Ulrich Hemel begrüßt 3G-Regel aus Unternehmersicht

"Mehr Klarheit als wir jetzt haben"

Es sollen die Weichen für den Corona-Winter gestellt werden. Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz könnte bald die 3G-Regel am Arbeitsplatz gelten. Ulrich Hemel begrüßt die Maßnahme aus Unternehmersicht, sieht aber noch offene Fragen.

Symbolbild 3G-Pflicht am Arbeitsplatz / © Bihlmayer Fotografie (shutterstock)
Symbolbild 3G-Pflicht am Arbeitsplatz / © Bihlmayer Fotografie ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: 3G am Arbeitsplatz - Wie finden Sie das aus Unternehmersicht?

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel (Vorsitzender des Bundes katholischer Unternehmer): Zunächst mal sind Unternehmer auch mitverantwortlich für die Gestaltung ihrer Umwelt. Da kann ich nur sagen, dass ich die Maßnahme begrüße, denn sie schafft mehr Klarheit als wir jetzt haben. Ob die Klarheit vollständig ist, ist eine andere Frage.

Beispielsweise wie oft wir getestet werden: jeden Tag, jede Woche, jeden Monat? Ich denke einmal pro Woche, zweimal pro Woche ist schon notwendig, ist aber natürlich auch ein Aufwand.

Ein zweiter Punkt ist, ob wir denn überhaupt das Recht haben, die Angestellten zu fragen, ob sie geimpft sind oder nicht. Da gab es eine Diskussion, dass der Datenschutz dagegen stünde. Hier - meine ich - geht aber Gesundheitsschutz vor Datenschutz.

DOMRADIO.DE: In der Praxis gibt es da tatsächlich nur ein paar Fragen zu klären. Arbeitgebern droht ein Bußgeld, wenn sie den Status der Mitarbeiter nicht kontrollieren. Sie müssen die Abfrage zudem dokumentieren. Das hört sich nach jeder Menge Bürokratie an.

Hemel: Das ist ein Trend der letzten Jahre. Arbeitgeber tragen erheblich zum Gemeinwohl bei, nicht nur durch die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, sondern eben auch durch das Zahlen von Steuern und viele andere Dinge, die sie ja viel stärker mit der Gemeinwohlorientierung vernetzen, als es vor 20 oder 30 Jahren der Fall war.

Nun aber den Arbeitgebern immer mehr Bürokratie aufzuladen, das stößt schon auf Verstimmung. Wobei ich sagen muss, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen die Maßnahmen, so wie sie jetzt kommen, durchaus einsehen. Denn wir wollen ja einen Beitrag zu einer gesunden und so gesehen auch wirtschaftlich leistungsfähigen Bevölkerung leisten.

DOMRADIO.DE: Wenn sich Beschäftigte der 3G entziehen, muss der Arbeitgeber versuchen, ein Arbeiten ohne direkten Kontakt zu anderen zu ermöglichen. Ist das realistischerweise immer umsetzbar?

Hemel: Das ist ein bisschen aus dem Buch "Als Wünschen noch geholfen hat". Stellen Sie sich vor, Sie haben beispielsweise ein Lager, wo kommissioniert wird. Da müssten die Menschen schon miteinander anpacken. Wie soll das anders gehen? Des Weiteren müssten Räume vorgehalten werden.

Das scheint mir alles ein bisschen schwierig zu sein, denn hier ist die Last wirklich einseitig auf den Arbeitgeber verteilt. Wer sich nicht impfen lässt, der muss dann auch für sich selbst die Folgen abwägen.

Es gibt aber - und das muss auch gesagt werden - Ausnahmen, also beispielsweise Menschen, die in einer Risikoschwangerschaft sind und Menschen, die gesundheitlich nicht geimpft werden können. Das sind Fälle, die sind noch nicht durchdacht.

DOMRADIO.DE: Die zum 1. Juli aufgehobene Homeoffice-Pflicht, die soll auch wieder aktiviert werden. So richtig hat das schon im letzten Corona-Winter nicht funktioniert. Ist das nicht alles immer auch ein Problem mangelnder Kontrolle?

Hemel: Kontrolle ist ja nur ein Aspekt. Der andere Aspekt ist der soziale Zusammenhalt, den es in einem Betrieb natürlich schon auch gibt. Der dritte Aspekt - oft vergessen - ist die Überlastung speziell von Menschen mit kleineren Kindern und hier speziell von Frauen. Wir merken das auch im Betrieb.

Diejenigen sind am stärksten belastet, die kleine Kinder haben und dort wiederum am stärksten belastet sind tatsächlich die Alleinerziehenden mit kleinen Kindern.

DOMRADIO.DE: Was soll jetzt mit Arbeitnehmern passieren, die sich weigern?

Hemel: Zunächst einmal spreche ich jetzt aus Sicht des Unternehmers. Wenn der Gesetzgeber ein solches Gesetz verabschiedet und die Verantwortung für das "Nicht impfen" beim Ungeimpften liegt, dann muss die Person auch die Folgen tragen.

Das heißt, hier scheint mir eine Lohnfortzahlung tatsächlich ungerecht zu sein. Denn das würde ja bedeuten, dass ich dann, wenn ich mich nicht impfen lasse, mein Gehalt bekomme, aber gar nicht zu arbeiten brauche. Das scheint mir merkwürdig zu sein.

DOMRADIO.DE: Und was passiert womöglich mit Unternehmern, wo dann viele Arbeitnehmer ausfallen?

Hemel: Das ist schon heute ein ganz großes Problem. Wir haben einen Fachkräftemangel. Wir haben durchaus auch Situationen, wo Menschen sich ganz leicht anders orientieren können. Das verschärft die Lage und es mindert tatsächlich die Leistungsfähigkeit unseres volkswirtschaftlichen Systems.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Ulrich Hemel

Professor Dr. Dr. Ulrich Hemel ist seit 2018 Direktor des Weltethos-Instituts in Tübingen und seit 2004 Direktor des von ihm begründeten Instituts für Sozialstrategie. 2017 übernahm er den Vorsitz des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU).

Hemel studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Katholische Theologie, Philosophie und Sprachwissenschaften in Mainz und Rom. Es folgten verschiedene Lehrtätigkeiten und bald auch Aufgaben in der Wirtschaft, etwa als Projektleiter, Manager und Vorsitzender von Geschäftsleitungen.

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel / © Daniel Hemel (KNA)
Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel / © Daniel Hemel ( KNA )
Quelle:
DR
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