Neue Forderungen nach Aufnahme verfolgter Iraker

"Jetzt nicht weiter warten"

Dass sich die Abgeordneten von Union und SPD in einem Bundestagsausschuss einmütig gegen die Bundesregierung stellen, ist selten. Dass ihnen zwar die Grünen, aber nicht Liberale und Linke beispringen, macht es bemerkenswert. Am Freitag kam es im Bundestags-Menschenrechtsausschuss dazu.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Nach einer frühmorgendlichen Besprechung forderten Schwarze, Rote und Grüne die Bundesregierung beim Streit um die Aufnahme verfolgter Iraker zum sofortigen Handeln auf. Die Not der Menschen sei so groß, die Gewalt gerade gegen Christen in den vergangenen Wochen noch einmal dermaßen eskaliert, dass Flüchtlinge, die keine Perspektive auf Rückkehr in den Irak hätten, in Deutschland Aufnahme finden sollten. Damit gibt es eine weitere Etappe im monatelangen Ringen darum, ob Deutschland oder die EU-Staaten Flüchtlinge aufnehmen sollen.

Wie dramatisch die Lage ist, schilderte der chaldäische Patriarch Emmanuel III. Delly in dieser Woche vor der Weltbischofssynode im Vatikan. Er sprach von Autobomben und Selbstmordattentaten, Entführungen und ermordeten Priestern, nannte das Leben der Christen im Irak einen «Leidensweg». Man kann nur vermuten, dass Delly kaum damit rechnete, dass der Synodenbeitrag auch öffentlich transportiert würde. Denn gemeinhin äußern sich die Repräsentanten der Christen im Irak, hinter denen eine rund 1.900-jährige Tradition steht, zurückhaltender.

Einen Tag nach Dellys Äußerung befasste sich der Menschenrechtsausschuss in Berlin mit dem Thema. Die Art und Weise, wie ein Vertreter des Bundesinnenministeriums den Abgeordneten berichtete, sorgte dort, wie es heißt, für Empörung. Das Ministerium verwies auf eine nun geplante Reise einer neuen, europäischen «Tatsachenfindungskommission» Anfang November nach Amman und Damaskus. Sie könne dann Empfehlungen für das weitere Vorgehen der EU erarbeiten, die die EU-Innenminister termingerecht Ende November beraten könnten. Im Tross der Kommission sind vermutlich auch drei
Deutsche: zwei Vertreter des Ministeriums sowie ein Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

«Viel zu spät» komme diese Initiative, befanden die Abgeordneten. Die Lage der Flüchtlinge auch in den Nachbarstaaten - 1,3 Millionen von ihnen halten sich in Syrien auf, 600.000 in Jordanien - sei so bedrohlich, dass sofort dringender Handlungsbedarf bestehe. Die Bundesregierung solle sich für eine deutsche Kontingentlösung einsetzen und die Innenminister der Länder zu einem unverzüglichen Handeln bewegen.

Seitens der Bundesregierung wird der düsteren Einschätzung der Abgeordneten nicht widersprochen. Außenamts-Sprecher Jens Plötner sprach von einer «insgesamt problematischen» Menschenrechtslage und bestätigte auch die neuen Berichte über eine gezielte Verfolgung irakischer Bürger christlichen Glaubens. Sein Haus sei im Dialog mit der chaldäischen Kirche. Immerhin waren im Sommer auf Einladung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mehrere der Bischöfe zu Gesprächen im Ministerium.

Plötner verwies auch auf Bemühungen, mit der Regierung in Bagdad Schritte zum Schutz der christlichen Minderheit zu erörtern. Ähnlich äußerte sich der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Karl Jüsten. Der Prälat, der in diesem Jahr wie einige Abgeordnete auch schon in der Region war, mahnte nach der Resolution des Bundestags-Menschenrechtsausschusses erneut ein doppeltes Vorgehen an: den Flüchtlingen außerhalb des Irak, die keine Rückkehroption haben, sofort helfen, zugleich in Bagdad auf einen stärkeren Schutz der im Land verbliebenen Christen drängen.

Aber vorerst scheint der Fahrplan des Innenministeriums festzustehen. Es gelte, die Erörterungen der EU-Innenminister Ende November abzuwarten. Falls diese Runde, die sich schon mehrfach ohne Verständigung mit dem Thema befasst hatte, sich einige, werde Deutschland sicher «seinen Anteil leisten».