Nach 25 Jahren kehrt Diktator Jean-Claude Duvalier nach Haiti zurück

Wiedergänger der Macht

Er ist wieder da. Fast auf den Tag 25 Jahre nach seiner Flucht ins französische Exil ist Jean-Claude Duvalier, genannt "Baby Doc", überraschend in seine Heimat Haiti zurückgekehrt. Über seine Motive kann Adveniat-Experte Michael Huhn im Interview mit domradio.de auch nur mutmaßen.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

"Ich bin gekommen, um zu helfen", sollen seine ersten Worte bei der Ankunft gewesen sein. Dazu zeigten Fernsehbilder einen maskenhaft erstarrten Endfünfziger, der unsicher in die Menge winkte, die sich am Flughafen der Hauptstadt Port-au-Prince zu seiner Begrüßung eingefunden hatte. Duvalier, der Gerüchten zufolge an Krebs erkrankt sein soll, wirkte wie ein Schatten seiner selbst. Doch mit ihm kehren zugleich die Schatten der Vergangenheit über den krisengebeutelten Karibikstaat zurück.



Unter den vielen Despoten in der rund 200-jährigen Geschichte Haitis ragen Jean-Claude und sein Vater Francois "Papa Doc" Duvalier (1907-1971) heraus. "Selbst für haitianische Verhältnisse waren diese beiden ein Extremfall", resümiert Autor und Haiti-Experte Hans Christoph Buch. Terror, Korruption und Willkür erreichten ungeahnte Ausmaße. Bis zu 100.000 Menschen sollen während ihrer rund drei Jahrzehnte dauernden Herrschaft getötet worden oder auf Nimmerwiedersehen verschwunden sein - die meisten durch die von "Papa Doc" installierten Schlägertrupps der "Tontons Macoute".



Warum "Baby Doc" ausgerechnet jetzt zurückkehrt, bleibt auch anderen Experten ein Rätsel. Er rechne nicht damit, dass der Ex-Diktator für ein politisches Amt kandidieren wolle, sagt Autor Buch. Dennoch gleicht die Situation auf gespenstische Weise dem Amtsantritt von "Baby Docs" Vater 1957. Damals wie heute gab es ein Patt bei den Präsidentschaftswahlen. Und damals wie heute ist der Ruf nach einem "starken Mann" an der Spitze zu hören.



Vielleicht aber ist auch alles ganz anders. Viel zu verlieren hat Duvalier nämlich nicht. Seit seiner Flucht am 7. Februar 1986 war es still um "Baby Doc" geworden. Ein Großteil seines Vermögens ging ihm in familiären Auseinandersetzungen verloren - und der Zugriff auf die immer noch rund sieben Millionen US-Dollar in der Schweiz dürften ihm demnächst endgültig entzogen werden. Am 1. Februar tritt in der Eidgenossenschaft ein Gesetz in Kraft, das die Rückgabe sogenannter Potentatengelder vorsieht.



Zwei Affären und eine Predigt

Das plötzliche Auftauchen des "Präsidenten auf Lebenszeit" könnte also ein wenn auch makabrer Publicity-Gag eines Despoten sein, der sich nach öffentlicher Aufmerksamkeit und dem Wohlwollen seines traumatisierten Volkes sehnt. Während seiner Amtszeit, die er als 19-Jähriger begann, fuhr der Motorradfan gern mit seiner Maschine und Säcken voller Geld in die Elendsviertel, um die Scheine unter den jubelnden Bewohnern zu verteilen.



"Das Genick brachen ihm schließlich zwei Affären und eine Predigt", sagt Haiti-Kenner Buch. Im Zuge der Aids-Pandemie wurde der schwunghafte Handel Haitis mit HIV-verseuchtem Blutplasma und tiefgefrorenen Leichen publik. Dabei kam heraus, dass die Spender wie die Leichen meist aus den Armenvierteln stammten. Buch: "Wie in einem schlechten Horrorfilm saugte das Regime also selbst die Ärmsten der Armen buchstäblich aus." Auch eine angeblich von den USA erzwungene Notschlachtung kranker Schweinebestände belastete die letzte Phase der Duvalier-Diktatur.



Die entscheidende Wende aber hatte zuvor bereits Papst Johannes Paul II. bei seinem Haiti-Besuch 1983 gebracht. Seine Kritik "Hier muss sich etwas ändern" machte in ihrer kreolischen Fassung "Fok sa change" die Runde. Die damals rund 5.000 christlichen Basisgemeinden griffen den Slogan auf; kirchliche Sender wie Radio Soleil und Radio Lumiere verbreiteten die Parole bis in die hintersten Winkel des Landes. "Die Unruhe schwoll zu einem Orkan an, dem "Baby Doc" 1986 schließlich weichen musste", bilanziert Buch.



Die oppositionellen Kräfte von damals sind nach Ansicht von Beobachtern auch jetzt gefragt, um den gespenstischen Wiedergänger an der Macht zu verhindern - selbst wenn derzeit so gut wie alles gegen ein Comeback Duvaliers spricht. "Auf jeden Fall aber ist seine Rückkehr ein zusätzliches Element der Destabilisierung", so der Autor, der selbst haitianische Vorfahren hat. Von dem vielbeschworenen Neubeginn nach dem Erdbeben vor einem Jahr sei nun jedenfalls weniger denn je die Rede.