehr alte Elemente in sich wie die Psalmen. Zentral ist das Glaubensgeheimnis von der Wandlung von Brot und Wein. Warum sollte man ein Glaubensgeheimnis erklären wollen? Dann ist es ja nicht mehr geheim.
Prof. Dr. Marco Benini (Leitung Wissenschaftliche Abteilung des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier): Es geht auch nicht darum, etwas geheim zu halten (lacht). Vielmehr meint Geheimnis, dass es noch größer ist; in den menschlichen Zeichen von Brot und Wein strahlt die Gegenwart und Nähe Jesu Christi auf. Christus ist in Brot und Wein gegenwärtig und kommt zu uns.
Interessanterweise spricht der Apostel Paulus nicht nur vom Geheimnis, sondern vor allem davon, dass das Geheimnis Christi offenbar geworden ist (vgl. Kol 1,26f.), das es also auf uns zukommt, erfahrbar wird und dass die Nähe Jesu eben greifbar, ja sogar schmeckbar wird. Das ist ein großes Geschenk der Eucharistie.
DOMRADIO.DE Heutzutage kann man sich ja viele Fragen zusammengoogeln. Warum braucht es denn da noch ein haptisches Buch, das die Messe erklären will?
Benini: Weil es ein Interesse an der Messe, an dieser Art der Erklärung der Messe gibt. Das Buch geht zurück auf die Eucharistie-Tage "Brannte nicht unser Herz?“, die wir zunächst im Bistum Trier gemacht haben und dann vom Deutschen Liturgischen Institut aus auch online angeboten haben. Da hat mich die Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" gefragt, ob ich nicht die Reihe "Liturgie im Leben" für ein gutes Jahr, 75 Wochen, mit der Erklärung der Messe vom Anfang bis zum Ende gestalten möchte.
Aufgrund der positiven Resonanz ist daraus dieses Buch entstanden. Hintergrund ist die Emmauserzählung im Neuen Testament, die so etwas wie die Grundgestalt der Sonntagsmesse darstellt. Die Emmausjünger sind unterwegs. Jesus kommt hinzu, erklärt das Wort, das ist die Verkündigung im Wortgottesdienst. Sie bitten ihn "Bleib doch bei uns" – das sind die Fürbitten. Dann gehen sie in das Haus hinein. Da sind wir im eucharistischen Teil der Messe: Jesus nahm das Brot, das entspricht der Gabenbereitung. Er sprach den Lobpreis, das ist das Hochgebet, er brach das Brot und gab es ihnen, das entspricht dem Kommunionteil.
Dann gingen ihnen die Augen auf, erkannten ihn als den auferstandenen Jesus und sagten zueinander: „Brannte nicht unser Herz?“ Das Erkennen beim Brotbrechen meint nach Lukas nicht nur den einen Moment, als er das Brot gebrochen hat, sondern die ganze Feier. Im Kopf hatten sie schon zu Beginn vom leeren Grab und seinem Auferstehen gewusst, aber erst jetzt erfassen sie den Auferstandenen selbst sozusagen im Herzen, tief drin. Und das prägt sie so, dass sie mit Freude zurückgehen in ihren Alltag, zurück nach Jerusalem.
Und genau dieser Vollzug soll letztlich auch bei uns in der Heiligen Messe sein. Wir kommen aus dem Alltag, werden beschenkt mit seinem Wort, versuchen es zu verstehen, bitten den Herrn, bringen unser Leben in der Gabenbereitung ein, lassen uns selbst wandeln im Hochgebet, empfangen Christus in der heiligen Kommunion und dürfen dann neu gesendet seine frohen Jünger sein.
DOMRADIO.DE: Sie gehen im Buch die einzelnen Elemente der Messe durch und erklären sie. Für wen ist eigentlich die Erklärung gedacht?
Benini: Für alle, die in die Messe gehen. Es ist nicht für theologischen Spezialisten geschrieben, sondern es geht um ein tieferes Verständnis für alle. Es war die Erfahrung der besagten Eucharistie-Tage, dass Leute gesagt haben: Ja, so habe ich das noch gar nicht wahrgenommen.
Obwohl ich seit Jahrzehnten in die Messe gehe, ist mir manches gar nicht so bewusst: Was sind die biblischen Hintergründe? Was ist die geistliche Bedeutung der einzelnen Zeichen? Manches beim Hochgebet kennt man so, dass es zum einen Ohr rein und zum anderen wieder rausgeht. Und das Buch möchte eben bewusst machen, was wir da beten und feiern, welche Zeichen wir nutzen, um so eine tiefere und bewusstere Feier der Heiligen Messe zu ermöglichen.
