Nach ihrem Debakel in Hessen will die SPD Klarheit über ihren Kurs schaffen

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Nach ihrem Debakel in Hessen erhofft sich die SPD an diesem Montag Klarheit über ihren künftigen Kurs im Wiesbadener Landtag und gegenüber der Linkspartei. Mit Spannung wird dabei der erste Auftritt von Parteichef Kurt Beck nach einer zweiwöchigen Grippeerkrankung erwartet.

 (DR)

Bereits am Sonntagabend war die engere SPD-Spitze zu einer Krisensitzung in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin zusammengekommen. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Nach der Präsidiumssitzung wird Beck am Nachmittag vor Journalisten Auskunft über die aktuelle Lage seiner Partei geben. SPD-Generalsekretär Heil hatte bereits am Sonntag erklärt, wegen der unsicheren Mehrheitsverhältnisse sehe er derzeit keine Basis für eine rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen.

Heil zufolge wird die SPD daher vorerst die geschäftsführende Regierung unter dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) mit "sozialdemokratischen Inhalten" konfrontieren. Zugleich distanzierte sich Heil von Angriffen auf die hessische SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger. SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti hatte Metzger zum Mandatsverzicht aufgefordert, da sie sich weigert, für eine von der Linkspartei tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu stimmen.

Der konservative Seeheimer Kreis der SPD stellte sich am Wochenende hinter Beck als Parteivorsitzenden, rieten ihm aber zum Verzicht auf die Kanzlerkandidatur. Seeheimer-Sprecher Gerd Andres sagte: "Ich erwarte, dass SPD-Chef Kurt Beck persönlich Verantwortung für die verfahrene Situation übernimmt, in der sich die SPD befindet. Für meinen Begriff hat sich seine Kanzlerkandidatur erledigt, weil er aus der Glaubwürdigkeitskrise nicht herauskommt."

Stiegler verteidigt Beck
Dagegen verteidigte SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler Beck. "Der SPD-Chef hat keine Fehler gemacht", betonte er. Beck habe klargestellt, dass über Koalitionen in den Ländern vor Ort auf Landesebene entschieden werde. "Hier sollte man den Blick nach Hessen richten und nicht versuchen, den Parteivorsitzenden zum Sündenbock zu machen", sagte Stiegler.

Mehrere linke SPD-Politiker warnen derweil in einem Thesenpapier vor einer "dogmatischen Kooperationsverweigerung" gegenüber der Linkspartei. Autoren sind Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner, Bremens ehemaliger Landesvorsitzender Detlev Albers und der Schriftsteller Johano Strasser.

Die Frage nach dem Dogma
In dem Papier heißt es, das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung Deutschlands hätten der Spaltung zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten die historische Grundlage entzogen. "Wir halten es für verhängnisvoll, wenn jetzt aus dem Streit über die Regierungspolitik der rot-grünen oder der großen Koalition erneut das Gegeneinander zweier linker Parteien hervorgeht." Programm und politische Praxis der SPD müssten so gestaltet werden, dass sich die Linke als konkurrierende Alternative erübrige. Falls dies nicht gelinge, dürfe die SPD eine Zusammenarbeit mit der Linken nicht dogmatisch verweigern.

Auch nach Ansicht des SPD-Linken Karl Lauterbach darf die SPD als Konsequenz aus dem hessischen Debakel auf keinen Fall erneut Bündnisse mit der Linkspartei in den westdeutschen Bundesländern grundsätzlich ausschließen. "Rot-rot-grüne Bündnisse sind die einzige strategische Option für die SPD, in den Ländern nach und nach die Bundesratsmehrheit der Union zu brechen", sagte er.

Von Manfred Rey (ddp)