Misereor nutzt Internationalen Tag der Gerechtigkeit für Klima-Appell

"Anliegen vulnerabler Gruppen ein Gesicht geben"

Ob bei Ölprojekten in Mosambik oder beim Streit um grünen Wasserstoff in Kenia: Misereor vernetzt Partnerorganisationen, um die Folgen der Klimakrise sichtbar zu machen. Das Hilfswerk steht dabei für klare politische Forderungen.

Autor/in:
Annika Weiler
Der Globale Süden leidet unter dem Klimawandel / © Scott Book (shutterstock)
Der Globale Süden leidet unter dem Klimawandel / © Scott Book ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie setzt sich Misereor konkret für Klimagerechtigkeit sowohl in Deutschland als auch in den Partnerländern ein?

Madleine Wörner (Misereor) (MISEREOR)
Madleine Wörner (Misereor) / ( MISEREOR )

Madleine Wörner (Miseror, zuständig für Politik und Globale Zukunftsfragen / Energie): Bei Misereor ist Klimagerechtigkeit ein ganz großes Thema. Es gibt viele verschiedene Ansätze. Wir verfolgen durch politische Einflussnahme, zivilgesellschaftliche Vernetzung und konkrete Projektarbeit einen mehrdimensionalen Weg.

DOMRADIO.DE: Können Sie ein Beispiel nennen?

Wörner: Vor etwa einem Monat waren Partnerorganisationen aus Uganda und Mosambik in Deutschland. Wir arbeiten gemeinsam am Thema fossiler Ausstieg. Gerade durch die steigende europäische Nachfrage steigt der Druck auf Länder wie Uganda oder Mosambik. Anstatt in erneuerbare Energien zu investieren, fließen europäische Gelder etwa von "TotalEnergies" aus Frankreich oder ENI aus Italien in neue Öl- und Gasprojekte. Dabei kommt es zu schweren Menschenrechtsverletzungen wie Vertreibungen, Enteignungen und Umweltzerstörung.

DOMRADIO.DE: Wie reagieren Ihre Partnerorganisationen auf diese Entwicklungen?

Wörner: Unsere Partner waren vor Ort und haben das Leid, das daraus entstanden ist, Entscheidungsträgerinnen und -trägern im Bundestag und in Ministerien direkt geschildert, aber auch bei Bildungsveranstaltungen, zum Beispiel während der "Hamburg Sustainability Week" oder in einer Kirche platziert.

Genau das ist Misereors Ansatz, Stimmen aus dem globalen Süden nach Deutschland, in politische Prozesse und in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir wollen deutlich machen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn Menschenrechtsverletzungen mit europäischen Geldern im Ausland geschehen, selbst wenn damit hierzulande wirtschaftlicher Wohlstand gerechtfertigt wird. Das ist ein No-Go. So versuchen wir, gemeinsam mit unseren Partnern Klimagerechtigkeit durch Solidarität und Zusammenarbeit voranzubringen.

DOMRADIO.DE: Gibt es noch ein weiteres Beispiel?

Wörner: In den letzten Jahren gab es einen großen Push in Richtung "grüner Wasserstoff". Das war ja auch in den Medien sehr präsent. Für unsere Partnerorganisationen hat das unmittelbare Auswirkungen. Projekte zur Produktion von grünem Wasserstoff brauchen große Flächen, viel Wasser und Energie. Das sind Ressourcen, die in vielen Ländern des Globalen Südens ohnehin knapp sind. 

In Kenia zum Beispiel haben sich deswegen zivilgesellschaftliche Koalitionen gebildet, die aus menschenrechtlicher Perspektive, mit Blick auf Schutzmechanismen eng mit deutschen Akteuren zusammenarbeiten.

Konzept grüner Wasserstoff / © Bulent camci (shutterstock)
Konzept grüner Wasserstoff / © Bulent camci ( shutterstock )

Das ist sehr inspirierend, wenn die praktische Arbeit vor Ort mit politischen Prozessen zusammenkommt, die oft durch europäische Interessen mitgeprägt sind.

