McCarthy will Sprecher des US-Kongresses werden

Konservativ mit Schönheitsfehlern

Der Republikaner Kevin McCarthy fiel bisher nicht als religiöser Eiferer auf. Zur Abtreibung hat er schon unterschiedliche Haltungen bezogen. Das könnte ihm die Arbeit als Sprecher des US-Kongresses erschweren.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Der Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy / © Susan Walsh (dpa)
Der Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy / © Susan Walsh ( dpa )

Der rechte Flügel der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus traut Kevin McCarthy nicht ganz über den Weg.

Dabei hat der bisherige Minderheitsführer auf dem Papier alle Qualifikationen, um von seiner Partei am Dienstag zum Speaker des 118. Kongresses gewählt zu werden. Der zweifache Familienvater stammt aus dem konservativen Bakersfield in Kalifornien, gehört "als stolzer Christ" einer baptistischen Kirche an und wird von der "Susan B.

Anthony List" als Abtreibungsgegner gelobt, der sich "stets für den Schutz der Ungeborenen" eingesetzt hat.

Hauchdünne Mehrheit

Dass seine Wahl zur Zitterpartie gerät, liegt an der hauchdünnen Mehrheit von nur fünf Stimmen. Nach Schätzungen von Insidern dürften es bis zu 30 Abgeordnete der Republikaner sein, die McCarthy seine Verbundenheit zur konservativen Bewegung nicht ganz abkaufen. Den Partei-Rechten missfällt, dass der Möchtegern-Speaker Donald Trump wegen dessen Rolle während des Aufstands am 6. Januar 2021 kritisiert hatte. Ferner nehmen sie dem 57-Jährigen nicht ab, ein konsequenter Abtreibungsgegner zu sein.

Eine Abtreibungsbefürworterin konfrontiert einen Abtreibungsgegner / © Alexandra Wimley (dpa)
Eine Abtreibungsbefürworterin konfrontiert einen Abtreibungsgegner / © Alexandra Wimley ( dpa )

Ein Faktencheck der "Washington Post" von 2019 hatte zutage gefördert, wie sich die Positionen des Pragmatikers über die Jahre verändert haben. Als Vorsitzender der Jung-Republikaner in Kalifornien setzte der damals 30-Jährige 1996 ganz andere Prioritäten. Steuern und Studiengebühren seien das Thema für die Republikaner, um für Jung-Wähler attraktiv zu sein, forderte er.

Abtreibung sei etwas, "worüber sie mit ihrem Pfarrer, Rabbi und ihrer Familie sprechen sollten".

In einem Leserbrief seiner Heimatzeitung in Bakersfield hielt ihm 2003 sogar jemand vor, Pro-Life-Positionen aus dem Parteiprogramm streichen zu wollen. In die gleiche Kerbe schlug im selben Jahr die "Los Angeles Times", als sie McCarthy attestierte, den straffreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu unterstützen. Diese Haltung gab er auf, als er 2014 in den Kongress einzog. Er unterstützt heute das sogenannte "Hyde Amendment" von 1976, das die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus Bundesmitteln verbietet.

Kandidat macht sich für Ausnahmen stark

Vorbehaltlos ist seine Unterstützung für die Agenda der strikten Abtreibungsgegner in seiner Partei dennoch nicht. McCarthy macht sich für Ausnahmen beim Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen bei Inzest, Vergewaltigung und Gefahr für die Mutter stark. Deshalb lehnt er Abtreibungsgesetze in republikanisch regierten Bundesstaaten ab, die diese Einschränkungen nicht vorsehen.

Abtreibungsgegner protestieren vor einer Klinik / © Brandon Wade (dpa)
Abtreibungsgegner protestieren vor einer Klinik / © Brandon Wade ( dpa )

Noch bevor McCarthy den Hammer des Speakers in Händen hält, erntet er Kritik für seine Ankündigung, die muslimische Abgeordnete Ilhan Omar aus dem außenpolitischen Ausschuss entfernen zu wollen. Omar sei "antisemitisch und israelfeindlich", so die Begründung McCarthys.

Dies seien falsche Anschuldigungen, verteidigen liberale jüdische Organisationen die Demokratin, die wiederholt mit Kritik an Israel von sich reden machte. Sie wittern ein Ablenkungsmanöver McCarthys von Antisemitismusvorwürfen gegen Abgeordnete des rechten Flügels seiner eigenen Partei.

Genau dieser Flügel könnte McCarthy noch Probleme bereiten auf dem Weg zum drittwichtigsten US-Repräsentanten nach dem Präsidenten und der Vizepräsidentin. Unter den rund drei Dutzend Abgeordneten ist der Groll über McCarthys Trump-Kritik nach dem Capitol-Sturm vom Januar 2021 noch groß. Trump habe Mitverantwortung, attackierte er damals den abgewählten Präsidenten, der ihn in seiner Amtszeit als Lakaien behandelt und abschätzig als "meinen Kevin" bezeichnet hatte.

McCarthys Emanzipationsversuch von Trump dauerte weniger als zwei Wochen. Dann pilgerte er nach Mar-A-Lago, um Abbitte zu leisten.

Fotos zeigen ihn gut gelaunt neben dem Ex-Präsidenten. Seitdem ist seine Trump-Kritik verstummt.

Wie sieht es nach erfolgreicher Wahl aus?

Auch nach einer Wahl zum Speaker stünde McCarthy vor einer "Mission Impossible". Denn er braucht weiterhin die Stimmen der Parteirechten, die ihn für nicht prinzipienfest halten.

Eine amerikanische Flagge weht vor dem US-Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der USA in Washington / © Tyler Orsburn/CNS photo (KNA)
Eine amerikanische Flagge weht vor dem US-Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der USA in Washington / © Tyler Orsburn/CNS photo ( KNA )

Kurz vor Weihnachten appellierte er an die republikanischen Abgeordneten, trotz der knappen Mehrheit nicht den Versuch zu scheuen, Gesetzesvorlagen einzubringen. Dazu könnte ein landesweites Abtreibungsverbot nach der 15. Schwangerschaftswoche gehören, das McCarthy unterstützt, seit die Zuständigkeit für das Abtreibungsrecht nach dem Urteil des Supreme Court vom Juni 2022 wieder an die Bundesstaaten zurückfiel.

Um den rechten Flügel zu umwerben, kann der Kalifornier solche Versprechungen machen. Denn Beschlüsse im Repräsentantenhaus hätten nur symbolischen Charakter, da die Demokraten im Senat die Mehrheit halten und der Präsident zudem noch ein Veto einlegen kann.

Supreme Court

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten ist das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten. Neben diesem obersten Bundesgericht existieren auch Supreme Courts in jedem einzelnen Bundesstaat. Der Supreme Court ist das einzige amerikanische Gericht, das explizit in der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Der Supreme Court tagt in Washington, D.C., die anderen Bundesgerichte sind landesweit verteilt.

Justitia (dpa)
Justitia / ( dpa )
Quelle:
KNA