Ökumene-Bischof Müller zum Schweizer Minarettverbot

Volksentscheidung über Menschenrecht

Das Schweizer Veto gegen den Bau von Minaretten ist in Deutschland weithin kritisiert worden. "Mit großer Sorge" reagierte die Deutsche Bischofskonferenz auf den Volksentscheid. Der Bischof des Bistums Regensburg, Bischof Dr. Gerd-Ludwig Müller, ist der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz. Im domradio-Interview äußert er sich zu möglichen Folgen der Schweizer Entscheidung.

 (DR)

domradio: Herr Bischof, welchen Schaden richtet diese schweizer Entscheidung aus Ihrer Sicht für den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen an?

Bischof Müller: Ob das ein Schaden ist, muss sich eben noch herausstellen. Es ist eben die Schweizer Verfassung, dass durch eine Volksabstimmung eine solche Frage entschieden werden kann. Was uns bei unserer deutschen Verfassung sicherlich etwas befremdet, ist, dass unterschieden wird: Eine Moschee kann man bauen, das gehört zur Religionsfreiheit - ein Minarett darf man nicht bauen, da wird dann durch eine Volksentscheidung gleichsam ein Menschenrecht, ein Grundrecht eingeschränkt, was meines Erachtens nach unserer Verfassung eigentlich nicht möglich wäre. Da wäre eigentlich das Verfassungsgericht gefragt, um festzustellen, ob das verfassungsgemäß ist und eben nicht eine Volksentscheidung. Das ist der formale Hintergrund des gesamten Geschehens. Wir müssen natürlich sagen, dass wir in einer demokratischen Gesellschaft leben, einem Rechtsstaat und dass jeder Bürger das Recht hat, einzeln aber auch kollektiv, seine Religion zu leben. Und dazu gehören auch die entsprechenden Gebäude. Im Islam eben die Moschee, zu der auch ein Minarett gehört.

domradio: Die deutschen und schweizer Bischöfe betrachten diese Entwicklung mit großer Sorge, besonders auch wegen möglicher Folgen für die Christen in Islamischen Ländern.
Bischof Müller: Das ist natürlich möglich und auch eine Gefahr. Aber man muss natürlich auch den islamisch geprägten Ländern, den Verantwortlichen dort, sagen, dass das nicht einfach eine kirchliche Entscheidung gewesen ist. Die Schweiz ist ja ein säkularer Staat, da muss man auch aus der Sicht arabisch geprägter Welt zu unterscheiden lernen. Dass es bei uns eben einen Unterschied gibt zwischen Staat und Kirche und Religion.

domradio: Die Haltung der Katholischen Kirche ist klar. Zur Religionsfreiheit gehört auch die Freiheit, dem Glauben dienliche Symbole, wie z.B. Gotteshäuser oder eben Moscheen zu errichten. Was glauben Sie, wie wirkt sich die Entscheidung in der Schweiz auf die Beziehung zwischen Christen und Muslimen in unserem Land aus?
Bischof Müller: Hier in Deutschland sind die Beziehungen im Wesentlichen eigentlich doch ganz gut. Sie sind einerseits in Beziehung auf den Staat zu formulieren, der ja ein weltanschaulich neutraler Staat ist und keineswegs jetzt die christlichen Wurzeln ausschalten muss. Es ist nicht einfach so eine blinde Neutralität, die gegenüber den kulturellen und geschichtlichen Gegebenheiten sozusagen völlig desinteressiert wäre, wie das auch in diesem völlig unmöglichen Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg der Fall gewesen ist.

Aber über dieses Problem des Verhältnisses der Religion zum Staat hinaus gibt es ja noch den interreligiösen Dialog, der sozusagen von Kirche zu den islamischen Religionsgemeinschaften geht, wo dann religiöse und theologische Fragen, aber auch Fragen der Ethik, des caritativen Handelns besprochen werden. Ich glaube, man muss man sehr unterscheiden zwischen den Beziehungen des Staates zu den Religionsgemeinschaften und die Beziehung der Religionsgemeinschaften untereinander.

Das ist noch einmal etwas anderes, weil wir, das muss man glaube ich sehr betonen, es doch von islamischer Seite gewohnt sind, dass Staat und Gesellschaft und Religion fast identisch sind. Und bei uns identifiziert man eben auch den Westen mit dem Christentum. Natürlich ist der Westen christlich geprägt, aber die Verfassungsentwicklung seit dem 17, 18. und 19. Jahrhundert geht doch dahin, dass wir hier keinen christlichen Staat haben, sondern Christen in einem demokratischen Staat, wo sie ihr Heimatrecht haben. Eine souveräne Volksentscheidung in einem säkularen Staat wie der Schweiz ist etwas anderes, als etwa die Reaktionsweise in einem christlichen Staat.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

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