Studie: Kardinal Jaeger war weder Nazi noch Widerstandskämpfer

Offizier, Wehrmachtspfarrer, Kardinal

Nachdem eine Initiative forderte, Kardinal Jaeger aus der Liste der Paderborner Ehrenbürger zu streichen, wurde eine Forschungskommission eingesetzt. Teilte der Paderborner Erzbischof die Rassenideologie der Nazis? Nein – aber...

Kardinal Lorenz Jaeger (stehend) im Jahr 1967 / © N.N. (KNA)
Kardinal Lorenz Jaeger (stehend) im Jahr 1967 / © N.N. ( KNA )

Der frühere Paderborner Kardinal Lorenz Jaeger (1892-1975) war ein Offizier des Ersten Weltkriegs mit hohen Auszeichnungen und Wehrmachtspfarrer - aber nach einer neuen Studie kein Anhänger der Nazis. Der von 1941 bis 1973 in Paderborn amtierende Erzbischof war aber auch kein Widerstandskämpfer, wie die am Samstag in Paderborn vorgestellte Untersuchung betont.

Der heutige Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hatte 2015 das Forschungsprojekt beauftragt. Anlass war ein Antrag der "Demokratischen Initiative Paderborn" im Stadtrat, Jaeger aus der Liste der Ehrenbürger zu streichen, da er angeblich zur Rechtfertigung der nationalsozialistischen Kriegsverbrechen beigetragen habe. Zwar lehnte der Stadtrat den Antrag mit großer Mehrheit ab, aber die Diskussion ging weiter. Der Vorwurf der Nazi-Nähe wurde schon in den 1960/70er Jahren erhoben, zumal Jaeger manchmal eine soldatische Sprache pflegte und Fotos ihn in Uniform zeigen.

Forscher: "Zeitumstände berücksichtigen"

Die Forschungsgruppe aus Theologen und Historikern mahnte eine "differenzierte Betrachtung" des Kardinals an. Aus ein paar Zitaten aus Predigten oder Hirtenbriefen lasse sich nicht Jaegers Haltung zum NS-Staat ableiten, sagte der Studienleiter und Paderborner Fundamentaltheologe Josef Meyer zu Schlochtern. Die Historiker Joachim Kuropka aus Vechta und Dietmar Klenke aus Paderborn forderten, die Zeitumstände zu berücksichtigen, unter denen Jaeger lebte.

Laut Kuropka war manches, was vermeintlich für eine Nazi-Nähe spreche, damals völlig normal. So könne man dem Kardinal nicht vorhalten, als Religionslehrer dem Verein "Nationalsozialistische Volkswohlfahrt" (NSV) angehört zu haben. "Das war für viele Beamte selbstverständlich."

"Gewisse ideologische Schnittmengen" mit den Nazis

Klenke verwies auf die Prägung Jaegers nach dem Ersten Weltkrieg. In der Ablehnung des Versailler Vertrags und nach der russischen Revolution habe es "gewisse ideologische Schnittmengen" mit den Nazis gegeben. "Heutzutage wissen wir, dass man nationale Abwehrrhetorik nicht zu schnell als nationalsozialistisch bewerten darf." Er habe keinen Beleg dafür gefunden, dass Jaeger das rassenbiologische Denken der Nazis geteilt habe.

Die Forschungsgruppe griff den Angaben zufolge auf bislang nicht erschlossene Akten zu, darunter den Nachlass Jaegers. Nicht mehr berücksichtigt wurden römische Akten aus der Zeit Pius XII. Diese können erst seit März dieses Jahres eingesehen werden, was die Corona-Krise dann wieder verhinderte. Die Dokumente zur Bischofsernennung sind verschlossen, da sie grundsätzlich dem päpstlichen Geheimnis unterliegen.


Kardinal Lorenz Jaeger, Erzbischof von Paderborn. (Aufnahmedatum unbekannt) / © KNA-Bild (KNA)
Kardinal Lorenz Jaeger, Erzbischof von Paderborn. (Aufnahmedatum unbekannt) / © KNA-Bild ( KNA )
Quelle:
KNA
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