Erzbischof Schick kritisiert Lieferkettengesetz

"Mit dem was drinsteht, bin ich nicht zufrieden"

Die Bundesregierung hat sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Ab 2023 sollen Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorgaben gezwungen werden. Erzbischof Ludwig Schick geht das nicht weit genug. 

Indien: Eine Frau sortiert Baumwolle für den Baumwollmarkt / © Piyal Adhikary (dpa)
Indien: Eine Frau sortiert Baumwolle für den Baumwollmarkt / © Piyal Adhikary ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was halten Sie von diesem Entwurf, sind Sie zufrieden damit?

Erzbischof Ludwig Schick (Erzbischof von Bamberg): Ich bin froh, dass es nach vielen Jahren des Kampfes einen Entwurf gibt. Aber mit dem, was drinsteht, bin ich nicht zufrieden. Das ist ein erster Schritt, der noch sehr, sehr ausbaufähig ist.

DOMRADIO.DE: Welche Schritte müssen denn noch folgen?

Schick: Zum Beispiel muss klarer formuliert werden, wer genau überwacht und welche Sanktionen bei Verstößen gegen das Lieferkettengesetz möglich sind. All das ist noch nicht klar. Und vor allen Dingen stellt sich die Frage, wen es genau betrifft. Bisher soll es nur die ganz großen Firmen betreffen. Aber gerade in der Kleiderindustrie und anderen Branchen sind ja kleinere Firmen beteiligt.

DOMRADIO.DE: Was fehlt denn außerdem noch?

Schick: Es fehlen klare Sanktionen gegen die, die verstoßen. Das sind bei den Lieferketten oft sehr viele. Da sind zum Beispiel die, die die Baumwollfelder haben und dort Kinder einsetzen, Hungerlöhne zahlen oder eben keine Sicherheitsstandards für die Arbeiterinnen und Arbeiter haben. Das nächste wäre dann etwa die Produktion der Stoffe. Dann wird ja noch weiter geliefert, bis es endlich in den Laden in Deutschland kommt. Da sind ganz viele Schritte und das ist alles nicht genügend geklärt.

DOMRADIO.DE: Die FDP hat diesen Entwurf kritisiert. Sie sagt, dass die Investitionsbereitschaft von Firmen in Entwicklungsländern dadurch Schaden nehmen könnte. Können Sie so einem Argument folgen?

Schick: Nein, weil es auch ganz viele Wissenschaftler gibt, die sagen, dass es auf Dauer der gesamten Wirtschaft auch in Deutschland nützen und nicht schaden wird. Wenn man die Menschenrechte auf Dauer verletzt, gibt es Konflikte, gibt es Kriege, gibt es Auseinandersetzungen. Das sind Faktoren, die in der Wirtschaft auch eine Rolle spielen und eine immer größere Rolle spielen werden.

Was das Lieferkettengesetz auch in Augenschein nimmt und letztlich verhindern will, ist die Umweltschädigung. Die trifft uns alle da. Da gibt keine Grenzen. Durch Arbeitsbedingungen, die die Natur ausbeuten und Menschenrechte verletzen, werden Situationen geschaffen, die uns auf Dauer alle schädigen.

DOMRADIO.DE: Können Unternehmen das überhaupt leisten, dass es keine Kinderarbeit in ihren Lieferketten gibt?

Schick: Das ist möglich. Wir wissen das heute schon, und da helfen uns auch die neuen Medien. Das ist eigentlich nicht das Problem. Das ist auch bei all den Diskussionen, die da geführt wurden, schon deutlich geworden. Es ist mehr der Wille, etwas umzusetzen, was man weiß und worüber man Kenntnis hat oder haben kann.

DOMRADIO.DE: Wie praktikabel wäre dann so ein Gesetz, um tatsächlich etwas an den Arbeitsbedingungen, insbesondere auch in Entwicklungsländern zu verändern?

Schick: Es ist so, dass es eine Aufsichtspflicht von den Unternehmen in Deutschland gibt, woher sie ihre Waren bekommen. Wichtig wäre außerdem, dass diese Firmen gezwungen werden, wenn Verstöße da sind, auch entsprechend zu agieren und zu reagieren. Firmen müssen sanktioniert werden. Wenn deutsche Firmen sich nicht an dieses Gesetz halten, dann müssen sie selbst bestraft werden können. Das ist im Gesetz bisher ausgeschlossen, dass es auch eine Haftungspflicht für die deutschen Firmen gibt. Das wäre sehr wichtig.

Das Interview führte Carsten Döpp. 


Erzbischof Ludwig Schick / © Angelika Zinzow (KNA)
Erzbischof Ludwig Schick / © Angelika Zinzow ( KNA )
Quelle:
DR
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