Neue Foto-Ausstellung dokumentiert Ende der DDR

Das verwundete Land

"Noch gibt es keine Sagen und keine Nationalgeschichte zu dieser Zeit", betont Dieter Vorsteher, Kurator der neuen Berliner Foto-Ausstellung "Das Jahr 1989. Bilder einer Zeitenwende". 20 Jahre seien vielleicht noch zu früh für eine kollektive Aufarbeitung. Noch gebe es nur viele, widersprüchliche Geschichten und ebenso viele Verdrängungen. Die Schau, die an diesem Samstag im Deutschen Historischen Museum für das Publikum öffnet, solle die Zeit des Umbruches daher chronologisch und "streng ikonographisch" aufarbeiten, erklärt Vorsteher.

 (DR)

"Viele der Fotos sind vertraut", so DHM-Stiftungs-Präsident Hans Ottomeyer. "Aber auch andere Bilder, die bislang niemand kennt, haben das Zeug zu Ikonen." Tatsächlich präsentiert die Ausstellung mit 235 Aufnahmen eine gelungene Mischung aus Dokumentation und künstlerischem Anspruch, aus Bildern berühmter Fotografen und Schnappschüssen von Bürgerrechtlern.

So fängt gerade Gerhard Gäblers verschwommene Momentaufnahme "Verhaftung von Demonstranten nach einer nicht genehmigten Liebknecht-Luxemburg-Demonstration" vom 15. Januar 1989 in ihrer Unschärfe die Atmosphäre der Monate vor dem Mauerfall besonders wirkungsvoll ein.

Keine einheitliche Perspektive
Untergliedert ist die Schau in vier Themenräume. Den Prolog bildet "Die bleierne Zeit" mit einem Rückblick auf die 80er Jahre. Eine unendliche Tristesse offenbart sich dem Betrachter. In der "Mittagspause im VEB Eisengießerei Erla" hängen zwei Arbeiter tief in ihren Sesseln und starren vor sich hin - zwischen ihnen leere Bierflaschen. Auch die heruntergekommene "Straßenecke" in Ost-Berlin von Gundula Schulze Eldowy zeugt lediglich von Zerfall und weckt keine nostalgischen Gefühle. "Von der friedlichen Revolution zur Einheit" und "Internationale Politik" lauten zwei weitere Themenschwerpunkte. Der vierte widmet sich dem Blick des Westens auf die Menschen und Ereignisse in der DDR.

Wie schnell sich Mythen bilden, belegt Co-Kuratorin Carola Jüllig anhand des berühmten Motivs auf dem Ausstellungsplakat, das jubelnde Menschenmassen auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor zeigt. Anders als allgemein angenommen, hätten sich nicht Ost- und Westberliner in den Armen gelegen, sondern zu 99 Prozent ergriffene Menschen aus dem Westen. Die Ost-Berliner habe es stattdessen an die Grenzübergänge in der Invalidenstraße und der Bornholmer Straße gezogen.

Vorsteher sieht in diesem Beispiel einen Anstoß, sich um eine historisch korrekte Sicht auf die Wendezeit zu bemühen. Selbst im DHM, dessen Belegschaft zur Hälfte aus der DDR stammt, gebe es keine einheitliche Perspektive: "Um so wichtiger ist es, eine gemeinsame Geschichte zu schreiben. Denn nur so kann zusammenwachsen, was zusammenwachsen will", so der Kurator.

Hinweis: Die Schau ist bis zum 30. August täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr zu besichtigen. Der Katalog kostet 15,00 beziehungsweise 19,80 Euro.