Bundesgerichtshof verhandelt über Schmähskulptur "Judensau"

Kläger fordert die Entfernung

Der Bundesgerichtshof will sich an diesem Montag mit dem Streit um ein antijüdisches Schmährelief an der Wittenberger Stadtkirche befassen. Es geht um ein Urteil aus der Vorinstanz und die Auseinandersetzung mit antijüdischem Erbe.

Bundesgerichtshof / © Uli Deck (dpa)
Bundesgerichtshof / © Uli Deck ( dpa )

In der Vorinstanz hatte das Oberlandesgericht Naumburg 2020 entschieden, dass die als "Judensau" bezeichnete Sandsteinskulptur an der Außenfassade der Kirche bleiben darf. Ein Kläger fordert die Entfernung, weil die Plastik Juden antisemitisch beleidige. Er hatte nach dem Naumburger Urteil Revision eingelegt, über die nun der 6. Zivilsenat des BGH verhandelt.

Oberlandesgericht verwies auf Informationstext und Gedenkensemble

Das Oberlandesgericht urteilte, der Straftatbestand der Beleidigung sei nicht erfüllt. Die Zurschaustellung der Plastik "verletzt nicht die Ehre der Juden", weil das Relief aus dem 13. Jahrhundert inzwischen in ein Gedenkensemble "mit anderem Sinn" eingebettet sei, so das Gericht. Ein Informationstext bringe unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich die Kirchengemeinde vom verhöhnenden und beleidigenden Charakter der Plastik und der Missachtung von Juden distanziere. Der Richter räumte aber ein, dass das Relief isoliert betrachtet beleidigenden Inhalt habe.

Wittenberg: Ein Davidstern ist auf einem Mahnmal unterhalb der Stadtkirche zu sehen / © Hendrik Schmidt (dpa)
Wittenberg: Ein Davidstern ist auf einem Mahnmal unterhalb der Stadtkirche zu sehen / © Hendrik Schmidt ( dpa )

Nach Auffassung des Beauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für den Kampf gegen Antisemitismus, Christian Staffa, ist der Streit um antijüdische Skulpturen an oder in Kirchen nicht auf juristischem Weg zu klären. Vielmehr müssten die vielen kirchlichen Zeugnisse antijüdischer Haltung und Praxis "als Anlass zur Umkehr von aller Judenfeindschaft genommen werden".

"Fraglos eine Schmähung"

Die Skulptur stelle "fraglos eine Schmähung dar und kann so nicht bleiben", betonte Staffa. Dies gelte ebenso für ein Wittenberger Cranach-Altarbild. In ihnen verdichte sich "auf obszöne Weise" die lange Geschichte christlichen Antijudaismus und Antisemitismus. Es stelle sich die Frage, "ob wir noch unter und vor diesen Bildern unsern Glauben bekennen können, zu dem heute die unmissverständliche Aussage gehören muss: Antisemitismus ist Sünde".

Dennoch würde es nach seiner Ansicht zu kurz greifen, die Skulpturen einfach von den Kirchen zu entfernen. "Denn antijüdische Geschichte lässt sich nicht ungeschehen machen, indem man ihre Zeugnisse abschlägt und glättet", betonte Staffa.

Auseinandersetzung mit antijüdischem Erbe

Der Rechtsstreit könne unabhängig von seinem Ausgang die Aufgabe nicht erledigen, sich der antijüdischen Geschichte zu stellen und diesen Prozess auch sichtbar zu machen, erklärte Staffa. Davon zeugten die neuen Bemühungen nicht nur der Wittenberger Gemeinde, weitere Formen der Auseinandersetzung mit ihrem antijüdischen Erbe zu finden.

Auf dem Relief in etwa vier Metern Höhe an der Wittenberger Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546) ist ein Rabbiner zu sehen, der den Schwanz eines Schweins anhebt und ihm in den After schaut. Zwei weitere Juden saugen an den Zitzen des Tiers. Das Schwein gilt Juden als unrein. Seit Jahrzehnten erinnern ein Mahnmal und eine Informationstafel an den historischen Zusammenhang, in dem die Schmähplastik entstand. Ähnliche Darstellungen finden sich an rund 30 evangelischen und katholischen Kirchen im deutsch geprägten Kulturraum.

Das Stichwort: Die Wittenberger "Judensau"

Das Sandsteinrelief wurde um das Jahr 1300 an der Südfassade der Stadtkirche Wittenberg angebracht. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein.

Mit solchen Darstellungen sollten Juden im Mittelalter unter anderem davon abgeschreckt werden, sich in der jeweiligen Stadt niederzulassen. Ähnliche Spottplastiken finden sich auch am oder im Kölner und Regensburger Dom sowie am Dom zu Brandenburg.

Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild (KNA)
Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild ( KNA )
Quelle:
KNA