NRW benennt Mitglieder für Aufarbeitungskommissionen

"Sicherlich auch kontrollieren"

Nach rund einem Jahr hat die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen fünf Frauen und fünf Männer für die Aufarbeitungskommissionen der Bistümer benannt. Dort sollen die Experten den Missbrauch durch Geistliche aufarbeiten.

Ein Plakat, brennende Opferlichter und ein symbolischer Sarg bei einer Kundgebung von Betroffenen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche am 21. Januar 2022 vor dem Essener Dom. / © Andre Zelck (KNA)
Ein Plakat, brennende Opferlichter und ein symbolischer Sarg bei einer Kundgebung von Betroffenen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche am 21. Januar 2022 vor dem Essener Dom. / © Andre Zelck ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie kommt es überhaupt dazu, dass die Landesregierung Posten in den diözesanen Aufarbeitungskommissionen zu besetzten hat?

Dr. Antonius Hamers (Leiter des katholischen Büros NRW in Düsseldorf): Der Hintergrund ist eine Vereinbarung, die der unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, also der UBSKM, mit der Deutschen Bischofskonferenz getroffen hat. In dieser Vereinbarung geht es um die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in den 27 Diözesen. Die Vereinbarung sieht vor, dass in den einzelnen Bistümern Aufarbeitungskommissionen eingerichtet werden und dass die entsprechenden Landesregierungen zwei Vertreter je Bistum benennen.

Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)

DOMRADIO.DE: Was qualifiziert die Männer und Frauen für die Aufgabe in den Aufarbeitungskommissionen?

Hamers: Es müssen Leute sein, die etwas zur Aufarbeitung beitragen können, die eine Qualifikation haben. Das Land NRW hat sich zur Auflage gesetzt, dass jeweils ein Mann und eine Frau in diese Kommissionen gehen. Außerdem sollen die Leute sich entweder im wissenschaftlichen Bereich qualifiziert haben; in der Justiz gearbeitet haben, zum Beispiel als Richter oder als Staatsanwälte; im Bereich der Jugendverwaltung oder aus dem Bereich der Jugendpolitik kommen. Also sie sollen eine Expertise mitbringen. Wenn ich die Namen sehe, die die Landesregierung uns benannt hat, ist das nach meinem Dafürhalten gelungen. Zehn an der Zahl, jeweils eine Frau und ein Mann für jedes der fünf Bistümer.

DOMRADIO.DE: Der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, hat die Liste aber nicht nur an Sie, sondern auch an den Landtagspräsidenten geschickt. Am Donnerstag soll sogar im Landtag über die Namen beraten werden. Wieso das?

Synodaler Weg plant "Schuldbekenntnis" zu Missbrauch

Vor dem Hintergrund der jüngsten Missbrauchsgutachten plant das katholische Reformvorhaben Synodaler Weg einen Arbeitskreis zum Thema "Schuldbekenntnis". Bei der Synodalversammlung in Frankfurt bezeichnete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, das Gutachten aus München und Freising als "Beben". Er fügte hinzu: "Es wird nicht das letzte gewesen sein – andere Diözesen werden folgen. Und jedes Mal werden wir wieder mit tiefen Abgründen konfrontiert, die mich mit Scham erfüllen."

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

Hamers: Das sind zwei parallele Prozesse. Diese Liste mit den Namen geht selbstverständlich an die katholische Kirche, an die fünf Bistümer. Der Prozess fing vor einem Jahr damit an, dass ich dem Chef der Staatskanzlei geschrieben habe. In dem Schreiben habe ich darum gebeten, dass das Land jeweils zwei Leute für die Aufarbeitungskommissionen der fünf Bistümer benennt. Daher ist die Liste mit den benannten Vertretern wiederum an mich gegangen. Ich habe die Namen an die Bistümer weitergegeben.

Der zweite Prozess geht auf eine Anfrage im Hauptausschuss des Landtages zurück. Der Hauptausschuss ist unter anderem für das Verhältnis von Kirche und Staat zuständig. Daher hat der Hauptausschuss eine Anfrage zum Sachstand in der Frage der Aufarbeitungskommission an die Staatskanzlei gestellt. Als Antwort hat Nathanael Liminski als Chef der Staatskanzlei die Liste an den Landtag geschickt und hat berichtet, dass die Benennung durch das Land für die fünf Bistümer für die Aufarbeitungskommission nun abgeschlossen ist. Solche Anfragen gehen immer über den Landtagspräsidenten an den Hauptausschuss des Landtages.

DOMRADIO.DE: Bedeutet die Entsendung von Vertretern des Landes in die Bistümer denn, dass die Bistümer die Aufarbeitung allein nicht hinbekommen hätten oder sogar, dass die Bistümer ihre Verantwortung abgeschoben haben?

Hamers: Nein, das bedeutet es nicht. Der Prozess ist ausdrücklich in der gemeinsamen Erklärung vom UBSKM und Bischofskonferenz vorgesehen. Mit den Vertretern der Landesregierung neben den Betroffenenvertretern und Bistumsvertretern soll sichergestellt werden, dass die Aufarbeitungskommissionen unabhängig arbeiten. Außerdem bringen die Landesvertreter zusätzliche externe Expertise in die Aufarbeitungskommission mit ein.

Die Vorbereitungen sind in den Bistümern schon weitgehend abgeschlossen, damit die Aufarbeitungskommission wirklich installiert werden können. Diese Kommissionen werden in absehbarer Zeit - sicherlich zeitnah - zusammentreten. Sie müssen sich dann darüber verständigen, wie sie arbeiten wollen und welche Untersuchungsgegenstände sie aufgreifen wollen. Das Arbeitsprogramm wird sicherlich auch von den Aufarbeitungs- und Untersuchungsgutachten, die alle fünf Bistümer in Auftrag gegeben haben, geprägt sein.

In Köln und Aachen liegen die Gutachten bereits vor. Münster wird im Juni dieses Jahres vorlegen; das Bistum Essen voraussichtlich im September und das Erzbistum Paderborn voraussichtlich Anfang nächsten Jahres. Auf dieser Grundlage werden die Aufarbeitungskommission weitere Arbeitsaufträge erteilen, Untersuchungen anstellen und vor allem die Aufarbeitung in den Bistümern begleiten, aber sicherlich auch kontrollieren.

Das Interview führte Florian Helbig.

Quelle:
DR