Atwood erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

"Mahnerin für Frieden und Freiheit"

Die kanadische Schriftstellerin, Essayistin und Dichterin Margaret Atwood ist mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Dabei wurde sie als Mahnerin für Frieden und Freiheit gewürdigt.

Margaret Atwood erhält Friedenspreis / © Arne Dedert (dpa)
Margaret Atwood erhält Friedenspreis / © Arne Dedert ( dpa )

Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, ehrte die 77-Jährige am Sonntag bei der Preisverleihung in der Frankfurter Paulskirche zudem als Kämpferin für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft. Der Friedenspreis ist der bedeutendste deutsche Kulturpreis, er ist mit 25.000 Euro dotiert.

Hellhörigkeit für gefährliche Entwicklungen

Margaret Atwood zeige in ihren Werken immer wieder ihr "politisches Gespür und ihre Hellhörigkeit für gefährliche unterschwellige Entwicklungen und Strömungen", heißt es in der Begründung des Stiftungsrats: "Als eine der bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit stellt sie die sich wandelnden Denk- und Verhaltensweisen ins Zentrum ihres Schaffens und lotet sie in ihren utopischen wie dystopischen Werken furchtlos aus." Sie demonstriere auch, wie leicht vermeintliche Normalität ins Unmenschliche kippen kann. "Humanität, Gerechtigkeitsstreben und Toleranz" prägten ihre Haltung.

Werke von tropischer Vielfalt

Die österreichische Schriftstellerin Eva Menasse nannte Atwood in ihrer Lobrede eine "immens kreative und produktive Autorin". Ihr Werk sei von "tropischer Vielfalt" und reiche "von wie hingetupften autobiografischen Erzählungen zu aufwendig ausgestalteten Zukunftsromanen". Die in den Wäldern Quebecs aufgewachsene Tochter eines Biologen sei eine Geschichtenerzählerin, die ihr Sensorium für die menschliche Natur und ihren politischen Verstand "als das Grundwasser nutzt, von dem sie diese Geschichten nährt".

Tief bewegt

Atwood nahm den Friedenspreis tief bewegt entgegen. Für eine Schriftstellerin aus einem Land wie Kanada, in dem das Schreiben und die Künste im Allgemeinen bis in die vergangenen Jahrzehnte hinein nicht ernst genommen worden seien, sei es nahezu "unbegreiflich", mit dieser renommierten Auszeichnung geehrt zu werden.

Nach den Worten von Atwood erlebt die heutige Gesellschaft in einem "seltsamen historischen Augenblick", in "Zeiten von Bedrohung und Wut". Mit großer Sorge sehe sie die antidemokratischen Tendenzen in vielen Ländern, sagte sie. Insbesondere die USA nach der Wahl von Donald Trump und Großbritannien nach dem Brexit machten schwierige Zeiten durch. Dasselbe gelte, in Anbetracht der jüngsten Wahlergebnisse, auch für Deutschland.

Nach Auffassung von Atwood hat jedes Land neben einem "Alltags-Ich" ein verborgenes, viel weniger tugendhaftes Ich, "das in Augenblicken der Bedrohung und Wut hervorbrechen und unsägliche Dinge tun kann". Angestachelt werde es etwa vom wirtschaftlichen Ungleichgewicht, der Automatisierung, dem Internet sowie "der Manipulation von Nachrichten und Meinungen durch ein paar Opportunisten zu ihren Gunsten". Angesichts des gespannten gesellschaftlichen Klimas, sozialer Ungerechtigkeit und der zunehmenden Bedrohung von Umwelt und Natur müssten sich die Bürger überall dieselbe Frage stellen, nämlich in was für einer Welt sie leben wollten.

Die am 18. November 1939 in Ottawa geborene Atwood studierte in Toronto und Cambridge/Massachusetts Englisch und Literatur. Erste Gedichte veröffentlichte sie in den frühen 1960er Jahren, seit 1964 arbeitete sie als Literaturwissenschaftlerin an verschiedenen Universitäten.

Breites Spektrum

Neben Lyrik, Kurzgeschichten, Theaterstücken, Essays und Kinderbüchern veröffentlichte sie unter anderem die Romane "Die essbare Frau" (1969), "Der lange Traum" (1972), "Der Report der Magd" (1985), "Oryx und Crake" (2003), "Das Jahr der Flut" (2009), "Die Geschichte von Zeb" (2013) und zuletzt "Hexensaat" (2016).

Atwood wurde mit zahlreichen Preisen bedacht, unter anderem mit dem Booker Prize for Fiction (2000), dem Nelly-Sachs-Preis (2009), dem Canadian Booksellers' Lifetime Achievement Award (2012) und dem PEN Printer Prize (2016). Sie lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Graeme Gibson, in Toronto.

Im vergangenen Jahr wurde die Berliner Philosophin und Publizistin Carolin Emcke geehrt. Zuvor waren Friedenspreisträger der deutsche Journalist, Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani (2015), der US-amerikanische Informatiker Jaron Lanier (2014), die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch (2013) und der chinesische Schriftsteller Liao Yiwu (2012).

 

Quelle:
epd