Malteser-Projekt hilft Senioren bei Einsamkeit

"Manche wollen einfach nur plaudern"

Von Weihnachten bis Neujahr gingen bei den Maltesern über 4.000 Anrufe ein, davon 350 echte Notfälle. Der Grund: Viele Senioren fühlen sich einsam. "Miteinander - Füreinander" heißt ein Projekt, was dagegensteuern möchte.

Ein älterer Mann mit einem Handy / © Rawpixel.com (shutterstock)
Ein älterer Mann mit einem Handy / © Rawpixel.com ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wurden die Menschen an Weihnachten nicht durch ihre Familien aufgefangen oder woran lag es, dass so viele Anrufe bei ihnen eingegangen sind?

Ruth Horn-Busch (Leiterin für den Hausnotruf der Malteser in Nordrhein-Westfalen): Ein Großteil der Senioren wird von ihren Familien, Bekannten oder Nachbarn aufgefangen. Aber es bleiben doch eine ganze Menge Menschen übrig, die keine Familie mehr haben oder vielleicht nur an einem Tag in der Familie sind.

Weihnachten bis Silvester ist eine lange, dunkle Zeit, wo sich das Ganze bei manchen Leuten oftmals zuspitzt. Sie merken dann: Nichts ist los, ich bin allein.

DOMRADIO.DE: Was sagen die Anruferinnen und Anrufer am anderen Ende des Telefons?

Horn-Busch: Sie rufen nicht an, um zu sagen, dass sie einsam sind. Das ist das große Problem, sich einzugestehen, dass es einem zum Beispiel aus der Einsamkeit heraus nicht gut geht. Dafür werden meistens Gründe vorgeschoben, aber dann wird eben doch oft ein bisschen erzählt. Unsere Mitarbeiter sind darin geschult, herauszuspüren, was da wirklich los ist. Oftmals werden dann auch Mitarbeiter von uns rausgeschickt, die dann, wenn es wirklich schlimm ist, ein bisschen mit den Leuten reden können.

Eine Dame hat zum Beispiel berichtet, dass sie sich über Weihnachten mit Alkohol getröstet habe und die Woche danach mehr oder weniger im Bett geblieben ist. Sie war nachher so schwach, dass sie kaum noch rauskam. Das war ein krasser Fall, wo sich wirklich zeigt, dass Einsamkeit auch körperliche Auswirkungen hat. Aber manche wollen einfach nur plaudern.

DOMRADIO.DE: Zwischen den Jahren waren es durchschnittlich 200 Alarme pro Tag. Wie helfen Sie den Menschen? Gibt es Pläne, genau diese Lücke zu füllen - also statt des Hausnotrufs mit Angeboten gegenzusteuern und zu helfen, so dass die Menschen nicht allein sind?

Horn-Busch: Wir haben diverse ehrenamtliche Dienste, die zum Teil neu aufgebaut werden. Was wir bisher hatten, ist ein Telefon-Besuchsdienst. Das heißt, ein Ehrenamtlicher ruft jemanden an, der gerne regelmäßig "quatschen" möchte - wenn man das so sagen kann. Also ein bisschen das ersetzen, was man sonst macht, wenn die Kinder sonntags anrufen, wo man einfach mal die Woche Revue passieren lässt oder uns was erzählen kann. Das ist ein toller Dienst, der teilweise auch den Helfern hilft, da es oft Leute sind, die selbst kurz vor dem Alter stehen, wo es vielleicht so werden könnte.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat das Projekt "Miteinander - Füreinander" aufgesetzt, das Dienststellen oder Ehrenamtliche fördert. Da haben wir in Bonn, Köln und im Rhein-Erft-Kreis Projekte. Das ist sehr interessant, denn es geht darum, die Leute aus der Situation rauszuholen. Nicht, dass man sie immer nur bedient, sondern da werden Berater ausgebildet, die individuell mit den Leuten gucken: Was ist in meinem Stadtteil los? Was wäre was für mich? Und dann auch die Kontakte miteinander knüpfen und sozusagen die Leute auf den Weg schieben.

DOMRADIO.DE: Das Bundesfamilienministerium macht das in Kooperation mit Ihnen. Wie können wir uns das vorstellen? Wer ist dafür zuständig?

Horn-Busch: Bei uns gibt es eine "Abteilung Ehrenamt", die ehrenamtliche Dienste aufbauen, Ehrenamtliche gewinnen, die in Eigenregie vor Ort Gruppen mit Ehrenamtlichen haben, die diese Aufgaben erledigen. Die Leute werden vorher geschult, damit sie nicht ganz blind auf die Leute losgelassen werden. Gerade für eine Beratung und Begleitung braucht es vorher eine gewisse Schulung. Aber das wird tatsächlich von Ehrenamtlichen durchgeführt, die sich freiwillig melden und über Ehrenamtsbörsen oder die Presse zu uns zu kommen.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt die Corona-Pandemie bei der Einsamkeit älterer Menschen?

Horn-Busch: Das ist noch mal die Zuspitzung des Ganzen. Viele Aktionen fallen weg, viele Möglichkeiten wegzugehen - Seniorentreff, Seniorengruppen - sind geschlossen. In den Seniorenheimen war auch zum Teil gar nichts mehr möglich.

Wir haben zum Beispiel einen Kulturbegleitdienst. Das heißt, wir fahren einmal im Monat mit Senioren in Museen, Konzerte oder ähnliches. Das ist eine ganze Weile weggefallen. In Köln haben sie wieder gestartet. Jetzt ist aber die Frage: Was ist mit Omikron? Können wir uns trauen, das wieder zu machen oder nicht?

Und das ist für die Leute, die nur zu Hause sind, ganz schwer. Das kann jeder sicher nachvollziehen oder kennt es selbst, wenn man tagelang nicht unter Leuten war, wie komisch das ist, wie schwer es einem fällt, dann wieder in Kontakt zu treten.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR