Nicht nur Wittenberg hat eine antijüdische Schmähskulptur

Beispiele für den Umgang mit einem schwierigen Erbe

An diesem Montag verhandelte der Bundesgerichtshof über die Wittenberger "Judensau". Wie andernorts mit antijüdischen Skulpturen an Kirchen umgegangen wird, zeigt ein kleiner Rundgang durch Regensburg, Bamberg und Köln.

Autor/in:
Leticia Witte
Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild (KNA)
Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild ( KNA )

Sie sind an mehreren Dutzend evangelischen und katholischen Kirchen zu finden: Es geht um Darstellungen wie das mittelalterliche Schmährelief an der Wittenberger Stadtkirche, das als "Judensau" bekannt ist. Solche antijüdischen Skulpturen sind hochumstritten. Der Wittenberger Fall landete vor Gericht - und wird an diesem Montag vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt.

Relief und bisherige Rechtsprechung

Was ist auf dem Relief in etwa vier Metern Höhe zu sehen? Dargestellt ist ein Rabbiner, der den Schwanz eines Schweins anhebt und ihm in den After schaut. Zwei weitere, abfällig als Juden karikierte Figuren saugen an den Zitzen des Tieres - das Schwein gilt im Judentum als unrein. Seit 1988 erinnern ein Mahnmal und eine Informationstafel an den historischen Zusammenhang, in dem die Schmähplastik entstand.

Ein Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Deutschland hatte gefordert, dass das Relief entfernt wird: Die Darstellung beleidige Juden antisemitisch. Das Oberlandesgericht Naumburg entschied 2020, dass die Sandsteinskulptur an der Außenfassade der Kirche bleiben darf, der Straftatbestand der Beleidigung sei nicht erfüllt. Die Zurschaustellung der Plastik verletze nicht die Ehre von Juden, weil das Relief aus dem 13. Jahrhundert inzwischen in ein Gedenkensemble "mit anderem Sinn" eingebettet sei.

Ein Informationstext bringe unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich die Kirchengemeinde vom verhöhnenden und beleidigenden Charakter der Plastik und der Missachtung von Juden distanziere. Allerdings, so der Richter, habe das Relief - isoliert betrachtet - beleidigenden Inhalt. Der Kläger wollte es dabei nicht bewenden lassen und legte Revision ein, über die nun der 6. Zivilsenat des BGH verhandelt.

Kein Einzelfall

Die Schmähskulptur in Wittenberg ist kein Einzelfall, und über den Umgang mit anderen Darstellungen solcher oder ähnlicher Art wird auch andernorts diskutiert. Zum Beispiel in Regensburg. Dort soll eine "Judensau"-Darstellung an der Außenfassade des Doms in diesem Jahr eine neue Informationstafel bekommen. Darauf hatten sich Vertreter von Staat, jüdischer Gemeinde und katholischer Kirche verständigt.

Der Text, der unter anderem "Judensau"-Darstellungen als "zu Stein gewordenen Antisemitismus" bezeichnet, soll auch in Englisch angebracht werden. Und nicht nur das: Der Antisemitismusbeauftragte von Bayern, Ludwig Spaenle, hatte ankündigt, vertiefende Informationen bereitzustellen. Auch müssten Touristenführer entsprechend ausgebildet werden, hieß es. Sein Sprecher kündigte nun auf Anfrage an, dass der neue Text zeitnah angebracht werde.

Kennzeichnung mit Informationsmaterial

Der neue Erklärtext liegt auf der Linie der Ende 2020 vorgestellten Vereinbarungen eines bayernweiten Runden Tisches. Demnach sollen antijüdische Darstellungen nicht aus ihrem baulichen Kontext entfernt, sondern an ihrem Platz beschrieben, bewertet und eingeordnet werden.

Das passiert auch in Bamberg. Dort geht es nicht um eine "Judensau", sondern um die Darstellung der Synagoga, einer mittelalterlichen antijüdischen Statue im Bamberger Dom. Wie mit ihr und der Gegenfigur Ecclesia umgegangen werden soll, wurde intensiv diskutiert. Nun liegt ein Zehn-Punkte-Plan bereit. Er sieht vor, dass beide Statuen am Ort bleiben und mit Informationsmaterial in ihren historischen und kulturellen Kontext eingeordnet werden. Geplant ist neben weiteren Maßnahmen auch eine mehrsprachige App mit Informationen.

"Der Kölner Dom und 'die Juden'"

Eine andere Stadt, in der man sich Gedanken über ein schwieriges Erbe macht, ist Köln. Im Domforum war 2021 eine Schau über Juden diffamierende Darstellungen eröffnet worden. Denn auch im weltberühmten Dom gibt es eine "Judensau"-Darstellung, hier aus dem 14. Jahrhundert. Hinzu kommt unter anderen ein Relief eines angeblichen Ritualmords - solche Gerüchte führten in der Geschichte immer wieder zu Pogromen gegen Juden.

Zudem erschien die Publikation "Der Kölner Dom und 'die Juden'". Mitgewirkt haben Vertreter der Synagogen-Gemeinde in Form eines Geleitwortes, in dem auf Positionen zum Umgang mit judenfeindlichen Darstellungen eingegangen wird: entfernen oder belassen und kritisch einordnen? "Der Prozess der abschließenden Meinungsbildung ist auf jüdischer Seite in vollem Gange", heißt es.

Quelle:
KNA
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