Lumpenglocke läutet seit 550 Jahren am Hauptmarkt in Trier

"Damit die Lumpen nach Hause gehen"

Eine enge Verbindung zwischen Stadt und Glocke gibt es in Trier. Die Lumpenglocke von St. Gangolf läutet seit 550 Jahren am Hauptmarkt in Trier. Das wird zwei Tage lang mit Weingesang und Gottesdienst in der Marktkirche gefeiert.

Autor/in:
Tobias Fricke
Trier Hauptmarkt mit der Kirche des Heiligen Gangolf / © jennypong (shutterstock)
Trier Hauptmarkt mit der Kirche des Heiligen Gangolf / © jennypong ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Herr Schritt, wie sieht die Lumpenglocke aus? Wie groß und wie schwer ist sie? Wer hat sie gemacht?

Sebastian Schritt (Glockenexperte und Mitarbeiter in der Trierer Dom-Information): Die Lumpenglocke sieht wie eine normale Glocke aus. Sie ist 1475 vom Trierer Glockengießer Nikolaus von Ene gegossen worden. 

Glockenexperte Sebastian Schritt (privat)
Glockenexperte Sebastian Schritt / ( privat )

Sie hat einen Durchmesser von 1,55 Meter und bringt 2250 Kilogramm auf die Waage. Sie ist die größte Glocke des Trier Meisters, der so circa zwischen 1460 und 1490 hier in Trier gegossen hat. Das ist schon etwas Besonderes, eine Glocke mit über zwei Tonnen aus der Zeit. Köln spielt da in einer anderen Liga.

DOMRADIO.DE: Wie würden sie den Klang beschreiben?

Schritt: Der Klang ist typisch für diesen Trierer Gießer. Die Glocke ist etwas anders gegossen als die Kölner Glocken. Eine Glocke hat eine ganz bestimmte Innenharmonie. Man hört den Schlagton, aber wenn man gut hören kann, kann man auch noch viele andere Töne hören. 

Die Lumpenglocke in St. Gangolf in Trier / © Sebastian Schritt (privat)
Die Lumpenglocke in St. Gangolf in Trier / © Sebastian Schritt ( privat )

Die wichtigsten sind der Unterton, die Prime und die Terz. Der Unterton ist der tiefste Ton einer Glocke. Die Prime ist bei modernen Glocken deckungsgleich mit dem Schlagton, aber in St. Gangolf liegt sie einen Ganzton tiefer. 

Sebastian Schritt

 "Es entsteht ein besonderer Klang, den wir heute so nicht mehr kennen."

Dadurch entsteht ein besonderer Klang, den wir heute so nicht mehr kennen. Denn das ist heute nicht mehr gewollt bei der Glockenstimmung, aber im Mittelalter war das so. 

Das Besondere ist auch, dass heute Glocken innerhalb eines Geläutes aufeinander abgestimmt werden. Das war zu der Zeit nicht nötig, weil es kein Zusammenläuten aller Glocken gab. Jede Glocke hatte quasi ihre eigene Aufgabe.

Sebastian Schritt

"Sie läutete als Erkennungszeichen, dass die Tore der Stadt geschlossen werden und die Kneipen schließen."

DOMRADIO.DE: Welche Aufgabe hatte die Lumpenglocke?

Schritt: Sie läutet regulär zu besonderen Gottesdiensten. Sie läutet aber auch jeden Abend um 22 Uhr, früher war das um 21 Uhr zur sogenannten Sperrstunde. Heute haben wir keine Sperrstunde mehr, aber im Mittelalter schon. 

Sie läutete als Erkennungszeichen, dass die Tore der Stadt geschlossen werden und die Kneipen schließen. Deswegen trägt sie auch ihren Namen "Lumpenglocke", damit die Lumpen nach Hause gehen.

Sebastian Schritt

"Die Trier wissen das, aber man nimmt es zur Kenntnis und bleibt trotzdem in der Kneipe."

DOMRADIO.DE: Gehen die Trierer heute noch nach Hause, wenn sie am Abend die Lumpenglocke hören?

Schritt: Nein, im Moment ist die Stadt voll mit Touristen. Die wissen nicht, warum um 22 Uhr geläutet wird. Die Trierer wissen das, aber man nimmt es zur Kenntnis und bleibt trotzdem in der Kneipe.

DOMRADIO.DE: Ist und war dieses Läuten für die Kirchengemeinde eine lukrative Angelegenheit?

Schritt: Sie bekommt derzeit 15,50 Euro im Jahr, was ungefähr den 10 Pfennig von früher entspricht. Lukrativ, würde ich sagen, ist es nicht.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Bistum Trier

Das Bistum Trier ist das älteste in Deutschland. Es erstreckt sich über eine Fläche von 12.870 Quadratkilometern. Im Bistum Trier, das Grenzen zu Frankreich, Luxemburg und Belgien hat, leben etwa 2,5 Millionen Menschen, davon sind 1,1 Millionen katholisch. 

Als erster Bischof von Trier gilt der Heilige Eucharius im dritten Jahrhundert. Das spätere Erzbistum, dessen Oberhirten seit 1198 auch Kurfürsten waren, war eines der wichtigsten im alten Reich. Es umfasste ein Gebiet vom französischen Stenay an der Maas im Westen bis vor Gießen im Osten. 

Liebfrauenkirche und Trierer Dom / © Julia Steinbrecht (KNA)
Liebfrauenkirche und Trierer Dom / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR

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