Das Christentum und die Sache mit der Reinheit

"Nicht von außen, sondern von innen"

Hygiene und Reinheit spielen in Zeiten der Corona-Pandemie eine besonders große Rolle. Am Donnerstag ist "Welttag des Händewaschens" und wir fragen: Wie halten es die Religionen mit der Reinheit?

Autor/in:
Hannah Krewer
Symbolbild für Sauberkeit / © Gyvafoto (shutterstock)

Hände waschen, Hände desinfizieren, Maske tragen: In den letzten Monaten sind Hygienevorschriften allgegenwärtig geworden. Sie dienen dem Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus - auch in den Gottesdiensten aller Kirchen und Religionsgemeinschaften. Die Religionen kennen aber neben dem Prinzip der Hygiene noch eine weitere Dimension der Reinheit.

Einteilung der Welt in "rein" und "unrein"

In vielen Religionen ist das Thema der Reinheit sehr präsent und die Welt wird in "rein" und "unrein" eingeteilt. So kennen das Judentum und der Islam verschiedene rituelle Waschungen, insofern der Mensch "unrein" ist – diese Unreinheit stammt meistens von der Berührung bestimmter Personen oder Gegenstände. Daran knüpfen auch die Speisevorschriften beider Religionen an, bestimmte Lebensmittel, etwa Schweinefleisch, nicht zu konsumieren. Ähnlich wird in manchen Formen des Hinduismus dem rituellen Bad wie auch dem Reinigen der Hände oder dem Ausspülen des Mundes eine große Bedeutung zugemessen.

Reinheit im Christentum: Nicht von außen, sondern von innen ...

Entsprechend des Jesuswortes "Nicht das, was durch den Mund in den Menschen hineinkommt, macht ihn unrein, sondern was aus dem Mund des Menschen herauskommt, das macht ihn unrein" (Mt 15,11) kennt das Christentum keine rituellen Waschungen. Auch die wenigen Speisevorschriften des Christentums – etwa das Fastengebot an Aschermittwoch und Karfreitag – haben keinen Bezug zum Thema der Reinheit, sondern andere Gründe; an Karfreitag geht es beispielsweise um Respekt und Trauer angesichts der Kreuzigung Christi.

… dennoch: Beispiele für beides

Dennoch findet sich der Gedanke der Reinheit eher versteckt in vielen Bereichen des Christentums. Im Zuge von Reformen während der sogenannten "Karolingischen Renaissance" im 5. bis 9. Jahrhundert kam, trotz des Jesuswortes aus dem neuen Testament, die Idee des "Dienstes der reinen Hände" auf: das Berühren von Blut galt für Priester als unrein. Auch der Gedanke, dass ein aktives Sexualleben die Priester verunreinigt und er so keine Messe feiern sollte – damals war der Zölibat noch nicht verpflichtend – spielte eine große Rolle und Versuche kamen auf, diesen Ideen durch die Stärkung des Zölibats etwas entgegenzusetzen.

Zudem finden sich viele Anhaltspunkte dafür, die Sünde als eine Art spirituelle Unreinheit anzusehen; dies entspricht auch eher dem Anliegen des Jesuswortes, dass Unreinheit von innen kommt. So macht die katholische Kirche etwa die Zulassung zur Kommunion an bestimmten Kriterien fest, die als Einteilung in "rein" (zugelassen/nicht sündig) und "nicht rein" (sündig/nicht zugelassen) verstanden werden könnte. Die Beichte wäre dann im übertragenen Sinne eine spirituelle "Waschung", um wieder in den Zustand der Reinheit zu gelangen.

Wer im Moment eine katholische Kirche betritt, findet die Weihwasserbecken am Eingang leer vor. In Zeiten der Corona-Pandemie wären sie ansonsten gefährliche Orte, um sich zu infizieren. Dabei steckt auch dahinter eigentlich die Idee der Reinheit. Es geht aber nicht um die – im Moment so wichtige – Handhygiene, sondern um die Erinnerung an die eigene Taufe. Wer getauft wird, so glaubt die katholische Kirche, wird nach der Lehre des Heiligen Augustinus von der Erbsünde befreit. Die Bekreuzigung mit dem Weihwasser sorgt also nicht für hygienische Reinheit, sondern erinnert die Christen an ihre spirituelle Reinheit.

Reinheit oder Hygiene?

Wie kommt es, dass die Idee der Reinheit in vielen Religionen – in der ein oder anderen Weise – so eine große Rolle spielt? Dahinter stecken ursprünglich keine hygienischen Gründe, auch wenn regelmäßige Säuberungen natürlich Hygiene begünstigen. Vielmehr galten Reinigungen schon sehr früh in erster Linie als symbolischer Akt. Ein prominentes Beispiel der Antike ist sicherlich Pontius Pilatus, der seine Hände nach der Verurteilung Jesu in Unschuld gewaschen haben soll.

Diese symbolische Vorstellung von Reinheit ging dann in die einer hygienischen Reinheit über, als ein Gynäkologe im 19. Jahrhundert die Beobachtung machte, dass es bestimmte gefährliche Substanzen und unsichtbare Organismen gibt, die durch direkten Kontakt weitergegeben werden können. Wenn der Priester sich nach der Gabenbereitung die Hände wäscht, ist also die Interpretation, dass er die Hostie und damit Gott selbst nicht "kontaminieren" soll, eine sehr moderne. Die Vorschrift, dass der Priester den Leib Christi mit "reinen" Händen berühren soll, weshalb vor der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils sogar mehrere Waschungen für den Priester vorgesehen waren, basierte ursprünglich auch auf dem Gedanken einer kultischen Reinheit.

Reinheit und Religion in Corona-Zeiten

Die Hygienevorschriften, die im Zuge der Corona-Pandemie wie in allen Bereichen des öffentlichen Lebens auch für Gottesdienste aller Religionsgemeinschaften gelten, sind natürlich auch keine religiösen Rituale, sondern eine einfache Notwendigkeit: Maßnahmen wie das Desinfizieren der Hände oder auch das Tragen einer Maske dienen wie auch das Leeren der Weihwasserbecken der Unterbindung von Infektionen mit dem Virus. Aber das Einhalten der Vorschriften kann in Zeiten einer Pandemie vielleicht auch das Bewusstsein dafür schärfen, bei der Ausübung religiöser Tätigkeiten nicht nur "reinen Herzens" zu sein, sondern auch der besonderen Verantwortung für seine Mitmenschen gerecht zu werden.


Ein Muslim bei einer rituellen Waschung / © mirzavisoko (shutterstock)
Ein Muslim bei einer rituellen Waschung / © mirzavisoko ( shutterstock )

Geräte für rituelle Waschungen im Judentum / © mtsyri (shutterstock)
Geräte für rituelle Waschungen im Judentum / © mtsyri ( shutterstock )

Desinfektion einer Kirche / © Cristian Gennari (KNA)
Desinfektion einer Kirche / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
DR
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