Liberale Juden wollen einen eigenen Staatsvertrag

Verfassungsbeschwerde eingereicht

Nach jahrelangem Streit über eine staatliche Förderung legt die Union progressiver Juden nun Verfassungsbeschwerde ein. Sie beklagt demnach eine Ungleichbehandlung und sieht zwei Möglichkeiten, diese zu beenden.

Davidstern in Synagoge / © Julia Steinbrecht (KNA)
Davidstern in Synagoge / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Mit einer Verfassungsbeschwerde will die Union progressiver Juden (UpJ) durchsetzen, dass sie wie auch der
Zentralrat der Juden in Deutschland öffentliche Gelder über einen eigenen Staatsvertrag erhält. 

Eine Alternative wäre aus Sicht der UpJ, eine Ergänzung in den bestehenden Staatsvertrag einzufügen, der regelt, "dass und in welcher Höhe der Zentralrat der Juden einen Teil der staatlichen Mittel" an die UpJ weiterleiten muss, wie es in der Verfassungsbeschwerde heißt.

Ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts bestätigte am Dienstag den Eingang der Beschwerde. Der Text liegt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor. Zuerst hatte die "Legal Tribune Online" darüber berichtet.

Bisher leitet Zentralrat Fördergelder weiter

 Die UpJ, die liberale Gemeinden vertritt, kritisiert seit Jahren eine Ungleichbehandlung. Bisher leitet der Zentralrat einen Teil der Fördergelder, die er über den Staatsvertrag bekommt, an die UpJ weiter. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung das Volumen des Vertrags von 13 auf 22 Millionen Euro pro Jahr erhöht.

Nach Angaben der UpJ soll diese davon 189.000 Euro für das laufende Jahr erhalten, was aus ihrer Sicht zu wenig ist. Die Gemeinden unter dem Dach des Zentralrats der Juden haben nach offiziellen Angaben rund 95.000 Mitglieder. Zur UpJ gehören nach eigenen Angaben bundesweit 19 jüdische Gemeinden mit etwa 4.000 Mitgliedern.

Den Staatsvertrag hatten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der damalige Zentralratspräsident Paul Spiegel 2003 unterschrieben. Das Dokument sollte für mehr Rechtssicherheit und eine bessere finanzielle Unterstützung sorgen.

"Die im Zentralrat der Juden organisierten Einheitsgemeinden sind überwiegend orthodox und haben liberale Juden in der Vergangenheit ausgegrenzt", heißt es in der Verfassungsbeschwerde. Der Zentralrat
selbst sieht sich als Vertreter eines vielfältigen jüdischen Lebens.

Im vergangenen Jahr hatte sich unter seinem Dach ein neuer Verband für liberale jüdische Gemeinden und Gruppierungen, der Jüdische Liberal-Egalitäre Verband (JLEV), gegründet. Hintergrund waren innerjüdische Streitigkeiten.

"Wir wollen endlich eine Klärung" 

Sowohl der Zentralrat als auch die UpJ sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und haben damit als einzige bundesweit tätige jüdische Organisationen diesen Status. Daher möchte die UpJ als Vertreterin der liberalen Strömung ebenso wie der Zentralrat gefördert werden. 

Ein solcher Teilhabeanspruch folge "nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus einer Gesamtschau der religionsverfassungsrechtlichen Vorgaben", heißt es in der Verfassungsbeschwerde. 

"Wir wollen endlich eine Klärung", sagte die UpJ-Vorsitzende Irith Michelsohn der KNA. Weil Gespräche mit dem Bundesinnenministerium über einen neuen Passus im bestehenden Staatsvertrag bisher erfolglos geblieben seien, habe sich die UpJ nun für die Verfassungsbeschwerde entschieden. Michelsohn verwies auf Regelungen zu staatlichen Förderungen, die es bereits auf Landesebene gebe.

Der Zentralrat wollte sich auf KNA-Anfrage erst einmal nicht äußern. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte er betont, er berücksichtige alle Strömungen des Judentums "gleichermaßen und paritätisch".

Reaktion des Bundesinnenministeriums 

Das Bundesinnenministerium erklärte am Abend, dass ihm die Förderung jüdischen Lebens ein "besonders wichtiges Anliegen" sei. "Die finanzielle Förderung ist unter vielfältigen Förderungsmöglichkeiten ein wichtiger Aspekt", so ein Sprecher gegenüber der KNA. Auch die UpJ werde vonseiten des Ministeriums unterstützt. 

"Ob die UpJ einen Anspruch auf Abschluss eines originären religionsrechtlichen Vertrages oder einen Anspruch auf Änderung des mit dem Zentralrat der Juden geschlossenen Vertrages hat, wird im Rahmen der Verfassungsbeschwerde zu klären sein."

Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden ist die Spitzenorganisation der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik. Unter seinem Dach sind 23 Landesverbände mit 105 Gemeinden und ihren rund 100.000 Mitgliedern organisiert. Der Rat wurde 1950 in Frankfurt am Main gegründet. Damals lebten noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust waren es bis zu 600.000.

Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt Leo-Baeck-Preis / © Christian Ditsch (epd)
Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt Leo-Baeck-Preis / © Christian Ditsch ( epd )
Quelle:
KNA