Immer mehr Hundertjährige in Deutschland

Methusalem lässt grüßen

Sie haben eine Zeitreise durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts gemacht. Immer mehr Menschen in Deutschland werden 100 Jahre alt oder älter. Wissenschaftler arbeiten daran, die Lebensspanne weiter auszudehnen.

Autor/in:
Christoph Arens
Senioren / © Robert Kneschke (shutterstock)

Methusalem lässt grüßen. Die Zahl der Hundertjährigen in Deutschland ist stark gestiegen. 2020 waren hierzulande 20.465 Menschen 100 Jahre alt und älter, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag in Wiesbaden mit. Darunter 80 Prozent Frauen. 

100-jährige haben viel erlebt

Ein Rekord. Im Vergleich zu 2019 stieg ihre Zahl um mehr als 3.500. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung war 2020 mit 0,025 Prozent deutlich höher als noch 2011 (0,018 Prozent). Manche von ihnen haben eine Zeitreise durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts gemacht.

Alle haben Ebert, Hindenburg und Hitler als Staatsoberhäupter erlebt, Adenauer und Brandt als Kanzler oder Ulbricht und Honecker als DDR-Chefs. 

Lebenserwartung steigt weiterhin

Der Zugewinn an Lebenszeit vollzieht sich in hohem Tempo. Allein im 20. Jahrhundert stieg die durchschnittliche Lebenserwartung um etwa 30 Jahre. Der Trend zur Langlebigkeit dürfte sich angesichts von medizinischem Fortschritt und steigendem Wohlstand fortsetzen - falls nicht Epidemien und andere Katastrophen die Lebensspanne verkürzen.

Inzwischen könnte nach Berechnungen des Rostocker Max-Planck-Instituts für demografische Forschung hierzulande jedes dritte neugeborene Mädchen das hundertste Lebensjahr erreichen. Und jeder zehnte heute in Deutschland geborene Junge.

Ältester Mensch der Welt lebte fast 45.000 Tage

Als bislang ältester Mensch der Welt gilt Jeanne Louise Calment, die 1997 im Alter von 122,45 Jahren - nach 44.724 Tagen - starb. Sie musste zeitlebens nicht hart arbeiten und fuhr bis ins hohe Alter täglich mit dem Fahrrad. Sie malte, praktizierte Rollerskating und jagte.

Wie Jeanne Calment erreichen heute weltweit immer mehr Menschen ein biblisches Alter. 2019 waren nach Angaben der Vereinten Nationen auf dem Globus rund 533.000 Männer und Frauen hundert Jahre oder älter.

Gerade seit der Jahrtausendwende hat es einen deutlichen Anstieg gegeben: Damals waren es erst etwa 150.000. Laut UN leben die meisten Menschen über hundert Jahren in den USA, gefolgt von Japan, China, Indien und Brasilien. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl hat aber Japan die Nase vorn.

Was verlängert das Leben?

Auffällig ist, dass in reichen Ländern besonders viele Hochaltrige leben. Gerade einmal 0,3 Prozent kommen aus Ländern in der unteren Einkommensgruppe - also aus Ländern mit schlechter Gesundheitsversorgung und zu wenig Nahrungsmitteln.

Aber was genau verlängert so rasant das erreichbare Lebensalter? Weltweit arbeiten Wissenschaftler an dieser Frage. Besonders intensiv im Silicon Valley, wo Milliardäre wie Amazon-Gründer Jeff Bezos, Facebook-Chef Mark Zuckerberg sowie die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin Unsummen in Alters- und sogar Unsterblichkeitsforschung stecken. Lebensverlängerung als Steckenpferd.

Grundsätzlich ließen sich dabei zwei Richtungen ausmachen, wie Spiegel-Autor Thomas Schulz in einem 2018 erschienenen Buch über Zukunftsmedizin schreibt: Auf der einen Seite diejenigen, denen es vor allem darum geht, die Spanne zu verlängern, in der Menschen im vollen Besitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte sind.

Ist Unsterblichkeitsforschung ethisch vertretbar?

Auf der anderen Seite stehen die Unsterblichkeits-Visionäre. Sie gehen davon aus, dass der menschlichen Lebenszeit kein festes biologisches Ende gesetzt ist und dass man sie um Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte verlängern könnte.

Da gibt es Wissenschaftler, die die Genome von hochaltrigen Menschen entschlüsseln und nach Strukturen suchen, die Langlebigkeit begünstigen. Da gibt es Forscher, die durch Verjüngung von Blut Reparaturprozesse anstoßen wollen.

Und da gibt es Erkenntnisse der Telomeren-Forschung: Je länger diese Schutzkappen am Ende menschlicher Chromosome desto länger das Leben. Wenn Zellen altern und die Chromosomenenden verlieren, sterben die Zellen früher ab und mit ihnen der Mensch.

Wie erginge es der Welt mit mehr Hundertjährigen?

Die Biologie ist das eine. Wie die Gesellschaft auf eine Welt mit vielen Hundertjährigen oder Zweihundertjährigen reagieren würde, ist das andere. Droht Erstarrung oder profitiert die Menschheit von so viel Lebenserfahrung?

Wie sehr das Thema fasziniert, zeigt sich auch am Erfolg des 2009 erschienenen Schelmenromans von Jonas Jonasson: "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" ist einer der meist verkauften internationalen Bestseller.

Gedenktag für Großeltern und Senioren

Am 25. Juli 2021 fand der erste Welttag der Großeltern und alten Menschen statt. An dem neuen Gedenktag, den Papst Franziskus ausgerufen hat, könne man mit älteren Menschen zusammenkommen und Geschichten und Erlebnisse austauschen, sagte der katholische Familienbischof Heiner Koch im Vorfeld.

"Alte Menschen, ob sie nun selbst Großeltern sind oder nicht, tragen einen Schatz an Lebens- und Glaubenserfahrung mit sich, den es unbedingt lohnt, mit den nachfolgenden Generationen, ihren Enkelinnen und Enkeln, zu teilen und lebendig zu halten."

Symbolbild Großeltern, Enkel / © dotshock (shutterstock)
Symbolbild Großeltern, Enkel / © dotshock ( shutterstock )
Quelle:
KNA