DOMRADIO.DE: Und wie sieht das Engagement von Misereor in Deutschland selbst aus?

Wörner: Wir halten viele Vorträge und veranstalten Workshops, zum Beispiel im Rahmen der Klima-Allianz Deutschland oder bei Netzwerktreffen. Ich war zum Beispiel vor drei Wochen auf einem Musikfestival und habe dort unsere Klimaarbeit sowie unsere Aktivitäten bei den internationalen UN-Klimakonferenzen gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen vorgestellt.

Auch hier geht es uns darum, den Anliegen vulnerabler Gruppen ein Gesicht zu geben und politische Forderungen mit einzubringen.

DOMRADIO.DE: Wie wirkt sich der Klimawandel speziell auf marginalisierte oder einkommensschwache Bevölkerungsgruppen aus?

Wörner: Wenn man auf die Weltkarte schaut, dann sieht man dass dort, wo Menschen besonders verletzlich sind, die Folgen der Klimakrise etwa durch extreme Hitze, Überschwemmungen oder Dürren am stärksten sind. Das ist das Dramatische, denn die Menschen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, sind am stärksten betroffen. Diese Ungerechtigkeit ist zentral.

Madleine Wörner

"Die Klimakrise bringt dramatische Folgen mit sich – vor allem für besonders verletzliche Gruppen."

DOMRADIO.DE: Können Sie dafür konkrete Auswirkungen nennen?

Wörner: Etwa das höhere Risiko für Extremwetter wie Hitzewellen, Überschwemmungen oder zerstörte Ernten. Landwirtschaftliche Rücklagen fallen weg. Wenn der Meeresspiegel steigt, sind vor allem informelle Siedlungen betroffen, denn sie liegen oft in Küstennähe. Millionen Menschen verlieren ihr Zuhause, Böden versalzen, Lebensräume werden zerstört. Ganze Inseln könnten unbewohnbar werden. Die Klimakrise bringt dramatische Folgen mit sich, vor allem für besonders verletzliche Gruppen.

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist internationale Kooperation, um Klimagerechtigkeit zu fördern?

Wörner: Sie ist absolut essenziell. Wenn wir anerkennen, dass wir in einem global ungerechten System leben, dann brauchen wir Kooperation, wie etwa in Form verbindlicher Finanzierungszusagen. Klimaschutz muss weltweit möglich sein. Es braucht auch Ausgleichszahlungen für Schäden, die durch die Klimakrise bereits entstanden sind.

Solarstromanlage in einem senegalesischen Dorf / © Alejandro_Molina (shutterstock)
Solarstromanlage in einem senegalesischen Dorf / © Alejandro_Molina ( shutterstock )

Wichtig ist auch der Technologietransfer, etwa beim Thema Solarenergie oder Geothermie. Das Know-how darf nicht nur im globalen Norden bleiben. Es ist gut zu sehen, dass viele afrikanische Länder heute selbstbewusster auftreten und ihr Wissen einbringen. Das kann beim Aufbau nachhaltiger Infrastruktur sehr hilfreich sein.

Und Misereor spielt eine wichtige Rolle beim Brückenbauen, zum Beispiel über internationale Plattformen, strategische Allianzen und zivilgesellschaftliche Netzwerke. Dort zeigt sich internationale Kooperation ganz konkret. Und dort entsteht auch Solidarität und Zusammenhalt weltweit, über Grenzen hinweg. Das ist zentral, um Menschenrechte, Mitsprache und Teilhabe global zu sichern.

Das Interview führte Annika Weiler.

Bischöfliches Hilfswerk Misereor

Misereor ist das weltweit größte kirchliche Entwicklungshilfswerk. Es wurde 1958 von den katholischen Bischöfen in Deutschland auf Vorschlag des damaligen Kölner Kardinals Josef Frings als Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt gegründet.

Der Name bezieht sich auf das im Markus-Evangelium überlieferte Jesuswort "Misereor super turbam" (Ich erbarme mich des Volkes). Sitz des Hilfswerks ist Aachen.

Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor (MISEREOR)
Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor / ( MISEREOR )
Quelle:
DR

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