DOMRADIO.DE: Sie haben eben schon den Titel genannt: "Brannte nicht unser Herz?" Und man muss ja nüchtern konstatieren, dass heute viele Menschen nicht mehr für die Messe brennen. Zwischen 5 bis 10 % der Katholiken gehen überhaupt noch sonntags zur Messe. Wie kann man denn die Leidenschaft für die Messe wieder etwas aufleben lassen?
Benini: Ich glaube, es braucht eigene Begeisterung. Man muss selber überzeugt sein, dass die Messe etwas ist, das mir in meinem Leben hilft, weil ich da einen Impuls vom Wort Gottes bekomme, weil ich mein Leben vor Gott tragen kann, weil wir in Gemeinschaft beten.
Meines Erachtens ist uns Jesus nirgendwo so nahe wie in der Kommunion, wenn er direkt in mich hineinkommt und mich zu seinem Leib, seinen Jüngern aufbaut. Ich glaube, die beste "Werbung" für die Messe ist nicht in erster Linie ein Buch, sondern vor allem jemand, der selber brennt und eine Freude an Jesus Christus hat, die sich immer wieder nährt aus der Feier der Eucharistie. Damit aber dieses Brennen noch mehr entfacht oder "gefördert" wird, habe ich dieses Buch geschrieben als Versuch, noch tiefer teilnehmen zu lassen an dem, was wir feiern.
DOMRADIO.DE: "Die Messe verstehen. Eucharistisch leben". Das ist ja dann der Untertitel von Ihrem Buch. Da stellt sich die Frage: Eucharistie heißt Danksagung und meint eben die Feier der Messe mit der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut von Jesus Christus. Aber wie kann man denn eucharistisch leben, ohne zum Beispiel Priester zu sein?
Benini: Eucharistisch leben ist für alle, die an der Eucharistiefeier teilnehmen. Zunächst bedeutet es, wie Sie richtig sagen, dass man danksagt, dass man dankbar für das Leben ist, unser Leben fließt ja mit ein in die Eucharistie.
Ich darf mein Leben in der Gabenbereitung mit in die Schale legen. Ich darf nicht nur die Wandlung von Brot und Wein miterleben, sondern letztlich zielt die Messe ja auch darauf ab, dass sie uns wandelt, dass sie uns aufbaut, stärkt und uns aus der Kraft der Eucharistie, aus der Liebe des Herrn leben und wachsen lässt. Insofern zielt dieses eucharistisch leben auf alle ab, die an der Messfeier teilnehmen.
Weil Sie den Priester erwähnt haben. Der sagt: "Das ist mein Leib“, indem er Christus seine Stimme leiht. Christus ist ja der eigentliche Hauptzelebrant, der seinen Leib und Blut gegenwärtig setzt. Aber jeder kann genauso auch sagen: Herr, das ist mein Leib, das ist mein Blut, Herr, das bin ich. Das bringe ich zu dir, ergreife mich in dieser Feier, wandle mich, stärke mich, und so gehe ich in meinen Alltag zurück.
Da ist es oft wie bei Brot und Wein: Sie sehen vor wie nach der Konsekration gleich aus und auch mein Alltag wird meist vor wie nach der Messe derselbe sein. Aber was sich wandeln kann, das bin ich selbst, indem der Herr mir neue Kraft aus seiner Liebe und Gegenwart gibt. Insofern ist eucharistisch leben das Ziel der Feier.
Es geht nicht um einen Ritus allein, sondern dass die Eucharistie hineinwirkt in unseren Alltag; dass wir wie die Emmausjünger neu gesendet werden und aus dieser Dankbarkeit leben können. Eucharistisch leben meint auch, dass Leben und Eucharistie zusammengehören. Mein Leben fließt in die Eucharistie mit ein. Ich vergesse ja nicht, was ich im Alltag mache. Die Menschen zum Beispiel, die mir wichtig sind, die nehme ich ja mit in dieses Gebet. Und zugleich fließt aus der Eucharistie die Kraft zurück in den Alltag hinein.
Das Interview führte Mathias Peter.
Buchtipp: "Brannte nicht unser Herz? Die Messe verstehen - Eucharistisch leben" von Marco Benini (Autor), Verlag Herder.