Multireligiöse Onlinefeier zum Gedenken an Erdbebenopfer

"Das Gebet kennt keine Grenzen"

Nach dem schweren Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion lädt das christlich-islamische Forum Köln für diesen Dienstagabend zu einer gemeinsamen Zeit des Gebets ein. Aber wie beten Angehörige verschiedener Religionen zusammen?

Muslim im Gebet / © Afrandee Bulan (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wer ist denn für die christliche und wer für die islamische Seite dabei?

Prof. Dr. Thomas Lemmen (Mitarbeiter des Referats Dialog und Verkündigung des Erzbistums Köln und Leiter des Studiengangs für Interreligiöse Dialogkompetenz an der Katholischen Hochschule NRW): Dem christlich-islamischen Forum gehören Vertreterinnen und Vertreter der fünf Bistümer in Nordrhein-Westfalen an, also auch des Erzbistums Köln sowie der drei evangelischen Landeskirchen und insgesamt neun muslimischen Organisationen.

Da sind große Gemeinschaften wie Ditib, Millî Görüş, Islamische Kulturzentren und Zentralrat der Muslime dabei, aber auch kleinere Gemeinschaften wie das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen, die Deutsche Muslim-Liga oder auch die Sufi Gemeinschaft Maktab Tarighat Ovyssi aus Düsseldorf.

Thomas Lemmen / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Lemmen / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie läuft ein solches multireligiöses Gebet ab?

Lemmen: Das läuft so ab, dass die jeweiligen Gemeinschaften für sich beten. Man betet nicht zusammen, sondern es gibt ein muslimisches Gebet und ein christliches Gebet, man ist zugegen, wenn die anderen beten. Es werden also muslimische Texte vorgetragen und gebetet und es werden christliche Texte vorgetragen. Das alles geschieht nacheinander.

Man ist dann zugegen, kann diese Texte mitlesen, sie mitverfolgen. Das Verbindende ist, dass wir auf unsere Weise, aber doch gemeinsam unsere Bitten zu Gott tragen und sie publik machen.

DOMRADIO.DE: Dieses gemeinsame Gebet findet nicht an einem Ort statt, sondern an ganz vielen Orten gleichzeitig. Die Menschen verbinden sich über Zoom. Ist das liturgisch ein gangbarer Weg?

Lemmen: Die Corona-Pandemie hat uns gelehrt, solche Mittel zu nutzen. Klassischerweise trifft man sich an einem Ort. Während der Pandemie konnte man das nicht. Da haben wir schon fünf- oder sechsmal zu solchen Gebeten eingeladen. Das Gebet kennt keine Grenzen, also kann man es auch online machen.

Die Chance besteht darin, dass damit viele Menschen aus unterschiedlichen Orten teilnehmen können und nicht alle an einen Ort reisen müssen.

Multireligiöse und interreligiöse Feier

Die "multireligiöse Feier" ist ein Treffen, bei dem Menschen verschiedener Religionen je für sich aus ihrer eigenen Tradition heraus formulierte Gebete in Anwesenheit von Gläubigen anderer Religionen sprechen. So wird in der Anwesenheit der anderen und an einem gemeinsamen Ort das eigene Bekenntnis vertreten, aber es werden keine gemeinsamen Gebete gesprochen.

Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto (shutterstock)
Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Gebet ist für alle, die von diesem schrecklichen Erdbeben betroffen sind. Was steht da inhaltlich im Mittelpunkt?

Lemmen: Man denkt zunächst, das Erdbeben sei weit weg. Aber viele Menschen hier mitten unter uns haben Angehörige, die in der Region leben. Das heißt also, es ist nicht weit weg, sondern unter uns sind viele Menschen, die in Ohnmacht sind, die sich hilflos fühlen, die um Angehörige bangen, die sich wirklich Sorgen machen.

Es bewegt uns alle. Es ist eine Katastrophe, die die Menschen über die Religionsgrenzen hinaus bewegt. Gemeinsam wollen wir unsere Sorge zum Ausdruck bringen, unser Gebet an Gott richten und damit auch Menschen aufrütteln, füreinander einzustehen.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich, was für eine Signalwirkung von diesem gemeinsamen Gebet ausgehen soll?

Lemmen: Erstmal, dass sich möglichst viele Menschen beteiligen, dass viele dabei sind, damit auch nochmal deutlich wird, dass es nicht nur um die Menschen geht, die fern von uns sind, sondern auch um die, die in unserer Mitte sind. Auch die brauchen in der nächsten Zeit Hilfe und Unterstützung.

Da wird sicherlich sehr viel auf uns zukommen, wenn es darum geht, Betroffenen beizustehen, ihnen zu helfen, mit ihrer Not und der Ohnmacht fertig zu werden. Mal abgesehen von den ganz handfesten materiellen Dingen, die jetzt anlaufen müssen. Auch da ist jeder gefordert, seinen Anteil zuzugeben.

DOMRADIO.DE: Wenn jemand mitbeten möchte, wie ist das möglich?

Lemmen: Es gibt das Internetportal www.christenundmuslime.de und auch umgekehrt www.muslimeundchristen.de, das führt zum selben Ziel. Dort findet man die Texte und dort findet man dann auch einen Link, um sich Dienstagabend um 18.30 Uhr dazu zuschalten.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR