Ein Jahr nach der Erdbebenkatastrophe hat sich in Haiti nur wenig getan

Fortschritte im Schneckentempo

Zwölf Monate nach dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar 2010 blickt die Welt erneut auf Haiti - und ist entsetzt über die katastrophalen Zustände auf der Karibikinsel. Mit einem nationalen Gedenktag will die Regierung erinnern. Viel mehr hat sie bislang nicht auf die Beine gestellt.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Immer noch hausen mehr als eine Millionen Menschen in den vielen Zeltlagern, die sich wie ein riesiger Flickenteppich durch die Hauptstadt Port-au-Prince ziehen. Rund 250.000 Menschen ließen ihr Leben, so zumindest schätzt es die haitianische Regierung.



Dass in Haiti überhaupt noch etwas funktioniert, dafür sorgen die vielen Hundert, wenn nicht sogar Tausende Hilfsorganisationen. Offiziell registriert sind zwar nur 500, doch in Wirklichkeit sind es weit mehr. Ohne ihre von privaten Spenden finanzierte Hilfe wäre Haiti noch viel schlimmer dran, als es jetzt ohnehin schon ist.



"Hier braucht man Ausdauer"

"Die Hilfe hier ist kein 100-Meter-Lauf, sondern ein echter Marathon. Hier braucht man Ausdauer", berichtet Patricio Luna von Caritas International. Immer wieder gibt es Rückschläge: Tropenstürme, Cholera-Epidemie und eine dilettantisch durchgeführte Präsidentschaftswahl haben die ohnehin schon leidgeprüften Haitianer noch einmal herausgefordert.



Und dennoch: Es gibt Fortschritte. In Städtchen Fort Hugo unweit von Port-au-Prince baut Caritas International eine neue Siedlung. Woche für Woche ziehen Familien aus einem Zeltlager in die neue, bescheidene, aber katastrophensichere Unterkunft. Tröpfchenweise entleert sich auf diese Weise das riesige Meer von Armut und Hoffnungslosigkeit. Am Ende des Projektes sollen rund 4.000 neue Häuser stehen, ein enorme Aufgabe und doch im Vergleich zur tatsächlichen benötigten Zahl an neuen Heimstätten nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.



"Man kann sich vorstellen, wie lange es dauert, bis alle Menschen wieder ein Dach über dem Kopf haben", sagt Luna. Am Geld liegt es nicht: "Alle Spenden landen auch bei den Menschen." Es ist der bürokratische Hürdenlauf, der den vielen Helfern das Leben schwer macht. Haitis Verwaltung liegt auch nach einem Jahr noch komplett in Trümmern, und dort wo Beamte wieder Stempel auf Papiere setzen, wird auch gerne nebenbei die Hand aufgehalten.



Wachsende Ungeduld

Die Ungeduld auf der Insel wächst: "Die Leute sehen, dass es nur langsam vorwärts geht", sagt Luna. Und doch verhält sich die überwiegende Mehrheit der Haitianer friedlich und besonnen. Wer seit Jahrzehnten gewohnt ist, sich selbst helfen müssen, der arrangiert sich auch mit dieser Situation. Eine andere Wahl haben sie nicht.



Wie es politisch mit dem Land weitergeht, steht noch in den Sternen. Irgendwann bis Ende Februar soll der zweite, entscheidende Urnengang stattfinden, der die Nachfolge des verhassten Präsidenten Rene Preval klären soll. Doch bislang ist nicht einmal klar, wer überhaupt zur Wahl stehen wird. Noch immer warten die Haitianer auf ein verbindliches Ergebnis des von Wahlmanipulationen überschatteten ersten Durchgangs im November. Vielleicht ist die Erwartungshaltung des Rests der Welt an das durch Diktatur und Naturkatastrophen ausgeblutete Land aber auch einfach überdimensioniert. Patricio Luna sieht es pragmatisch: "Die Dimension der Katastrophe ist einfach zu groß."